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Joseph Blatter nach seiner Wiederwahl als Fifa-Präsident am 29. 5. 2015 in Zürich.

© dpa

Nach der Wiederwahl von Joseph Blatter: Warum die Revolution in der Fifa gescheitert ist

Wie hat es der alte und neue Fifa-Präsident Joseph Blatter geschafft, trotz aller Skandale die Kritiker in die Schranken zu weisen? Sind seine Gegner in Europa - darunter Deutschland - damit geschwächt? Geht ihr Kampf weiter? Lesen Sie hier Fragen und Antworten nach einer denkwürdigen Kampfabstimmung.

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Am Ende, als die Revolution im Fußball-Weltverband Fifa gescheitert war, reckte Sieger Joseph Blatter verzückt die Fäuste und stimmte einen Fußball-Schlachtgesang an. „Let’s go, Fifa!“ Die meisten der 209 Deligierten im Zürcher Hallenstadion standen auf und klatschten, einige johlten gar.

Nach zehn Stunden Wahlkongress stand am Freitagabend fest: Blatter bleibt die nächsten vier Jahre Fifa-Präsident. Trotz aller Skandale der vergangenen Woche hatten ihm 133 Mitgliedsverbände das Vertrauen ausgesprochen. Nur sieben Stimmen hatten gefehlt zu einem Sieg mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Trotzdem war kein zweiter Wahlgang nötig, da Gegenkandidat Prinz Ali bin al-Hussein sich zurückzog. 73 Stimmen hatte er bekommen, ein kleiner Denkzettel für Blatter, aber bei weitem nicht genug, um den Herausforderer noch auf einen Sieg hoffen zu lassen.

Wie hat es Blatter geschafft, wiedergewählt zu werden?

Nach der abgewendeten Abwahl wandte sich der Amtsinhaber regelrecht euphorisch an das Wahlvolk. „Ich mag euch, ihr habt mich zurück in die Fifa gebracht. Ich bin nicht perfekt, aber niemand ist perfekt.“ Und weiter: „Ich kommandiere das Schiff namens Fifa die nächsten vier Jahre und werde es zurück an die Küste führen, wo wir Strandfußball spielen können.“

Zuvor in seiner Wahlkampf- und später in seiner Siegesrede deutete der Schweizer an, mit welchen Versprechungen er sich eine Mehrheit gesichert haben könnte. Die Fußballweltregierung, das Fifa-Exekutivkomitee, wolle er personell aufstocken. Speziell Ozeanien solle mehr als einen Vertreter im Gremium erhalten. Das Format der Fußball-WM solle nicht verändert werden. Und der Profifußball solle ein eigenes Büro bei der Fifa erhalten, womit Blatter versuchen dürfte, die Vereine zu umgarnen.

Viele Delegierte hielten weiter zu Blatter, der in seiner Wahlkampfrede gesagt hatte: „Die Fifa braucht keine Revolution, sondern eine Evolution. Der Fußball benötigt jetzt eine starke Führungspersönlichkeit, die Erfahrung hat und alle Auswirkungen kennt.“ Auch die von Skandalen wie dem derzeitigen.

Wie waren die Reaktionen auf Blatters Sieg?

Blatters Wiederwahl ist vor allem eine Niederlage für die Europäer, die mehrheitlich al-Hussein unterstützt hatten. Der Jordanier erhielt auch Stimmen außerhalb Europas. Dennoch kämpfte der 39-Jährige al-Hussein mit den Tränen, als er seinen Rückzug und seine Niederlage eingestand. Der Präsident des europäischen Fußballverbandes Uefa, Michel Platini, nahm den von ihm unterstützten Kandidaten tröstend in dem Arm und dankte al-Hussein in einem Statement für seinen „unglaublichen Wahlkampf“.

Wolfgang Niersbach zeigte sich ernüchtert nach der Niederlage al-Husseins, den er ebenfalls unterstützt hatte. „In den vergangenen Tagen war Gegenwind gegen Blatter zu spüren, doch der Kongress hat gezeigt, dass er nicht stark genug für einen Wechsel blies“, sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). „An den Reaktionen im Saal war zu sehen, wo Blatter seinen Unterstützer hatte, in Asien und Afrika.“ Niersbach fürchtet nun, dass die Unruhe im Weltverband durch neue Enthüllungen weitergehen könnte.

Ist der Widerstand gegen Blatter damit gebrochen?

Blatters Gegner aus Europa betonen weiterhin die Notwendigkeit eines Führungswechsels in der Fifa. „Veränderung ist notwendig, um dieser Organisation ihre Glaubwürdigkeit zurückzugeben“, teile Uefa-Chef Platini mit. Doch der große Bruch mit Blatter ist nicht abzusehen. Zu dem hätte es kommen können, wenn das neu formierte Exekutiv- Komitee gleich bei seiner ersten Sitzung am heutigen Sonnabend den europäischen Mannschaften einen WM-Startplatz wegnehmen würde.

Doch DFB-Präsident Niersbach zeigte sich erfreut, dass Blatter mit seinem Statement, das Turnier so zu belassen wie es ist, eine Garantie auf 13 europäische Teilnehmer gegeben habe. Anders bewertete er allerdings die geplante Ausweitung der Fußballregierung. „Mit mehr Exekutivkommitee-Mitgliedern wird es noch schwerer, an Reformen zu arbeiten“, sagte Niersbach. Er vermutete, dass es Kalkül sei, dass die acht europäischen Vertreter, die oft mit den vier südamerikanischen Funktionären paktierten, dann keine Mehrheit mehr im Gremium hätten. So gesehen sind Blatters Pläne, „denen zu geben, die weniger haben“, auch als Kampfansage an die reichen und mächtigen europäischen Verbände zu verstehen.

Warum wäre eine Niederlage Blatters möglich gewesen?

Prinz Ali bin al-Hussein war der letzte verbliebene Herausforderer Blatters. Doch auch nach dem Rückzug der Mitbewerber Michael van Praag und Luis Figo galt der Jordanier zunächst als chancenlos gegen Blatter. Zu groß schien die Hausmacht des Schweizers nach 40 Jahren im Weltverband, 17 davon als Präsident.

Doch dann wurden am Mittwoch sieben Spitzenfunktionäre in Zürich verhaftet und die Fifa- Zentrale in Zürich durchsucht. Das gab einigen Verbänden, die im Block für Blatter stimmen wollten, offenbar zu denken. „Viele Verbände spüren nach den Verhaftungen mehr Freiheit bei der Abstimmung“, sagte Razvan Burleanu, Chef des rumänischen Fußballverbands. „Ich wollte eigentlich für Blatter stimmen, aber habe für Prinz Ali gestimmt und bin nun enttäuscht“, sagte der Delegierte Randolph Harris aus Barbados.

Wie geht es nach der Fifa-Wahl weiter?

Die Präsidenten-Wahl als Schicksalstag für den Weltfußball, diese Formulierung ging Reinhard Rauball zu weit. „Das ist zu hoch gegriffen, die Arbeit steht danach noch an“, sagte Ligapräsident der Bundesliga. Die Europäer werden weiter auf Reformen drängen. Rund um das Champions-League-Finale am kommenden Wochenende werden sich die Vertreter der Uefa treffen und das weitere Vorgehen des europäischen Verbandes besprechen.

Am Vortag hatte Uefa-Chef Michel Platini offen gelassen, ob die Europäer die Fifa oder die WM künftig boykottieren könnten. Rauball und Niersbach wollten davon nichts wissen. „Von Boykott war nie die Rede, das bringt nichts“, sagte der DFL-Chef Rauball. Stattdessen müsse überdacht werden, ob alle 209 Fifa-Verbände weiter die gleiche Stimme haben sollten oder ob nicht eher eine Art Aufsichtsrat, proportional nach Verbandsgröße besetzt, wichtige Entscheidungen treffen müsste.

Doch DFB-Präsident Niersbach sagte auch: „Alle Reformvorhaben in der Fifa nützen wenig, wenn nicht die handelnden Personen nicht ausgetauscht werden.“ Damit meinte er: Blatter.

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