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Sport: Nach einer verkorksten Saison ruhen die Hoffnungen des Vereins allein auf Trainer Ewald Lienen

Der Höhepunkt kommt ganz zum Schluss. Auf der Laufbahn vor der Südkurve hat sich die komplette Mannschaft versammelt, um den Fans den gebührenden Dank abzustatten und um sich noch einmal von ihnen feiern zu lasen.

Der Höhepunkt kommt ganz zum Schluss. Auf der Laufbahn vor der Südkurve hat sich die komplette Mannschaft versammelt, um den Fans den gebührenden Dank abzustatten und um sich noch einmal von ihnen feiern zu lasen. Nur Ewald Lienen, der Trainer, verfolgt das Schauspiel aus dem Hintergrund mit respektvollem Abstand. Erst als die Spieler in die Kabine abmarschieren, tritt er ein paar Schritte vor. Wenn die Tartanbahn eine Bühne ist, dann gehört sie jetzt ihm allein. Der Star ist der Trainer. "Eeeeeewald Lienen", rufen die Fans und wollen gar nicht mehr aufhören. Dass sie noch an diesen Verein glauben, liegt ausschließlich an ihm. Nach einer verkorksten Saison vereinen sich alle Hoffnungen auf eine bessere Zukunft in seiner Person.

Es ist das erste Spiel der zweiten Zweitligasaison für die Kölner. 22 000 Zuschauer sind gekommen, obwohl der Gegner Rot-Weiß Oberhausen heißt. 29 000 Zuschauer, schreibt die Boulevardzeitung "Express" am nächsten Montag, und auf der Titelseite steht in den größten aller Buchstaben: "FC, so lieben wir dich wieder!" Nanu, was ist denn da passiert?

In der 71. Minute hat Christian Springer nach einem Freistoß ein Tor geköpft; dadurch gewinnt der 1. FC Köln 1:0. Das reicht. Eine Woche zuvor haben sich die Kölner im DFB-Pokal mit 7:1 gegen den Regionalligisten Wattenscheid 09 durchgesetzt. Nach dem Spiel sind die FC-Fans auf das Spielfeld gestürmt und haben zur Erinnerung an diese Sternstunde der deutschen Fußballgeschichte Rasenstücke aus der Lohrheide mit nach Haus getragen. Ewald Lienen hat es gar nicht gefallen, "dass wir die ganze Woche eine ziemliche Euphorie hier gehabt haben". Euphorie sei zwar einerseits wunderbar, andererseits "ist das Unwissenheit, mit der wir uns nicht beschäftigen", sagt Lienen. "Wichtig ist das, was wir wollen."

Lienen hat sich nie von dem beeindrucken lassen, was andere von ihm verlangten. Als in Rostock vor etwas mehr als einem Jahr das gesamte Umfeld des Vereins vom Uefa-Cup träumte, hat Lienen gesagt, das interessiere ihn nicht. Es komme alleine darauf an, guten Fußball zu spielen. Am Ende wurde Hansa Sechster und verpaßte die Qualifikation für den Europapokal. "Ich mache das Saisonziel nicht am Tabellenplatz fest", sagt Lienen auch jetzt. Er nicht. Aber der Rest von Köln. Lienen als Trainer beim FC, das ist so, als würde Harald Schmidt Pressesprecher beim Vatikan. Nur umgekehrt.

Zwei Siege hintereinander, und schon schreibt der "Express" wieder "Ganz Köln steht Kopf". Als hätten sie vergessen, dass es gerade diese Großmannssucht war, die sie dahin gebracht hat, wo sie gerade sind. Noch heute steht im Müngersdorfer Stadion auf der Anzeigetafel: "Der 1. FC Köln präsentiert die Bundesliga." Der "Express" behauptet nach dem Spiel gegen Oberhausen, die Mannschaft habe ein "spielerisches Feuerwerk" abgebrannt. In Wirklichkeit hat sie alle Mühe gehabt, gegen den defensiven Gegner überhaupt ein Tor zu erzielen. Immerhin, in der vergangenen Saison hätten sie so ein Spiel wahrscheinlich verloren.

Aus der lustlosen Söldnertruppe des Vorjahres ist in nur wenigen Wochen eine Mannschaft geworden, die bei allen spielerischen Mängeln zumindest Leidenschaft zeigt. "Jeder hat alles gegeben", hat Ewald Lienen nach dem Spiel gegen Oberhausen gesagt. Präsident Albert Caspers, unter dessen Ägide der Verein erstmals aus der Bundesliga abgestiegen ist, ist "ein bisschen stolz darauf, dass die Neuverpflichtungen recht positive Naturen sind". Die Mannschaft sei schneller, technisch versierter. "Es scheint, dass jeder weiß, was er zu tun hat." Spielmacher Claus-Dieter Wollitz ist froh, dass es jetzt "eine klare Hierarchie gibt". Die habe es im letzten Jahr nicht gegeben. Oder anders ausgedrückt: Seitdem Dorinel Munteanu weg ist, muss sich Wollitz mit niemandem mehr darum streiten, wer die Freistöße und Eckbälle schießen darf.

"Ich habe das Gefühl, dass es im Klub noch nie einen solchen Zusammenhalt gab", sagt Manager Hannes Linßen. Das ist vermutlich wieder maßlos übertrieben. Aber auch Vereinspräsident Caspers hat "eine gute Korrelation zwischen dem Publikum und der Mannschaft" festgestellt. Und Spielmacher Claus-Dieter Wollitz registrierte mit Wohlwollen, "dass die Zuschauer nach Fehlpässen nicht gepfiffen haben". All das ist neu in Köln. Ein Reporter hat daher auch gleich von Wollitz wissen wollen, ob das jetzt eine neue Mannschaft sei. Vor einem Jahr hätte er wahrscheinlich laut "Jaaa" geschrien. Jetzt sagt er: "Das kann eine neue Mannschaft werden. Aber wir müssen auf dem Teppich bleiben."

Wenn das mal in Köln nicht zu viel verlangt ist.

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