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Nach Niederlage: Wer soll Herthas Tore schießen?

Nur wenn die Berliner ihre Abschlussschwäche in den Griff kriegen, können sie den Abstieg vermeiden.

Auch der letzte Versuch verfehlte das Ziel. Das Tor war leer, kein Gegenspieler weit und breit – der Ball aber ging deutlich am Dortmunder Tor vorbei. Das war typisch für diesen Abend. Das Spiel war längst vorbei, die Spieler von Hertha BSC hatten den Platz fast fluchtartig verlassen, und als ein paar Minuten später die Dortmunder nach ihrer Siegesfeier folgten, bekam ihr Innenverteidiger Neven Subotic einen Ball vor die Füße: Er trat ihn von jenseits der Mittellinie auf das Tor, in dem vor dem Abpfiff sein Kollege Roman Weidenfeller gestanden hatte, doch der Ball rollte fünf Meter neben dem Pfosten ins Aus. Nicht einmal wenn die Dortmunder ihren Job übernehmen, treffen die Berliner.

Herthas Abschlussschwäche hat inzwischen dramatische Ausmaße angenommen. „Im Moment haben wir zu wenig Qualität im Spiel nach vorne“, sagte Trainer Friedhelm Funkel nach dem 0:2 in Dortmund. In der Bundesliga hat nur der 1. FC Köln seltener getroffen als die Berliner, gerade mal sieben Tore sind es bisher in elf Spielen, in nahezu jeder zweiten Partie (fünf) ging Hertha leer aus. Und auch Funkels Zwischenbilanz ist erschütternd: Im fünften Pflichtspiel unter seiner Verantwortung blieb Hertha zum vierten Mal ohne Tor. „Wir spielen nicht zwingend nach vorne“, klagte er. „Unsere Angriffe sind zu einfach zu durchschauen.“

Das war auch gegen den BVB wieder so. Herthas Trainer hatte die Offensive neu konstruiert, Patrick Ebert (links) und Lukasz Piszczek (rechts) sollten Adrian Ramos (Mitte) als nahezu klassische Außenstürmer unterstützen. Heraus sprangen zwei Möglichkeiten in der Anfangsviertelstunde, begünstigt durch Fehler der Borussia – mehr war nicht in der ersten Halbzeit. Zu Beginn der zweiten Hälfte vergab Gojko Kacar die große Chance zur Führung, nach dem 0:1 traf Lukasz Piszczek nur den Pfosten. „Unser Problem ist, dass wir uns zu wenig Torchancen herausspielen“, sagte Manager Michael Preetz. „Und die, die wir haben, nutzen wir nicht.“

Das noch viel größere Problem des Tabellenletzten ist, dass er derzeit viele Probleme hat, die er nach und nach abarbeiten muss. Zur Schwäche in der Offensive kommt eine ebenso eklatante Schwäche in der Defensive. Stabilität in der Abwehr ist für Hertha das erste Ziel. Beim 0:0 gegen Wolfsburg waren durchaus Lernerfolge zu beobachten, gegen Dortmund stand Hertha zumindest über weite Strecken sicher. Erst durch einen Elfmeter, den die Berliner für unberechtigt hielten, gerieten sie in Rückstand, und das 0:2 fiel in der Schlussminute, als Hertha mit Macht auf den Ausgleich drängte.

Generell aber attestierte Mittelfeldspieler Fabian Lustenberger sich und den Kollegen „zu wenig Mut“ im Spiel nach vorne. Hertha fehlt die Balance, was für eine verunsicherte Mannschaft nicht ungewöhnlich ist: Die Stärkung der einen Komponente (Defensive) geht meist auf Kosten der anderen (Offensive). Das ist der vielleicht größte Unterschied zur Vorsaison. Da entsprang der Erfolg einer soliden Defensive, darüber hinaus aber besaß Hertha mit Marko Pantelic und Andrej Woronin so viel individuelle Qualität im Angriff, dass der Gegner sich immer latent bedroht fühlen musste. Die Konkurrenten wussten: Die Berliner können auch aus dem Nichts Tore erzielen.

Die Stürmer, die Hertha derzeit beschäftigt, können das nicht, ein einziges Tor haben sie bisher erzielt. Artur Wichniarek scheint seiner freudlosen ersten Periode in Berlin eine noch viel freudlosere zweite folgen lassen zu wollen. In Dortmund durfte er zehn Minuten vor Schluss aufs Feld, in Heimspielen ist der Pole den eigenen Fans überhaupt nicht mehr zu vermitteln. Waleri Domowtschiski war unter Lucien Favre zumindest als Joker erfolgreich, doch selbst als Hertha am Freitag zurücklag, wurde er nicht eingewechselt. Bleiben die fachfremden Raffael und Kacar, die im Sturm aushelfen können, und der junge Adrian Ramos. Der Kolumbianer ist rührend bemüht, läuft viel, sein selbstloser Einsatz steht dem Ziel des Spiels – Tore zu erzielen – jedoch manchmal im Weg.

Mit vier Punkten aus elf Spielen hat sich Hertha nach einem Drittel der Saison in eine Position gebracht, in der Offensivstärke zur Schlüsselqualifikation für den Klassenerhalt geworden ist. Ein paar Nullzunull gegen die Großen der Liga werden nicht mehr reichen, um den Abstieg zu verhindern. Hertha braucht Siege, um jeweils drei Punkte zu holen. „Wer keine Tore schießt, kann nicht gewinnen“, sagt Mittelfeldspieler Fabian Lustenberger. Was sich wie ein Allgemeinplatz anhört, ist für Hertha in Wirklichkeit eine ernste Drohung.

Stefan Hermanns[Dortm, ]

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