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Nach Platz vier in Europa: Kollektiv an der Grenze

Ein Jahr Champions League: Was die Füchse Berlin noch von den ganz großen europäischen Teams trennt.

Petr Stochl hatte schon wieder gute Laune. Ein Schwatz hier, Fotos da, Autogramme dort, der Tscheche lächelte alles souverän weg. Nicht nur beim Torhüter der Füchse Berlin schien die Enttäuschung am Tag nach dem knappen 24:25 gegen den THW Kiel im Halbfinale der Handball-Champions-League vergessen. Auch einige Mitspieler vermittelten diesen Eindruck. Ihr Aufwärmprogramm bestand unter anderem darin, sich gegenseitig Fußbälle auf das Gesäß zu feuern. Vollspann, versteht sich. Dabei hatten die Herren Heinevetter, Pevnov, Sellin, Wiede und Bult offensichtlich großen Spaß.

An Lockerheit sollte es den Berlinern an diesem Sonntag nicht fehlen. Vielmehr an Kraft und Konzentration, um Kopenhagen, den dänischen Meister, im Spiel um Platz drei zu schlagen. Diesmal verloren die Füchse deutlich, 21:26 (9:13). „Wir waren platt, das Spiel gegen Kiel hat Spuren hinterlassen“, sagte Evgeni Pevnov schwer atmend nach dem Abpfiff in der Köln-Arena. „Der Wille war da – aber wir haben es vom Kopf her nicht geschafft“, sagte Manager Bob Hanning. Tatsächlich agierten die Berliner bisweilen fahrig, vor allem im Torabschluss. Kapitän Torsten Laen analysierte: „Wir haben nicht gegen Kopenhagen verloren, sondern gegen Kasper Hvidt“, den Keeper der Dänen. „Ich bin schon enttäuscht, dass es nur Platz vier geworden ist“, sagte der zweifache Champions-League-Sieger Laen.

Was zu der Frage führt: In welchen Bereichen müssen sich die Füchse verbessern, wenn sie in der nächsten Saison wieder gegen die ganz großen europäischen Klubs antreten? Dazu benötigen sie in der Bundesliga ja nur noch einen Punkt bei zwei ausstehenden Begegnungen. „Ich finde, dass wir im Halbfinale nicht schlechter als Kiel waren, wir hätten den Sieg auch verdient gehabt“, sagte Silvio Heinevetter. Für jenen 26. Mai 2012 trifft die Analyse des Nationalkeepers zu. Über zwei Turniertage stellten sich jedoch die breiten, erfahrenen Kader der Teams aus Kiel, Madrid und Kopenhagen als unschätzbarer Vorteil heraus. Kiels überragender Regisseur Daniel Narcisse verletzte sich im Endspiel – na und? Kam eben Aron Palmarsson, ein Ersatz, der wohl in jedem anderen Klub Stammspieler wäre. Bei Kiel, das am Sonntag souverän das Endspiel gegen Atletico Madrid gewann (26:21) und das Titel-Triple aus Meisterschaft, Pokal und Europapokal damit perfekt machte, eine ganz normale Sache. In Berlin eben nicht.

Die Füchse sind auf drei Positionen doppelt gut besetzt: Im Tor (Heinevetter/Stochl), auf Rechtsaußen (Richwien/Sellin) und am Kreis (Pevnov/Laen). Vor allem auf den kreativen Positionen, jenen im Rückraum, hängt jedoch auf höchstem internationalem Niveau viel von wenigen ab – in einer Sportart ohne Wechsel-Limit. Fällt Bartlomiej Jaszka mit seinem Tempo und seinem Spielwitz aus, gibt es keinen adäquaten Ersatz. Erwischt Sven-Sören Christophersen einen schlechten Tag, kann Alexander Petersson die Verantwortung nicht allein schultern, zumal er die Füchse am Saisonende verlässt. Und Iker Romero? Der Spanier kommt ohnehin meistens als Verstärkung von der Bank.

„Als Kollektiv haben wir es bis zu einem gewissen Punkt geschafft“, sagt Torsten Laen. „Aber in manchen Situationen brauchst du auch mal überragende Einzelspieler.“ Wie Mikkel Hansen oder Filip Jicha. „Die machen ein Tor, wenn ihr Team ein Tor braucht. Das habe ich bei uns ein bisschen vermisst.“ Mit Konstantin Igropulo vom FC Barcelona hat Manager Hanning zwar einen großen Namen für die neue Saison verpflichtet. Igropulo ersetzt jedoch Petersson. In der Breite wird der Kader wohl nicht wesentlich verbessert, weil das gegen Hannings Urprinzip der kleinen Schritte verstößt.

In diesem Jahr habe der Verein erstmals mehr Geld eingenommen als ausgegeben, sagte Hanning kürzlich. Deshalb verbittet er sich nach dem Final-Four-Turnier, dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte, auch jegliche Debatten. „Natürlich haben andere Teams einen wie Hansen oder Stefansson, aber das müssen wir akzeptieren.“ Schließlich haben die Füchse in diesem Jahr, ihrem ersten in der Champions League, ihre ganz eigene Geschichte geschrieben. „Und deshalb überwiegt bei mir nicht die Trauer, eine historische Chance verpasst zu haben“, sagte Hanning. „Sondern der Stolz, überhaupt die Gelegenheit dazu bekommen zu haben.“

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