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Sport: Nach vorn in die Vergangenheit

Sven Goldmann sorgt sich um die englische Nationalmannschaft

David Beckhams große Zeit ist vorbei. Der 32-Jährige spielt seit ein paar Wochen in Los Angeles, er plagt sich mit langen Flugreisen und einem geschwollenen Fuß. Gegen Deutschland war David Beckham … großartig! Genau das ist das große Problem der englischen Nationalmannschaft: Ihre Zukunft ist die Vergangenheit. Und sie spielt nicht in der englischen Liga.

Die Premier League ist sportlich und wirtschaftlich führend auf der Welt, aber der englische Fußball profitiert davon allenfalls auf Klubebene. Das viele Geld ausländischer Investoren wird vor allem für ausländisches Personal verwendet. Beim FC Arsenal lässt Arsene Wenger oft ohne einen einzigen Engländer spielen. Englands auffälligster Spieler war am Mittwoch Shaun Wright-Phillips. Der Stürmer, gegen Deutschland zum „Man of the Match“ gewählt, sitzt in Chelsea angesichts der Konkurrenz von Didier Drogba und Andrej Schewtschenko auf der Bank.

Die englischen Stammspieler hingegen werden in 38 Ligaspielen sowie diversen nationalen und internationalen Pokalwettbewerben so hart gefordert, dass sie die Länderspiele zur Rehabilitation nutzen müssen. Frank Lampard etwa hat sich in Chelsea zum Weltstar entwickelt, in der Nationalmannschaft ist er ein Mitläufer. Das sind zwei Probleme, die einander nur scheinbar ausschließen. Die einen spielen zu viel, die anderen zu wenig.

Die englische Anhängerschaft ist drauf und dran, die Nationalmannschaft aufzugeben. Was ist aus der alten Heimstärke geworden, aus der Festung Wembley? Im ersten Spiel im neuen Nationalstadion reichte es gegen Brasilien noch zu einem 1:1, schon das zweite gegen Deutschland ging verloren. In Scharen verließen die Fans eine Viertelstunde vor Schluss das Stadion. Undenkbar bei einem Ligaspiel in Anfield, Old Trafford oder White Hart Lane. Der Kommentator der „Daily Mail“ rätselte, wie es sein konnte, dass die deutschen Zuschauer sogar das Wettsingen gegen die überwältigende Mehrheit der Engländer gewannen.

Liga und Nationalmannschaft driften in allen großen Fußballländern auseinander. Diese Kluft zu schließen, bedarf starker Persönlichkeiten. Jürgen Klinsmann hat das unter dem Eindruck der missratenen EM 2004 in Portugal geschafft. Gegen erheblichen Widerstand der Bundesligaklubs, der erst im Lauf der erfolgreichen Weltmeisterschaft in sich zusammenfiel. Mit seinem Einsatz erst hat Klinsmann das neue Miteinander von Liga und Verband geschaffen, das seinem Nachfolger Joachim Löw professionelles Arbeiten ermöglicht.

Englands Nationalmannschaft wird verwaltet von einem Mann, den die Klubs nicht schätzen, sondern dulden, weil er ihnen nicht gefährlich wird. Vor dem Spiel gegen Deutschland wurde Steve McClaren eine Trainingseinheit zugestanden. Dieses Spiel war der letzte Test vor dem überlebenswichtigen Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Israel. McClaren würfelte alles und jeden bunt durcheinander. Auch der Liverpooler Peter Crouch wurde eine halbe Stunde lang getestet, obwohl der gegen Israel gesperrt ist. Als Torhüter der Zukunft präsentierte der Trainer zur zweiten Halbzeit den längst aussortierten David James, 37 Jahre jung, Spitzname Calamity-James.

Kann man sich Joachim Löw vorstellen, wie er Oliver Kahn um ein Comeback bittet?

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