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Sport: Nachhaltig gewonnen

Durch das 4:3 gegen Bremen fühlt sich Hannover 96 in seiner Entwicklung bestätigt

Es gab schon andere Zeiten bei Hannover 96. Etwa jene, in denen Martin Kind, der markante Mäzen und Patron des Klubs, keine Gelegenheit ausließ, vor Kameras und Mikrofone zu treten. Wenn der Verein eine Öffentlichkeit benötigte, Kind konnte dafür in Windeseile sorgen. Gewagte Behauptungen, provokante Thesen – der Hörgeräteunternehmer wusste, wie man sich in der Medienlandschaft Gehör verschafft. Insofern verwunderte, was sich nach einem fast historischen 4:3 (3:2-)Triumph gegen Werder Bremen – dem ersten Bundesliga-Sieg im Nordderby seit 35 Jahren – abspielte.

So oft der polternde ZDF-Reporter Rolf Töpperwien den strahlenden Vereinsboss auch bat und bettelte: Kind wollte partout nicht alleine interviewt werden. Erst Kapitän Robert Enke zerrte den 63-Jährigen gemeinsam vor die Werbewand, und es war ein putziges Bild, das die beiden da abgaben. Immer wieder blickten sich beide versonnen im Angesicht des plärrenden Töpperwien an, so als wollten sie sagen: Ist unfassbar, was hier in Hannover gerade passiert.

„Das ist Ergebnis unser strukturierten Arbeit“, konstatierte Kind, ohne im Überschwang überfrachtete Erwartungen zu produzieren. Im Gegenteil: So ein Sieg sei, versicherte der geläuterte Vereinschef, kein Anlass, irgendwelche Ziele zu korrigieren, statt dessen redete Kind von „nachhaltigen mittelfristigen Plänen“, die irgendwann mal Uefa-Cup lauten, wenn der Etat von derzeit 45 auf die gewünschten 70 Millionen Euro erhöht ist. Vorerst gehe es, so Kind, „um Vernunft, Ruhe, Professionalismus und Realismus.“

Hört, hört – sprach da der vorlaute Vordenker? Kind hat die sportlichen Geschicke (fast) ganz an Trainer Dieter Hecking und Sportdirektor Christian Hochstätter übergeben. Er tritt nur noch dann auf, wenn es wie kürzlich den Transfer von Valérien Ismael als Meilenstein der Weiterentwicklung zu verkaufen gilt.

Aber auch ohne potenzielle Führungsfiguren wie den 32-jährigen Franzosen ist das aktuelle Ensemble schon so gefestigt, dass Hecking „den Hut zieht“. Vor einem Jahr, rechnete er vor, hätte man nach dem 3:3-Ausgleich – dem zweiten Tor von Werder-Angreifer Markus Rosenberg – gegen einen Gegner wie Bremen bestimmt verloren. „Mittlerweile haben wir die Qualität, stehenzubleiben und zurückzuschlagen, sagte Hecking. Und wenn seine Mannschaft nicht am nächsten Freitag in Cottbus patzt, dann überwintert die „Regionalmarke 96“ (die Lieblingsvokabel von Kind) tatsächlich auf einem Uefa-Cup-Rang.

Es hätte also keine bessere Gelegenheit gegeben, als für die Profis die Weihnachtsfeier nach diesem Highlight abzuhalten. „Wenn es in der Bundesliga immer solche Begegnungen gäbe, wäre es eine Superliga“, sagte Hecking, sein Torwart Robert Enke sprach von einem „sensationellen Spiel“. In den Vip-Logen sind am Samstag noch viele Elogen auf das sichtlich gefestigte 96-Team gehalten worden. „Für die Stadt und die Region ist das ein Riesenerfolg“, sagte Mittelfeldspieler Christian Schulz. Die Anhängerschaft mochte nach dem Spiel einen anderen Mann natürlich noch mehr: Mike Hanke, der bis zum 16. Spieltag nicht in die Herzen der Fans vorgedrungen war. Das hat nichts damit zu tun, dass der Bergarbeitersohn tief im Westen verwurzelt ist oder zuletzt im ungeliebten Wolfsburg gespielt hat, sondern nur damit, dass man nicht genau wusste, ob die fast fünf Millionen Euro Ablöse für Hanke wirklich gut angelegt waren. Sogar Dieter Hecking hatte ihn zuletzt kritisiert.

Das Spiel war eine Genugtuung für den Mittelstürmer. „Wenn der Gegner mitspielt, ist es für mich einfacher. Ich habe bewiesen, dass ich das Toreschießen nicht verlernt habe“, sagte Hanke. Es war sein Spiel: drei Treffer geschossen, das Eigentor von Frank Baumann mit einer Flanke eingeleitet – mehr geht kaum. Der Nationalstürmer sagte: „Ich war vollkommen davon überzeugt, dass wir diese Partie gewinnen. Wir haben eine breite Brust.“ Und er hat jetzt acht Tore in dieser Saison auf dem Konto. Was Hanke, 24 Jahre alt, zum Anlass nahm, sich an seine Jugendzeiten bei TuS Wiescherhöfen zurückzuerinnern. „In der D-Jugend dort habe ich sogar mal zehn in einem Spiel gemacht.“

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