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Oft obenauf. Ringerin Yvonne Englich, hier bei einem Kampf 2011.

© Sebastian Konopka/dpa

Nachruf auf eine Ringerin: Der Kampf der Yvonne Englich

Als Ringerin war sie erfolgreich, doch der größte Triumph blieb ihr verwehrt. Nun ist sie mit nur 38 Jahren gestorben.

Von Katrin Schulze

Über ihre Familie ging nichts. Yvonne Englich hat immer alles dafür gegeben, dass es ihrem Mann Mirko und den beiden Kleinen gut geht - sogar ihre eigene Karriere. Dabei war es eigentlich sie, die das größere Talent besaß. Die auf der Matte eine Gegnerin nach der anderen niederrang. Mit neun Jahren fing sie beim SC Korb in Baden-Württemberg an, die richtigen Handgriffe zu lernen. Es war schnell klar, dass sie es besser konnte als die meisten anderen. Bei den ersten deutschen Meisterschaften für Ringerinnen überhaupt kam sie mit gerade einmal 15 Jahren auf einen der vorderen Plätze, drei Jahre später holte sie bei der Junioren-Europameisterschaft die Silbermedaille.

Wo sonst als beim Ringen sollte sie ihren späteren Mann Mirko kennenlernen. Für Yvonne Englich, der Frau mit dem rotblonden Haar und den tausend Sommersprossen im Gesicht, gab es damals nicht viel anderes als den Leistungssport. Zu einhundert Prozent hat sie fürs Ringen gelebt, so wie später für die Familie. 2004 hatte sie als ihr Jahr auserkoren. Olympia in Athen. Doch sie wurde ungewollt schwanger. Das hat sie umgehauen wie es keine Gegnerin zuvor geschafft hat. So hat es Yvonne Englich einmal selbst ausgedrückt. Aber sie war jung. Was soll's, nächste Chance in vier Jahren. Diesmal aber hinderte sie eine Knieverletzung. Außerdem war das zweite Kind unterwegs. Und so gelang nicht Yvonne, sondern Mirko Englich bei den Olympischen Spielen 2008 der große Wurf.

Als habe man ihr das Kind weggenommen

Als er in Peking die Silbermedaille im griechisch-römischen Stil gewann, feuerte sie ihn lauthals von der Tribüne aus an. Ein bisschen war es, als würde sie selbst auf der Matte stehen. Genau das war der Punkt. Sie hatte das Gefühl, es sich schuldig zu sein, ihre Karriere fortzusetzen - trotz Mehrfachbelastung, trotz Geldmangels, trotz Verletzungen. "Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Beziehung es überleben würde, wenn ich es nicht noch einmal für Olympia probiere", hat Yvonne Englich 2008 gesagt. Ja, sie lebte für ihre Familie, aber dieses eine Mal wollte sie nur für sich kämpfen, sich nicht mehr hinten anstellen.

Die Ehe wäre auch so beinahe kaputtgegangen, denn Yvonne und Mirko Englich lebten eine Hochleistungsbeziehung. Training, Arbeit, Kinder, Turniere am anderen Ende der Welt. "Es gibt keinen Tag, an dem wir in der Familie nicht über Ringen reden", hat ihr Mann einmal gesagt. Aber sie schafften es. Und Yvonne Englich schaffte es. Sie wurde wieder Deutsche Meisterin und holte bei der Heim-EM 2011 Bronze. Es war eigentlich keine Frage, dass sie ein Jahr später in London dabei sein würde. Dass sie sich ihren Traum von Olympia endlich erfüllt. Doch als es darauf ankam, packte sie es wieder nicht. Die Tatsache, dass sie für das allerletzte Qualifikations-Turnier nicht einmal mehr nominiert worden ist, hat sie nie verwunden. In aller Öffentlichkeit griff sie ihren Trainer an, so wie Yvonne Englich immer den Mund aufmachte, wenn ihr etwas nicht passte.

"Es fühlt sich an, als habe man mir mein Kind weggenommen", sagte sie über ihre verpasste Olympia-Chance. Ein einziger Satz konnte sie damals trösten. Er kam von ihrem Sohn Noah, der - natürlich - ebenfalls ein kleiner großer Ringer war. "Wenn ich groß bin, werde ich Olympiasieger, dann hole ich dich zu mir rauf aufs Podest", sprach er zu ihr. Diesen Sieg wird Yvonne Englich nicht mehr erleben. Ihr ist nicht nur der ganze große Kampf verwehrt geblieben, sie hat jetzt auch ihren letzten verloren. Mit gerade einmal 38 Jahren erlag sie einer Krebserkrankung.

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