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Der "Schwarze Panther" ist tot: Eusébios Statue vor dem Stadion von Benfica Lissabon - umringt von Fans und behangen mit Fan-Andenken.

© dpa

Nachruf auf Eusébio: Der Volksheld aus der Kolonie

Volksheld, Nationalheiligtum, Jahrhundertsportler: Portugals Fußballlegende Eusébio ist im Alter von 71 Jahren gestorben. Er verband Genialität mit sympathischer Bescheidenheit.

Das Endspiel um den Europapokal der Landesmeister am 2. Mai 1962 im Amsterdamer Olympiastadion zählt zu den denkwürdigsten und schönsten in der Geschichte dieses Wettbewerbs. Wegen eines 20-jährigen Jünglings, der von Kindesbeinen an auf den Straßen der Elendsviertel von Lourenço Marques, dem heutigen Maputo, der Hauptstadt des heutigen Mosambiks, Fußball gespielt hatte. Mit Bällen aus Stofffetzen. Eusébio da Silva Ferreira wurde zum Helden dieses Finales.

Er schoss die beiden Siegtore zum 4:3 und 5:3 für Benfica Lissabon gegen die beste Mannschaft der Welt, Real Madrid, den fünfmaligen Europapokalsieger mit dem großen Alfredo di Stéfano. Benfica war zwar Cup-Verteidiger (1961 gegen den FC Barcelona 3:2), aber da war Eusébio noch über die ackerartigen Fußballplätze Portugiesisch-Ostafrikas gestürmt.

Eusébio war Portugals größter Fußballspieler

Wie von Sinnen rannte Eusebio nach dem Schlusspfiff in Amsterdam über den Rasen und musste regelrecht eingefangen werden. Längst hatten die aufs Spielfeld gestürmten Benfica-Anhänger ihm das rote Trikot vom Leib gerissen. Sein muskulöser Oberkörper glänzte von Öl und Schweiß. Es war die Nacht, als lange vor Luis Figo und Cristiano Ronaldo Portugals größter Fußballspieler geboren wurde, der in den sechziger Jahren auf einer Stufe mit Pelé stand und bei der Weltmeisterschaft 1966 in England den genialen Brasilianer sogar überragen sollte. Eusébio trug vom ersten Spiel an die Nummer 10 auf dem Rücken, wie Pelé. Sie nannten ihn den „Schwarzen Panther“ wegen seiner kraftvollen, schnellen Athletik.

Um Eusébio zankten sich Benfica und Sporting

Erst ein Jahr vor dem spektakulären Auftritt in Amsterdam waren die großen Lissaboner Klubs Benfica und Sporting auf diesen Rohdiamanten in der portugiesischen Kolonie aufmerksam geworden, der seit seinem 15. Lebensjahr für S.C. Louranço Marques Tore wie am Fließband erzielte. Benfica und Sporting zankten sich um den Teenager. Die Mutter entschied und gab ihrem Sohn den Segen für Benfica, den Traditionsklub, dem Eusébio 15 Jahre lang die Treue hielt. Elf portugiesische Titel gewann er dort, schoss 317 Tore in 301 Spielen, zweimal wurde er mit dem Goldenen Schuh (1968 und 1973) als Europas bester Torschütze ausgezeichnet. Eine Traumkarriere für einen Jungen, der in ärmsten Verhältnissen mit acht Geschwistern aufgewachsen war und mit fünf Jahren seinen Vater verloren hatte.

Das Duell der Giganten: Pelé gegen Eusébio

Noch nie hatte sich Portugal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Bis Eusébio Nationalspieler wurde. „Diesmal wird die Fußball-Welt staunen“, prophezeite der 23-Jährige nach der Gruppenauslosung für die WM-Endrunde 1966 in England. Sicher wurde Portugal Gruppensieger. Im Achtelfinale kam es zum direkten Duell Pelé gegen Eusébio. Portugal besiegte den Titelverteidiger Brasilien in Liverpool 3:1 – „Matchwinner“: Eusébio. Selbstverständlich war das freilich nicht, denn Pelé wurde zweimal derart hart gefoult, dass er in der zweiten Halbzeit nur noch auf der linken Seite herumhumpelte. Vor Pelés Verletzung hatten Torres und Eusébio bereits zwei Tore vorgelegt. Nach dem Anschlusstreffer sorgte Eusébio in der 87. Minute für die Entscheidung.

Nur einer war besser: "Di Stéfano", sagte Eusébio selbst.

Wie zuvor Italien schien auch Portugal gegen die Nordkoreaner sein Debakel im Viertelfinale zu erleben. 0:3 lag der Favorit bereits zurück, ehe Eusébio mit vier Treffern am Stück das Spiel noch zu einem 5:3-Sieg drehte. Im Halbfinale im Wembley-Stadion endete die Eusébio-Euphorie. Zwei Toren Bobby Charltons konnte Eusébio nur eines entgegensetzen. Immerhin wurde Portugal Dritter durch ein 2:1 gegen die Sowjetunion. Eusébio schoss dabei sein neuntes Turniertor und wurde zum WM-Torschützenkönig gekrönt.

Der schwarze Junge aus der Kolonie war der Volksheld des Mutterlandes; eine sympathische Mischung aus Genialität, Schüchternheit und Bescheidenheit. Nie drängte er sich in den Vordergrund. So musste er überredet werden, 1972 mit dreißig Jahren endlich die Kapitänsbinde der Nationalmannschaft zu übernehmen. Er spielte 64-mal für Portugal und erzielte 41 Tore. Der damalige Staatspräsident und Diktator Salazar erklärte Eusébio zu einem „Nationalen Heiligtum“. Zudem wurde Eusébio zum portugiesischen Sportler des 20. Jahrhunderts gewählt. Das Idol ist mit einer Bronzestatue vor dem Eingang des Estadio da Luz, der Heimstätte von Benfica, verewigt.

Eine Knieverletzung brachte das Ende der Karriere

Letztmals spielte Eusébio am 19. Februar 1975 für Benfica. Eine Knieverletzung beeinträchtigte seine Klasse und seine Karriere, die er bei verschiedenen nordamerikanischen und mexikanischen Klubs und, nach der Rückkehr nach Portugal, zu Beira Mar und Uniao Tomar, 1978 im Alter von 36 Jahren beendete. „Die Mentalität der Spieler hat sich im Verlauf der letzten vierzig Jahre grundlegend gewandelt, in jeder Hinsicht“, sagte er im September 2005. „Heute verdienen die Spieler viel mehr Geld. Sie sind Künstler, die auf dem Platz für Spektakel sorgen. Fußball ist heute ein millionenschweres Geschäft, das nichts mehr mit meiner Generation zu tun hat. Ich könnte heute nicht mehr aktiv sein. Eusébio gehört einer anderen Zeit an.“

Portugal trauert um den 64-maligen Nationalspieler

Als Vater von zwei Kindern lebte Eusébio nicht im Reichtum. „Die Leute in Portugal denken, ich sei reich. Ich lache mich tot“, sagte Eusébio einmal. Wer für ihn der Beste war, wurde Eusébio anno 2005 gefragt. „Di Stéfano, da gibt es keinen Zweifel. Cruyff, Beckenbauer, Pelé, Maradona, Charlton, Eusébio..., wir alle waren auf einer Stufe. Doch di Stéfano spielte in einer anderen Liga. Er war der kompletteste Spieler, den es im Fußball je gegeben hat.“

Eusébio war trotz Figo und Ronaldo der kompletteste Stürmer, den Portugal je hatte. In der Nacht zum Sonntag ist er, drei Wochen vor seinem 72. Geburtstag, an einem Herzinfarkt gestorben. Portugal rief eine dreitägige Staatstrauer aus.

Hartmut Scherzer

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