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NACHSPIEL Zeit: Indische Liebhaber und die falsche Augenfarbe

Esther Kogelboom erfährt, dass ihre Ansichten arrogant und eurozentristisch sind

Es gibt keine richtige angenehme deutsche Bezeichnung für ein Paar, das aus Partnern unterschiedlicher Hautfarbe besteht. „Mixed couple“ nennen Südafrikaner diese noch immer exotische Form der Zwischenmenschlichkeit. Für mich klingt das wie ein Sushi-Gericht, das man besser nicht ausprobiert.

Neulich führte ich in meiner neuen Stammkneipe ein Gespräch mit einer südafrikanischen Kollegin. Sie habe seit längerer Zeit eine Affäre, vertraute Karen mir nach ein paar Flaschen Windhoek Lager an. Ihr Problem: Sie kann sich nicht vorstellen, ihren Eltern, konservativen Buren, diesen Mann vorzustellen, weil er indischer Abstammung ist.

Ich muss entsetzt ausgesehen haben, denn Karen begann sogleich mit einer Verteidigungsschlacht. Ich müsse doch bitte Verständnis für ihre Eltern entwickeln. Die beiden seien eigentlich tolerant, fürchteten halt nur Enkel mir braunen Augen und einer etwas anderen Pigmentierung. Sie hätten Angst davor, dass ihre burische Familiengeschichte durch ein paar Gene beendet werde. Außerdem – wie würden eines Tages die Enkel dastehen, gehörten sie doch weder zur einen noch zur anderen Kultur. Ich sagte: „Oh, braune Augen, das wäre natürlich katastrophal, dann kannst du deinem Leben am besten gleich ein Ende setzen.“ Karen sagte: „Das verstehst du als Europäerin nicht.“ Ich fragte mich, ob der Inder wohl Karen in das Haus seiner Eltern einladen würde.

Der Rassismus-Vorwurf ist der schlimmste Vorwurf, den man Südafrikanern machen kann. Ich weiß es, ich hab es getan, und es endete mit einem Zerwürfnis.

Mir war aufgefallen, dass ein Bekannter mit Straßenverkäufern redete wie mit Kleinkindern. Straßenverkäufer sind hier nicht zu umgehen, man muss nur vor einer Ampel halten, sofort kommen sie. Ist gerade weder ein Handy-Aufladegerät, eine Argentinien- Flagge noch einen Satz Küchenhandtücher von Nöten, schüttelt man einfach den Kopf und formt mit seinen Lippen ein „No“. Der Bekannte jedoch kurbelte vor jeder Ampel die Scheibe herunter und täuschte Interesse vor – nur, um die Straßenhändler zu ärgern.

Nach ein paar Ampeln bat ich ihn, damit aufzuhören. Mir taten die Verkäufer leid. Sicher konnten sie sich Schöneres vorstellen, als den lieben langen Tag Abgase einzuatmen. Der Bekannte gab übertrieben Gas und sagte: „Du denkst also, ich bin Rassist?“ Ich sagte: „Äh, ja, kommt ganz darauf an, wie man Rassismus definiert.“ Mir hätte sein Verhalten ebenso gestunken, wenn die fliegenden Händler weiß gewesen wären – obwohl ich annehme, dass der Bekannte sie dann nicht so schlecht behandelt hätte. Der Rest der Fahrt verlief so gut wie schweigend. Nur einmal sagte er, mein Weltbild sei zum Kotzen arrogant und eurozentristisch. Ich hätte ja keine Ahnung, wie es ist, wenn man jeden Tag seines Lebens mit Straßenhändlern zu tun hätte. Da wurde ich wütend, weil mir die richtigen Worte auf Englisch fehlten. Gut, ehrlich gesagt, hätten sie mir auch auf Deutsch gefehlt.

Karen habe ich später die etwas globale Frage gestellt, ob sie sich als Afrikanerin fühlt. Sie lachte und meinte, natürlich, sie sei ebenso afrikanisch wie ein Zulu-Prinz. Sie sei schließlich, wie ihre Eltern, hier geboren. „Das prägt meine Identität und macht mich stolz“, sagte sie und kramte ihr Handy aus der Handtasche. Eine SMS ihrer indischen Affäre war eingegangen, ob man sich vielleicht noch sehen könne, mit vielen heißen Küssen und so weiter. Karen strahlte: „Ich verspreche ihm nichts, es ist nur eine Affäre.“ Sie legte 100 Rand auf die Bar und war weg.

An all das erinnerte ich mich, als Philipp Lahm im Stadion von Kapstadt vor Anpfiff seine kleine Rede gegen Rassismus hielt. Ich schätze, man kann es nicht oft genug sagen.

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