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NACHSPIEL Zeit: Kein Schnee mehr auf dem Kilimandscharo Harald Martenstein zweifelt angesichts der afrikanischen Kälte an der Klimaerwärmung

Ich schreibe dies kurz vor dem Spiel gegen Ghana, für das ich mithilfe meiner Gastgeber eine Karte auf dem schwarzen Markt bekommen habe, 90 Euro. Ich wohne in einer Villa mit Garten.

Ich schreibe dies kurz vor dem Spiel gegen Ghana, für das ich mithilfe meiner Gastgeber eine Karte auf dem schwarzen Markt bekommen habe, 90 Euro. Ich wohne in einer Villa mit Garten. Wie die meisten Südafrikaner heizen auch meine Gastgeber während des Winters nicht, oder kaum. Der Winter ist nur kurz, da beißt so ein Afrikaner halt ein paar Wochen lang die Zähne zusammen. Diesmal fällt der Winter offenbar ein bisschen härter aus, vor ein paar Tagen waren es minus elf Grad. Und in Südafrika sind die Häuser so leicht und luftig erbaut wie in Deutschland die Himmelbetten, im Sommer ist das sehr angenehm.

Afrika hat diese feuchte Kälte, die durch jeden Pullover dringt, nicht die trockene Berliner Kälte. Die Kälte kommt bei Sonnenuntergang, ab 18 Uhr ist es finster, und sie bleibt bis etwa mittags, hell wird es schon gegen sieben. Auch in Afrika sagen viele Leute, dass es, seit von der globalen Klimaerwärmung die Rede ist, ununterbrochen kälter wird. Man liest in der Zeitung: Kein Schnee mehr auf dem Kilimandscharo. Sie zeigen auch Fotos. Nur draußen im Garten, da liegt jede Menge Schnee. Auf dem Weg von Durban nach Johannesburg hätte ich Winterreifen brauchen können. Das Gartentor ist eingefroren! Ich glaube, dass es mit der Erderwärmung und dem Eis ähnlich ist wie mit dem Eisen im Spinat. Immer hieß es: Spinat enthält viel Eisen. Dann stellte sich heraus, dass ein Wissenschaftler sich bei der Eisenberechnung um einige Kommastellen vertan hatte, Spinat ist praktisch eisenfrei. Bei der Erderwärmung hat ein anderer Wissenschaftler Plus und Minus verwechselt. Wissenschaftler sind auch nur Menschen.

Ich habe noch nie so sehr gefroren wie in Afrika. Aber ich traue mich nicht, zu jammern. Afrikaner sind gegen Kälte etwa so resistent wie Otto Rehhagel gegen Kritik. Ich dusche etwa sechs bis acht Mal am Tag, heiß, das ist die einzige Weise, auf die ich in Afrika überleben kann. Ich stelle mich zehn Minuten unter fast kochend heißes Wasser, das hält ungefähr eine Stunde lang vor. Bevor ich angefangen habe, diesen Text zu schreiben, habe ich heiß geduscht. Ich werde versuchen, fertig zu werden, bevor meine Finger klamm sind. Danach dusche ich wieder.

Mit meinem Gastgeber war ich auf einem Biomarkt. Es war früher Morgen, ich hatte extra lange geduscht. Der Biomarkt ähnelte den deutschen Biomärkten, Stände mit Gemüse, Milchprodukten, Biofleisch, mit Gartenpflanzen, leckere Kleinigkeiten zum Essen, Bauern aus der Umgebung, in der Mitte ein Teich mit Enten.

Moment. Ich merke gerade, dass ich noch einmal heiß duschen muss.

Das, was einen südafrikanischen Biomarkt von einem deutschen Biomarkt am deutlichsten unterscheidet, sind die Waffenstände. Ein Mann verkaufte auf dem Biomarkt Elektroschocker, Bolzenschussgeräte und Armbrüste (sagt man das so? Klingt irgendwie seltsam). Mit der Armbrust kann man einen stählernen Bolzen in jedes beliebige Körperteil seines Gegenüber hineinjagen. Wenn die Gangster kommen, nagelt man sie mit Hilfe der Armbrust an die Garagentür und ruft dann in aller Ruhe die Polizei. Ein anderer Mann verkaufte Vorderlader. Der Stand war von einer Menschentraube umlagert. Für Gewehre, die von vorne geladen werden, braucht man keinen Waffenschein. Dieses südafrikanische Gesetz hat der Vorderladerindustrie einen ungeheuren Auftrieb gegeben. Sie produzieren Vorderlader in allen erdenklichen Größen und Formen. Sicher wird es bald Maschinengewehre und Raketenwerfer geben, die von vorne geladen werden. Sie müssen nur kälteunempfindlich sein und biologisch abbaubar.

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