zum Hauptinhalt

Sport: Nahkampf auf der Bahn

Die Sechstagefahrer ringen um ihren Status

Berlin - Drei kleine Kinder, 44 Sechstagesiege, ruhig und besonnen: So ließ sich der Schweizer Bruno Risi bis Silvester charakterisieren. Seit Neujahr muss die Beschreibung des Sixdays-Stars erweitert werden: Da ging der 38-Jährige beim Züricher Rennen mit den Fäusten auf seinen erfahrenen belgischen Kontrahenten Danny Stam los und bespritzte ihn anschließend mit einer Wasserflasche. Risis Vorwurf: Stam habe seine Vorstöße zum Rundengewinn nicht unterstützt, wie es üblich sei. „Ich kann mir meinen Ausraster nicht erklären und hätte nie geglaubt, zu so etwas fähig zu sein“, sagte Risi der Schweizer Zeitung „Blick“. Er habe befürchtet, durch Stams Verhalten beim neu aufgelegten Rennen in seiner Heimat um den Sieg gebracht zu werden. Mit 50 Franken (30 Euro) Geldstrafe kam der Publikumsliebling davon.

In Stuttgart errang er vorgestern mit Franco Marvulli und Alexander Aeschbach „den vielleicht schwersten Sieg meiner Karriere“. Dazu waren keine Fäuste nötig, aber „er hat mich nach dem Rennen verbal attackiert“, erzählt der Zweitplatzierte Robert Bartko. Ab heute tritt er beim Berliner Sechstagerennen im Velodrom an der Landsberger Allee (Beginn 20 Uhr) mit Andreas Beikirch erneut gegen Risi und Marvulli an. Verbissener als sonst kämpfen die Asse in dieser Saison um Erfolge und den Aufstieg in der Hierarchie. Risis langjähriger Partner Kurt Beikirch, mit dem er 37 Sechstagesiege feierte, hat seine Karriere beendet, die Spitzenfahrer Robert Slippens und Matthew Gilmore sind verletzt. Die Hackordnung ist in Bewegung geraten. Risi wird scheinbar nicht mehr als uneingeschränkter Chef anerkannt – obwohl er mit Erik Zabel oder Marvulli in diesem Winter sechs Rennen gewonnen hat. Die kleinen und großen Angriffe „sind massiv dieses Jahr“, sagt Bartko. „Das hat mit dem Generationenwechsel zu tun.“ Den macht auch Berlins Sechstagechef Heinz Seesing aus. „Da kommt eine junge, dynamische Gruppe. Die Jungen fordern mehr Geld und artikulieren ihren Sieganspruch.“ Bisher habe gegolten, dass auf der Bahn Ordnung herrschen muss, „solche Positionen kommen ins Wanken“.

Das war auch in Stuttgart zu sehen. Dort hatten Christian Lademann, Christian Grasmann und Christian Bach – nach sechs Nächten mit zwölf Runden Rückstand Fünfte – sich bei Risis Vorstößen an dessen Hinterrad gehängt. Ohne Führungsarbeit zu leisten, wollten sie eine Runde gutmachen. So jedenfalls sah es Risi und konterte. Später ließ er das Trio bei Ausreißversuchen eine halbe Bahn Vorsprung erreichen, ehe er das Feld heranführte. 66 von 200 Runden fuhren die Deutschen zwischen Spitze und Ende. „Es gibt ungeschriebene Gesetze, und dazu gehört, dass man nicht auf Kosten anderer eine Runde herausfährt. Wenn die jungen Fahrer das noch nicht wissen, muss man ihnen zeigen, dass es so nicht geht“, sagte Risi dem Internetportal „Radsportnews.net“. Grasmann sah das anders: „Es geht wie immer darum, dass die Großen die Kleinen kleinhalten wollen.“

Ein Krisengespräch folgte, in der nächsten Nacht funktionierte die Zusammenarbeit. Doch als die 30-Minuten-Jagd gerade vorbei war, raste Lademanns Team plötzlich zu einem Rundengewinn davon. Die Aktion war ungewöhnlich, aber regelkonform, weil die grüne Lampe an der Bahn noch brannte. Risi gab das Signal zur Aufholjagd, die aber misslang. „Sie haben meine Anerkennung. Dass sie so etwas wagen, hätte ich nicht erwartet“, sagte er.

Helen Ruwald

Zur Startseite