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Bitte nach Ihnen! Die Bremer Per Mertesacker (links) und Wesley flankieren Inters Samuel Eto’o, der gegen Werder jede Menge Spaß hatte. Foto: dpa

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Sport: Naive Lehrlinge

Beim Debakel in Mailand wird Werder Bremen nicht zum ersten Mal die selbstgefällige Einstellung seiner Profis zum Verhängnis

In Mailand eine Sonnenbrille zu kaufen, ist ein Kinderspiel. An jeder Ecke bieten fliegende Händler ihre Billigware an, so wurde kaum ein Fan von Werder bei strahlendem Sonnenschein vor dem Champions-League-Spiel bei Inter in der norditalienischen Metropole nicht als potenzieller Käufer angesprochen. Die meisten Anhänger haben den Kauf mit Verweis auf das derzeit triste Wetter zu Hause dankend abgelehnt. Hinter dunklen Gläsern wäre die 0:4 (0:3)-Demütigung von Werder bei Inter Mailand im Giuseppe-Meazza-Stadion aber möglicherweise einfacher zu ertragen gewesen.

Man erinnert sich nur diffus, wann sich die Bremer in der Champions League so töricht angestellt haben wie am Mittwochabend: gewiss beim 0:3 und 2:7 im Achtelfinale gegen Lyon im März 2005, auch beim 0:3 gegen Panathinaikos Athen im November 2008. Oder, ganz weit zurück, beim 0:5 gegen den FC Porto im März 1994 noch unter der Regie von Trainer Otto Rehhagel.

Eine Pleite und Peinlichkeit mehr ist nun auch dieser Auftritt in San Siro. „Samuel Eto’o und Wesley Sneijder haben das sensationell gemacht, aber wir haben es zugelassen“, sagte Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs entsetzt. Der 53-Jährige betonte, „wie konzertiert, verbissen, professionell ein Cambiasso, Maicon, Lucio oder Eto’o, die alle schon einiges gewonnen haben“, zu Werke gegangen seien. „Da können einige von uns dankbar sein, das aus nächster Nähe betrachtet zu haben. Das ist der Maßstab.“

Eine schallende Ohrfeige für die Möchtegern-Weltstars von der Weser – Marko Marin, Marko Arnautovic oder Aaron Hunt. Aber auch Philipp Bargfrede erhielt in der Lombardei effizienten Anschauungsunterricht auf höchstem Niveau. Werder war zwar ersatzgeschwächt, aber das spielte keine Rolle. Das Team war dermaßen unterlegen, dass Trainer Thomas Schaaf nur noch ratlos war. „Wir haben Geschenke verteilt, als ob Inter Geburtstag gehabt hätte.“ Und der 49-Jährige formulierte klare Anklagen: „Bei uns standen auch zehn Nationalspieler auf dem Platz. Die Spieler, die sich beweisen konnten, hätten mehr anbieten müssen.“

Als der Cheftrainer auf der Statistik registrierte, dass seine Spieler vier Kilometer mehr gelaufen sind als der Sieger (Werder: 107,881 – Inter: 103,859 Kilometer), flüchtete er sich in Ironie: „Das war völlig ineffektiv.“ Schaaf forderte erneut von seinen Profis, „nun aber ein anderes Gesicht zu zeigen.“

Ob die Kehrtwende am Sonntag bei Bayer Leverkusen gelingt, erscheint fraglich. Die Mannschaft wird auch durch noch so viele Krisensitzungen oder Strafandrohungen keine Einheit, so unterentwickelt ist die Hingabe, sich in einer Herausforderung zu verbeißen. Auch Ersatzkapitän Per Mertesacker sagte an seinem 26. Geburtstag, man habe es nicht geschafft, „mit mannschaftlicher Geschlossenheit, guter Zweikampfführung und hoher Laufbereitschaft die fehlende individuelle Klasse wettzumachen.“ Hinzu kommt das traditionelle Kardinalproblem: mangelhafte bis ungenügende Defensive. „Unser Abwehrverhalten war“, so Allofs, „vornehm ausgedrückt, naiv.“

Torhüter Tim Wiese hat 24 Gegentore in elf Pflichtspielen hinnehmen müssen – halten die Hanseaten diesen Schnitt, knacken sie die 100er-Marke im Frühjahr 2011. Insofern war es verständlich, dass Wiese seinem Unmut Luft machte: „Inter war sechs Klassen besser. Ohne Stützen wie Naldo, Frings oder Pizarro gehen wir baden.“ Fazit: „So sind wir nicht reif für die Champions League.“

Genau dort will sich Werder jedoch der Vorgabe von Schaaf und Allofs zufolge etablieren. Die Spiele gegen Twente Enschede (20. Oktober und 2. November) werden nun zur Bewährungsprobe. Sogar das Minimalziel ist inzwischen in Gefahr: Gruppenplatz drei und Überwintern im internationalen Wettbewerb.

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