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Nationalelf

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Nationalelf: Konzeptioneller Trikottausch

Bundestrainer Löw drängt auf Reformen, um nach der Nationalelf auch die Klubs zum Erfolg zu führen. Denn gerade in diesen Tagen wird wieder heftig darüber gestritten, wie gut der deutsche Fußball wirklich ist.

Es ist doch erstaunlich, welch magische Kräfte ein profanes Kleidungsstück besitzt: Macht aus minderbegabten Freizeitkickern filigrane Techniker. Im Film ist das überhaupt kein Problem. Der Nationalmannschaftsausrüster Adidas hat gestern die Werbekampagne für das neue EM-Trikot der deutschen Fußballer vorgestellt, und in dem dazugehörigen Spot verwandelt sich ein schmerbäuchiger Hobbyfußballer in Lukas Podolski, sobald er das Nationaltrikot überzieht. Die perfekte Illusion als Stilmittel der Werbung. Im aktuellen Fall aber hangelt sich die Geschichte erstaunlich nah an der Realität entlang. Seit einiger Zeit schon hinterlassen die deutschen Fußballer im Nationaltrikot einen deutlich besseren Eindruck als in den Trikots ihrer Vereine.

Gerade in diesen Tagen wird wieder heftig darüber gestritten, wie gut der deutsche Fußball wirklich ist: so gut wie die Nationalmannschaft, die sich alles in allem sehr souverän für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz qualifiziert hat? Oder doch eher mäßig wie der VfB Werder 04, der die nationale Sache in der Champions League nur unzureichend vertritt. „Dieses Jahr haben wir nicht wirklich viel holen können“, sagt Nationalspieler Tim Borowski von Werder Bremen. „Insofern ist die Kritik gerechtfertigt.“

Das neue Trikot der Nationalmannschaft unterscheidet sich von seinem Vorgänger vor allem durch einen fetten schwarzen Querstreifen auf der Front. Vielleicht soll er die breite Brust der Spieler noch hervorheben. Wenn Bundestrainer Joachim Löw seine Kritik an der Bundesliga und ihren internationalen Auftritten äußert („nicht erfreulich“), tut er das aus einer Position der Stärke heraus. Unter Löw hat sich das Nationalteam ein derartiges Renommee erspielt, dass selbst die jüngste 0:3-Niederlage gegen Tschechien bis zum Beweis des Gegenteils als Ausrutscher gilt. „Da haben wir Fehler gemacht, die wir so schon lange nicht mehr gesehen haben“, sagte Löw. Fehler, die eher mit mangelnder Konzentration zu erklären sind als mit generellen Defiziten.

In den Vereinsmannschaften scheint es inzwischen genau andersherum zu sein: Die Defizite sind der Normalfall, internationale Erfolge nur noch die Ausnahme. Der letzte Titel im Europapokal liegt sechs Jahre zurück (Bayern München), in einem Finale stand seit 2002 (Dortmund und Leverkusen) keine deutsche Mannschaft mehr. Im selben Jahr erreichte auch die Nationalmannschaft das WM-Endspiel – doch dieser Erfolg gilt inzwischen als eher zufällig, als einziger Lichtblick in insgesamt dunkler Zeit.

Seit dem Vorrundenaus bei der Europameisterschaft 2004 hat sich die Entwicklung der Nationalmannschaft von der des deutschen Fußballs weitgehend abgekoppelt. Als Jürgen Klinsmann nach der EM Bundestrainer wurde, verfolgte er das ehrgeizige Ziel, so etwas wie einen nationalen Fußballstil zu entwickeln. Im Idealfall sollte dieser neue Stil auch die Basis durchdringen, doch das gute Vorbild allein reicht offensichtlich nicht. „Wir müssen uns überlegen, wie wir generell den Fußball in Deutschland noch weiter optimieren können“, sagt Bundestrainer Löw.

Die Stärke der Nationalmannschaft ist eine kollektive, keine individuelle. Philipp Lahm hat schon vor einem Jahr gesagt: „Das ist keine Zauberei. Dahinter steckt ein Konzept.“ Genau das vermisst Löw in der Bundesliga. Hinzu kommen seiner Ansicht nach Defizite selbst in elementaren Dingen: bei Technik und Taktik, im Zweikampfverhalten. Es ist die Arbeit am Detail, die den Unterschied macht. „Wir achten peinlich darauf, Fehler zu korrigieren“, sagt der Bundestrainer. „Ständige Wiederholungen führen zu Erfolgserlebnissen und Sicherheit.“

Bisher hat sich Löw im Vergleich zu seinem Vorgänger Klinsmann mit provokanten Vorwürfen an die Vereine weitgehend zurückgehalten. Dass er nun grundsätzlich wird, liegt wohl auch an der billigen Reaktion der Liga auf den Misserfolg im Europapokal. „Wir diskutieren sehr viel, dass das Geld fehlt“, sagt Löw. „Aber vielleicht geht das Geld auch dahin, wo konzeptionell gut gearbeitet wird.“

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