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Was machen die da? Joachim Löw wundert sich über die täglich neuen Meldungen aus der Fußballlandschaft zwischen München und Hamburg.

© dpa

Nationalmannschaft: Fels im Meer des Wahnsinns

Während in der Bundesliga das Chaos regiert und Sportdirektor Matthias Sammer über "gewaltige Probleme" spricht, herrscht rund um die Nationalmannschaft Kontinuität.

Es ist nicht so, dass Oliver Bierhoff das, was gerade in der Bundesliga passiert, aus der Perspektive des unbeteiligten Beobachters verfolgt. Es gibt durchaus persönliche Bezüge zu den Leidtragenden der Entwicklung. Das jüngste Opfer des grassierenden Wahnsinns zum Beispiel ist dem Manager der Nationalmannschaft aus seiner Zeit als aktiver Fußballer bestens bekannt. Michael Skibbe, gerade bei Eintracht Frankfurt von seinen Aufgaben entbunden, war Kotrainer der Nationalmannschaft, als Bierhoff noch für Deutschland stürmte. Und auch wenn Bierhoff als Angestellter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu einer gewissen diplomatischen Vorsicht angehalten ist, kann er zumindest seine Verwunderung über die Art der Entlassung Skibbes nicht verhehlen, nämlich „gerade nach einem Sieg, wo er innerlich mal durchgeschnauft hat“. Aber das passt zu den Umfangsformen in der Liga: Nichts ist heilig, alles ist möglich.

Wenn der Irrsinn Methode hat, wird das Normale fast schon zur Kuriosität. Insofern hat sich das spannendste Ereignis der vergangenen Woche eigentlich in Frankfurt zugetragen. Als niemand damit rechnete, hat der DFB die Zusammenarbeit mit Bundestrainer Joachim Löw und seinem Team vorzeitig um zwei weitere Jahre bis zum Ende der Weltmeisterschaft 2014 verlängert. Eine beruhigende Situation für den Bundstrainer. „Jetzt haben wir alle Ruhe und alle Freiheit“, sagt er. „Das ist gut für uns.“ Wenn Löw den Vertrag planmäßig erfüllt, wird er insgesamt zehn Jahre DFB-Angestellter gewesen sein, davon acht als Bundestrainer.

Während überall im deutschen Fußball die Trainer von ihren Bänken purzeln, geht der DFB mit aller Entschlossenheit den entgegengesetzten Weg: Der Verband hält an seinem Trainer fest – weil er von seiner Arbeit überzeugt ist, weil er seine Idee vom Fußball goutiert und weil Kontinuität ein Teil seines Erfolges ausmacht. „Wir wollen keinen Rumpelfußball, wir wollen attraktiven, leidenschaftlichen Fußball von Spielern, die sich mit ihrem Sport und ihren Fans identifizieren. Und dafür ist Joachim Löw ein Garant“, sagt DFB-Präsident Theo Zwanziger. „Die Nationalmannschaft, die bei der Weltmeisterschaft in Südafrika so begeisternd gespielt hat, trägt seine Handschrift.“

Die Bundesliga hingegen frönt ihrem Hang zur Bilderstürmerei: Was heute noch weiß war, soll morgen bitteschön schwarz sein: Nachdem vor zwei Jahren noch die Alleinherrscher auf der Trainerbank das Maß der Dinge waren, werden heute verstärkt jugendliche Spielerversteher gefragt, die in flachen Hierarchien denken. Doch wer seinen Trainer entlässt, trennt sich nicht nur von seinem leitenden Angestellten; er entsorgt auch noch gleich dessen Idee vom Fußball und gelegentlich auch ein Teil des Personals. „Man muss sich schon seine Gedanken machen“, sagt Joachim Löw.

Nicht nur die Seriosität der Bundesliga ist in Gefahr, auch ihre sportliche Qualität leidet. Denn dass der Zickzackkurs der Vereine nicht gesund ist, kann man sich leicht ausmalen. In der allgemeinen Aufregung über ihre zweifelhafte Personalpolitik ist die sportliche Fehlentwicklung der Bundesliga fast ein bisschen untergegangen. In der vorigen Woche sind Bayern München und Bayer Leverkusen aus dem Europokal ausgeschieden. Unter den 16 Viertelfinalisten in Champions und Europa League ist der deutsche Fußball nur noch mit einer Mannschaft, mit dem FC Schalke 04, vertreten. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt Matthias Sammer, der Sportdirektor des DFB. „Wir haben sportlich ganz gewaltige Probleme. Aber darüber diskutiert keiner.“

Auch sportlich tut sich eine Lücke auf zwischen der Liga und der Nationalmannschaft. Borussia Dortmund, die dominierende Mannschaft der laufenden Saison, hat in der Europa League nicht einmal die Vorrunde überstanden. Doch während die Vereine gerade wieder Zweifel an ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit nähren, steht die Nationalmannschaft blendend da. In der EM-Qualifikation führt sie die Tabelle mit vier Siegen aus vier Spielen souverän an; und am Samstag, in Kaiserslautern gegen Kasachstan, kann sie ihre Bilanz weiter verbessern.

Mit dem Bekenntnis zu Löw und seiner Philosophie ist der DFB so etwas wie der Fels im Meer des Wahnsinns. Und ohne es aktiv zu betreiben, geraten der Bundestrainer und sein Team wieder in die Rolle, die Wahrer des guten und schönen Fußballs zu sein. Oliver Bierhoff könnte sich zwar vorstellen, dass das, was aktuell in der Bundesliga passiert, „vielleicht auch Zufall ist“ und dass schon „in der nächsten Saison mehr Ruhe herrscht“. Aber die Beteiligten im Fußball müssten auch „eine gewisse Seriosität und Werthaltigkeit“ an den Tag legen. Ob das gerade immer der Fall ist, „das ist im einen oder anderen Fall in Frage zu stellen“.

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