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© ddp

Nationalmannschaft: Mund halten und Fußball spielen

Bundestrainer Joachim Löw will vor dem Spiel gegen Argentinien den Streit im DFB hinter sich lassen

Am Dienstag hat der Deutsche Fußball-Bund ein gemeinsames Projekt mit der Deutschen Telekom vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine Art Videokonferenz auf HDTV-Niveau. Damit können die Protagonisten von DFB und Nationalelf bald auch über große Distanzen so wunderschön streiten wie in den vergangenen Wochen, und das auch noch von Angesicht zu Angesicht. So weit die boshafte Interpretation. Oliver Bierhoff wählt lieber einen versöhnenden Ansatz mit seiner These, „dass viele Probleme vielleicht gar nicht aufgetreten wären, wenn die Kommunikation gestimmt hätte“.

Da freuen sich die Herren von der Telekom genauso wie DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach, der neben Bierhoff sitzt und von dem man weiß, dass er dem Nationalmannschaftsmanager nicht übermäßig zugetan ist. Man stellt sich das gerne vor, wie die Herren Niersbach (Frankfurt am Main) und Bierhoff (Starnberger See) via Bildschirm über die Inhalte einer Vertragsverlängerung für Trainer- und Managerteam der Nationalmannschaft debattieren und ein Mitschnitt dieses vertraulichen Gesprächs in der Mailbox eines großen deutschen Medienhauses landet, natürlich ganz zufällig. So ähnlich ist das vor ein paar Wochen tatsächlich passiert. Eher nebenbei wurde dabei auch der Bundestrainer aufs Schwerste beschädigt, aber das begriffen beide Streitparteien erst, als es viel zu spät war.

Joachim Löw trägt einen Tag vor dem Testspiel gegen Argentinien wie gewohnt Schwarz und gibt sich doch in krassem Kontrast dazu betont gelöst. Es ist der erste öffentliche Auftritt des Bundestrainers seit dem verbandsinternen Kommunikationsdebakel Ende Januar. Löw macht ein Späßchen über Diego Maradona und über eine Zigarre, die ihm DFB-Sprecher Harald Stenger in die Hand drückt, und freut sich, dass es endlich mal wieder um das Wesentliche geht, nämlich um Fußball.

Argentinien – „in Ballbesitz eine der besten Mannschaften der Welt“, schwärmt Löw, „sie wird uns alles abverlangen“. Ja, es sei für ihn „absolut vorstellbar“, Bastian Schweinsteiger ins zentrale Mittelfeld neben Michael Ballack zu stellen, „auf dieser Position hat er beim FC Bayern zuletzt sehr gut gespielt“. Ob er sich traue, Schweinsteigers Planstelle auf dem rechten Flügel einem Debütanten anzuvertrauen? „Ich traue mich alles“, sagt Löw und dass der Münchner Thomas Müller und der Leverkusener Toni Kroos sehr gute Chancen auf einen Platz in der Startelf hätten – obwohl: „Argentinien ist natürlich ein sehr starker Gegner, wir müssen mal sehen, ob die jungen Spieler da umsetzen können, was in ihnen steckt.“

Ein einziges Mal wird Löw ernst, ja sogar ein wenig verärgert. Das geschieht im Anschluss an die Frage, wie er denn das aktuelle Erscheinungsbild seines Arbeitgebers beurteile. Löw sagt, „über andere Themen, Schiedsrichter und so“, wolle er sich nicht äußern,, „ich muss mich auf Argentinien und meine Mannschaft konzentrieren, damit sind meine Kapazitäten erschöpft“. Und was die Vertragsverlängerung betrifft, wird er noch eine Spur lauter: „Dazu ist alles gesagt. Ich habe oft das Gefühl, dass man das, was ich sage, nicht so richtig ernst nimmt. Wir müssen uns auf die WM konzentrieren, das ist die Hauptaufgabe, bis dahin werden die Verhandlungen nicht mehr aufgenommen, das sage ich jetzt zum letzten Mal.“

Nun ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die DFB-Elf trotz aller Turbulenzen um ihren Trainer in Südafrika eine gute Rolle spielt. Die Verbandsspitze weiß, dass sie Schaden angerichtet hat, sie wird das Unternehmen WM 2010 nicht weiter gefährden wollen. Und auch der Bundestrainer wird alles geben bis dahin. Aber eben nicht weiter. Einiges deutet darauf hin, dass Löw sich innerlich schon entschieden hat. Dass er nämlich nicht mehr weitermachen will nach der WM, egal wie erfolgreich sie auch ausfallen mag für den deutschen Fußball. Dafür ist Löw bislang zu geradlinig gewesen in seiner Haltung und mit seinen Entscheidungen als Bundestrainer. In diesem Punkt ähnelt er doch sehr Jürgen Klinsmann. Dieser hatte nach monatelangen Anfeindungen und Rücktrittsforderungen trotz des Sommermärchens keine Lust mehr, weiterzumachen.

Es ist ziemlich genau vier Jahre her, da stand Klinsmann vor der Entlassung, nach einer 1:4-Niederlage gegen Italien, den letzten richtig schweren Gegner der WM-Vorbereitung. „Seitdem hat sich die Mannschaft weiterentwickelt“, sagt Löw, „sie hat nicht mehr die Naivität wie damals, als wir wirklich Probleme hatten.“

Die Zeiten ändern sich. Und die Probleme auch.

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