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Nationalmannschaft: Nach der Qualifikation ist vor der Qualifikation

Die deutsche Mannschaft hat sich als erstes Team die Teilnahme an der Europameisterschaft gesichert, nun geht es für die Nationalspieler um die Qualifikation für die 23 Plätze im EM-Kader. Wir beleuchten auf dieser Seite, wer hoffen darf.

36 Spieler hat Joachim Löw in seiner Amtszeit als Bundestrainer eingesetzt; 23 darf er im kommenden Jahr zur Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz mitnehmen. Nach der erfolgreichen Qualifikation beginnt nun die interne Qualifikation um Löws Gunst. Wer darf realistisch hoffen? In unserer Übersicht wurden nur die Spieler berücksichtigt, die unter Löw bereits gespielt haben. Das heißt nicht, dass der Kader sich ausschließlich aus diesem Kreis rekrutieren wird. Zu den Kandidaten zählen auch die Stuttgarter Sami Khedira und Serdar Tasci, die nominiert waren, aber nicht zum Einsatz kamen, Sebastian Kehl, der seit der WM fast durchgehend verletzt ist, die Schalker Manuel Neuer und Jermaine Jones – und vielleicht auch noch eine Überraschung wie David Odonkor bei der WM 2006.

SICHER DABEI

Jens Lehmann (Arsenal): Wenn Lehmann bei Arsenal wieder die Nummer eins wird, gibt es keinen Grund, an seinem Status in der Nationalelf etwas zu verändern. Bleibt er in London dauerhaft Ersatz, fährt der Torhüter als Nummer zwei mit zur EM. Dabei ist er auf jeden Fall.

Timo Hildebrand (Valencia): Hat sich in Valencia in kürzester Zeit von der Zwei zur Eins hochgearbeitet – das will er auch bei der Nationalmannschaft; vermutlich gelingt ihm das aber erst nach der EM.

Per Mertesacker (Werder Bremen): Der Bremer verpasste den Anfang der Ära Löw, weil er die WM mit einer Verletzung beendet hat. Seit seiner Rückkehr zu Beginn dieses Jahres ist der Innenverteidiger das, was er auch schon bei Jürgen Klinsmann war: gesetzt.

Christoph Metzelder (Real Madrid): Selbst wenn er nicht spielen sollte (was kaum zu erwarten ist), muss Metzelder zur EM. Niemand versteht es, Löws Philosophie so eloquent zu feiern wie Metzelder.

Arne Friedrich (Hertha BSC): Er ist nicht nur immer dabei, er spielt eigentlich auch immer. So wird es auch im nächsten Sommer wieder sein, entweder rechts oder in der Innenverteidigung. Ein Platz für Friedrich wird sich schon finden.

Marcell Jansen (Bayern München): Bei der WM durfte der linke Außenverteidiger nur im Spiel um Platz drei mitmachen, seitdem ist er zum Stammspieler aufgestiegen. Löw erwähnt Jansen immer wieder, wenn er auf individuelle Fortschritte der Nationalspieler verweist.

Philipp Lahm (Bayern): Eigentlich glaubte man ihn längst auswendig zu kennen, aber Philipp Lahm wird immer wieder neu entdeckt, zuletzt als unaufgeregter defensiver Mittelfeldspieler. Einen solchen Multifunktionsspieler im Kader zu haben, ist für jeden Trainer ein Traum, gerade bei einem großen Turnier.

Michael Ballack (Chelsea): „Er ist in England gewachsen, noch mehr Mannschaftsführer geworden“, sagt Manager Oliver Bierhoff über den Kapitän der Nationalelf. In Deutschland ist zuletzt der gegenteilige Eindruck entstanden. Gut zu wissen, dass die Führung der Nationalmannschaft ihre eigene Meinung hat. Ballack wird bei der EM eine wichtige Rolle spielen.

Torsten Frings (Bremen): Der Bremer war die Entdeckung der WM, mit seiner aggressiven Interpretation des defensiven Mittelfeldspiels hat er sogar einen neuen Trend gesetzt. Seitdem ist Frings noch eifriger, noch besessener, und er wird nicht ruhen, ehe er den Titel hat.

Thomas Hitzlsperger (VfB Stuttgart): Ein Muster an Beharrlichkeit und Professionalität hat Löw den Stuttgarter genannt. Früher musste er sich noch fragen lassen, warum Hitzlsperger überhaupt dabei sei: weil er so gute Laune verbreitet? Inzwischen gibt es plausible fachliche Gründe für seine Nominierung. Niemand hat unter Löw so viele Spiele bestritten.

Bernd Schneider (Bayer Leverkusen): Schneider hat bei der WM erzählt, jemand habe errechnet, dass er bei der EM, mit dann 34 Jahren, sein 100. Länderspiel bestreiten könnte. Das schafft er nun doch nicht, weil er ein paar Mal fehlte. Vielleicht macht Schneider einfach weiter bis zur WM 2010.

Bastian Schweinsteiger (Bayern): Der Mittelfeldspieler braucht die Einsätze bei der EM, um Lothar Matthäus möglichst bald als Rekordnationalspieler abzulösen. Schweinsteiger ist auf dem besten Weg. Anfang 2008 wird er sein 50. Länderspiel bestreiten – mit gerade 23 Jahren.

Miroslav Klose (Bayern): Die große Entdeckung der WM 2002, die große Enttäuschung der EM 2004, die große Verheißung der WM 2006 – und 2008? Klose hat im Sommer noch etwas klarzustellen.

Kevin Kuranyi (Schalke 04): Was dem Schalker vor der Weltmeisterschaft widerfahren ist, wird ihm nicht noch einmal passieren. Damals purzelte er aus dem Kader, weil er sich zu sicher fühlte. Kuranyi hat verstanden. Er besitzt jetzt das, was man von einem Profi erwarten darf: Professionalität.

Lukas Podolski (Bayern): Wird bis zum Ende der Saison bei den Bayern Edelreservist bleiben, mit viel schlechter Laune zur EM fahren – und sich dann für die Zuneigung im Kreis der Nationalmannschaft mit einem wichtigen Tor im Halbfinale bedanken. Oder so ähnlich.

WAHRSCHEINLICH DABEI

Robert Enke (Hannover 96): Enke wird auf den Spuren von Walter Junghans, Oliver Reck und Jörg Butt wandeln und als dritter Torhüter dem Kader angehören – es sei denn, Löw kommt auf die verwegene Idee, einem der Perspektivtorhüter schon mal einen Einblick in das große Turniergeschehen gewähren zu wollen. So aber tickt der Bundestrainer nicht.

Clemens Fritz (Bremen): Der Bremer ist nicht zu beneiden: Er kann hinten rechts auflaufen – da spielt Philipp Lahm. Oder im rechten Mittelfeld – da spielt Bernd Schneider. Zum Trost darf er mit zur EM.

Christian Pander (Schalke): Der Schalker hat sich mit Wucht in die Nationalmannschaft geschossen: Beim Sieg in Wembley erzielte er das 2:1. So gut Pander nach vorne ist, so anfällig ist er nach hinten. Englands 1:0 ging auf seine Kappe.

Tim Borowski (Bremen): Bei der WM war der Bremer nicht nur eine Art Ersatz-Ballack, sondern auch der zwölfte Mann in Klinsmanns Elf, also die erste Einwechseloption. Ob er diesen Status immer noch innehat, ist nach seiner langen Verletzung schwer zu sagen.

Mario Gomez (Stuttgart): Der Stuttgarter hat eine überragende Saison hinter sich. Im Moment aber erlebt er das Problem, das viele junge Spieler haben, wenn sie das einmal erreichte Niveau bestätigen sollen. Gelingt Gomez das einigermaßen, darf er mit zur EM.

David Odonkor (Betis Sevilla): Es soll immer noch Menschen geben, die Odonkor für einen überragenden Fußballer halten; wenn einer weiß, dass das nicht stimmt, dann ist es Joachim Löw. Genauso weiß Löw aber, dass es Situationen geben kann, in denen Odonkor für die Nationalmannschaft einen hohen Wert besitzt (siehe Polen 2006). Deshalb fährt Odonkor mit zur EM. Jede Wette.

VIELLEICHT DABEI

Gonzalo Castro (Leverkusen): Möglicherweise kommt die EM für den Leverkusener noch zu früh. Sein Vorteil: Castro ist flexibel einsetzbar. Gegen Rumänien spielte der Rechtsfuß als linker Außenverteidiger, und zwar auffallend gut.

Manuel Friedrich (Leverkusen): Ein Kandidat für den Platz des vierten Innenverteidigers – und ein möglicher Härtefall bei der Nominierung des Kaders. Friedrich war zuletzt immer dabei, er versteht auch, was Löw von einem Abwehrspieler erwartet, kann sein theoretisches Wissen aber nicht immer in die Praxis umsetzen. Der Schalker Heiko Westermann könnte ihm die EM-Teilnahme noch streitig machen.

Roberto Hilbert (Stuttgart): Der flinke Rechtsfuß ist manchmal noch zu hibbelig, macht viele Fehler; dafür kann er knifflige Situationen dank seiner individuellen Klasse auch spielerisch lösen. Solche Typen mag Löw.

Simon Rolfes (Leverkusen): Passsicher, schlau, intelligent, so hat der Bundestrainer den Leverkusener vor dem Spiel in Irland genannt. Nie zuvor hat sich Löw derart euphorisch über Rolfes geäußert. Ein Zeichen?

Mike Hanke (Hannover): In Klose, Kuranyi und Gomez hat der Bundestrainer bereits drei Stoßstürmer in seinem Kader. Was soll er da mit einem vierten? Es sieht nicht gut aus für Hanke.

Stefan Kießling (Leverkusen): Der Leverkusener durfte nur im Quasi-B-Länderspiel gegen Dänemark für eine Halbzeit mitwirken. Während andere wie Castro, Rolfes oder Hilbert diesen Karriereknick weggesteckt haben, wurde Kießling seitdem nicht mehr berücksichtigt.

Oliver Neuville (Borussia Mönchengladbach): Dem Gesetz der Serie nach erlebt Neuville die EM nur am Fernseher. Der Stürmer wurde noch nie für eine Europameisterschaft nominiert, und alles spricht für die Fortsetzung dieser Serie: Neuville wird im Mai 35, er ist verletzungsanfällig und spielt in der Zweiten Liga. Trotzdem hat man das Gefühl: Steht Löw vor der Frage, ob er Zweitligastürmer Helmes nominiert oder Zweitligastürmer Neuville, entscheidet er sich für Neuville.

EHER NICHT DABEI

Piotr Trochowski (Hamburger SV): So oft, wie er zuletzt zum Einsatz gekommen ist, darf sich Trochowski – anders als beim HSV – derzeit wie ein Stammspieler bei Löw fühlen. Hoffentlich weiß er auch warum – weil derzeit etliche Mittelfeldspieler fehlen. Kehren sie zur EM zurück, fliegt Trochowski aus dem Kader.

Gerald Asamoah (Schalke): Der Schalker hat seit 13 Monaten nicht mehr in der Nationalmannschaft gespielt, zuletzt wurde er nicht mal mehr nominiert. Aller Voraussicht nach wird sich das bis zur EM nicht grundlegend ändern.

Patrick Helmes (1. FC Köln): Der vermeintliche Wiedergänger von Lukas Podolski war zuletzt treuer Begleiter der Nationalmannschaft. Dabei musste er feststellen, dass internationaler Fußball doch eine andere Nummer ist als die Zweite Liga.

Jan Schlaudraff (Bayern): Was soll man zu den EM-Ambitionen eines Spielers sagen, dessen erste Ambition es ist, überhaupt wieder in der Bundesliga zu spielen? Für Schlaudraff wird schon das schwer genug.

AUF KEINEN FALL DABEI

Malik Fathi (Hertha): Der Berliner war der erste Debütant der Ära Löw, wurde aber seit einem Jahr nicht mehr nominiert. Obwohl Fathi bei Hertha eine mehr als ordentliche Saison spielt, wird sich das bis zur EM wohl nicht mehr ändern. Auf seiner Position sind Jansen und Pander erste Wahl. Und Lahm gibt es auch noch.

Paul Freier (Leverkusen): Spielt Freier überhaupt noch? Im Prinzip ja, in dieser Saison allerdings gerade 20 Minuten.

Alexander Madlung (VfL Wolfsburg): Vor der WM hat sich der Verteidiger darüber beschwert, dass er immer noch kein Nationalspieler sei, obwohl er doch mindestens genauso gut sei wie Robert Huth. Aber wer war noch mal Robert Huth?

Jens Nowotny: Es kann viel passieren, nur nicht, dass Jens Nowotny bei der EM spielt. Nowotny, in Löws erstem Spiel als Bundestrainer dabei, hat seine Karriere als Fußballer beendet.

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