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Nationalmannschaft: Nicht nett in Baku

Für die deutsche Nationalmannschaft geht die WM-Qualifikation heute in die entscheidende Phase

Auf seine Abteilung Auslandsspionage konnte sich der Deutsche Fußball-Bund immer verlassen, in Sachen Aserbaidschan aber hat der Nachrichtendienst kläglich versagt. Das Dossier für Joachim Löw zum WM-Qualifikationsspiel in Baku strotzte offenbar nur so vor Fehlern. Dem Auftritt in Aserbaidschans Hauptstadt hatte der Bundestrainer mit einigem Bammel entgegengesehen. Im Sommer sei es heiß und schwül, berichtete Löw, der Platz im Stadion Tofik Bachramow zudem recht holprig. Alles keine Vorteile für seine Mannschaft. Die Realität sieht etwas anders aus: In den vergangenen beiden Tagen sind die Temperaturen in Baku unter bedecktem Himmel nur knapp über 20 Grad gestiegen. Und der Rasen? „Hat echt einen guten Eindruck gemacht“, sagte Verteidiger Per Mertesacker nach der ersten von zwei Trainingseinheiten im Stadion. „Die Ausrede fällt schon mal aus – wenn Ausreden nötig sein sollten.“

Eine entsprechende Situation will die Mannschaft mit aller Macht vermeiden. „Die Qualifikation geht in eine ganz entscheidende Phase“, sagt Mertesacker. Vier Spiele sind es noch. Vier, nicht eins, wie es in Deutschland manchmal den Anschein hat. Man könnte glauben, dass die Nationalmannschaft nur noch gegen Russland spielen muss und sich allein am 10. Oktober in Moskau entscheidet, ob die Deutschen sich direkt für die WM in Südafrika qualifizieren oder als Gruppenzweiter in die Relegation müssen. „Wenn man sich nicht hundertprozentig konzentriert, wird man schon auf dem Weg dorthin stolpern“, sagt Kapitän Michael Ballack.

Das komfortable Tabellenbild täuscht

Das komfortable Tabellenbild mit Deutschland an der Spitze der Gruppe vier täuscht ein wenig. Strukturell sind die Russen in der besseren Position. Sie haben alle Spiele gegen die kleineren Gegner gewonnen, während die Deutschen gegen Finnland zwei Punkte weggeschenkt haben. Weitere Verluste sollte sich die Mannschaft daher nicht erlauben. Sonst könnte es sein, dass sie in Moskau für den Gruppensieg nicht nur nicht verlieren darf – sondern gewinnen muss.

Aserbaidschan wird zwar von Berti Vogts trainiert, Rücksicht aber darf der frühere Bundestrainer von seinen Landsleuten nicht erwarten. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, kündigte an, „dass wir kein bisschen netter sind, nur weil er Deutscher ist“. Ernst und konzentriert erwartet Bierhoff das eigene Team, auch wenn die Fakten eher auf eine leichte Aufgabe hinweisen. In fünf Gruppenspielen hat Aserbaidschan kein einziges Tor geschossen – allerdings hat die Mannschaft auch nur fünf kassiert. „Sie sind nicht der große Gegner“, sagt Bierhoff. „Aber sie haben immer starken Widerstand geleistet.“ Die Videosequenzen, die den deutschen Spielern gezeigt wurden, waren laut Per Mertesacker jedenfalls „Warnung genug“.

Ballacks Einsatz soll nicht gefährdet sein

Der Bundestrainer vergleicht das Spiel in Baku mit dem Duell zwischen einem Erst- und einem Zweitligisten in der ersten Runde des Pokals. Wenn der Favorit nicht den nötigen Eifer aufbringt, kann er durchaus eine böse Überraschung erleben. „Die Frage ist nicht, wie stark ist Aserbaidschan, sondern wie spielen wir“, sagt Löw. Die Antwort auf diese Frage wird ein wenig dadurch erschwert, dass in der Bundesliga gerade ein Spieltag gespielt ist. Zum ersten Mal überhaupt muss das Nationalteam zu einem solch frühen Zeitpunkt der Saison ein Pflichtspiel bestreiten. „Wir können gar nicht bei hundert Prozent sein“, sagt Ballack, der gestern das Training wegen Problemen im Oberschenkel abbrechen musste. Sein Einsatz heute soll aber nicht gefährdet sein.

Die Terminierung ist kein perfider Trick des aserbaidschanischen Fußballverbandes, um sich einen Vorteil zu verschaffen; den ungünstigen Termin haben sich die Deutschen selbst zuzuschreiben. Sie hätten schon im Juni in Baku spielen können, zogen es aber vor, sich stattdessen auf eine Asienreise zu begeben und danach ein bisschen länger Urlaub zu machen. Bundestrainer Löw spricht von einer außergewöhnlichen Situation für seine Spieler und einer echten Herausforderung. „Wir müssen uns mental auf die Bedingungen einstellen“, sagt er. „Sonst kann es verhängnisvoll werden.“

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