zum Hauptinhalt
Ständiger Begleiter. Mats Hummels (l.) bekam es häufig mit Josh Magennis zu tun. Dessen Drohpotenzial aber war wie das aller Nordiren überschaubar.

© dpa/Steffen

Nationalmannschaft und WM-Qualifikation: Chronisch unterfordert

Die jüngsten zwei Spiele haben es gezeigt: Die deutsche Mannschaft kann sich auf dem Weg nach Russland nur selbst im Wege stehen.

Mats Hummels ruckelte noch einmal seinen Kragen zurecht. Er trug passend zur Jahreszeit einen Übergangsmantel und eine Wollmütze auf dem Kopf. Ungemütlich kühl war es im Keller der Arena von Hannover. Der Wind wehte durch die Mixed zone, beim Sprechen bildeten sich weiße Atemwölkchen vor dem Mund. Es war schon spät, als Hummels, der Verteidiger der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hier auftauchte, lange nach seinem Gegenspieler Josh Magennis. Der bullige Stürmer aus Nordirland hatte aus der Nähe noch ein bisschen imposanter gewirkt als ohnehin schon. Sein linker Arm war vollverziert mit Tätowierungen. Man konnte das gut sehen, weil Magennis nur mit einem Polohemd und Shorts bekleidet war, bevor er nach der 0:2-Niederlage gegen die Deutschen in die nasskalte niedersächsische Nacht verschwand.

Vermutlich wäre Hummels von Magennis’ Outfit nicht weiter überrascht gewesen. Er hatte schon während des Spiels seine Erfahrungen mit dem nordirischen Naturburschen gemacht, der als einziger Spieler seiner Mannschaft mit einem klaren Offensivauftrag in das WM-Qualifikationsspiel gegen den Weltmeister geschickt worden und diesem Auftrag auch mit großer Leidenschaft nachgegangen war. Magennis jagte jedem Ball hinterher, was dazu führte, dass sich seine Wege mit denen von Mats Hummels einige Male kreuzten. Der Münchner war zeitweise der einzige Spieler in der deutschen Mannschaft, bei dem noch ein klarer Auftrag zur Defensive zu erkennen war – was ihn aber nicht davon abhielt, in der ersten Halbzeit einmal als Rechtsaußen eine Chance für Thomas Müller vorzubereiten.

Mehr Verteidigungsfachkräfte waren gegen die Nordiren auch nicht zwingend erforderlich, weil deren Matchplan vor allem die Verteidigung des eigenen Tores vorsah und die Gäste von diesem Plan auch nicht abwichen, als sie nach etwas mehr als einer Viertelstunde bereits 0:2 zurücklagen. Von mehr als einer halbwegs erträglichen Niederlage wagten sie offensichtlich nicht einmal zu träumen, was zumindest für einen sehr gesunden Realitätssinn sprach. „Ich bezweifle, dass es weltweit ein System gibt, das diese deutsche Mannschaft aufhalten kann“, sagte Nordirlands Trainer Michael O’Neill.

In ihrer WM-Qualifikationsgruppe gibt es mit Sicherheit nichts und niemanden, dem das zuzutrauen ist. Drei Spiele, drei Siege, kein Gegentor – nie zuvor ist die Nationalmannschaft so gut in eine Qualifikation für eine Welt- oder Europameisterschaft gestartet. „Ein Spaziergang ist es nicht“, sagte Mittelfeldspieler Sami Khedira, „es ist schon hochkonzentrierte Arbeit, die wir hier abliefern.“ Aber die beiden EM-Teilnehmer Tschechien und Nordirland, die allgemein als härteste Widersacher in der Qualifikation eingeschätzt worden waren, hatten nicht den Hauch einer Chance. „Im Moment ist Aserbaidschan der hartnäckigste Verfolger“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Er musste selbst ein bisschen schmunzeln, als er sich diesen Satz aussprechen hörte.

Es könnte möglich sein, dass die Deutschen ohne Gegentor durch die Qualifikation kommen

Im November wird Löw der Delegation angehören, die zur Auslosung des Confed-Cups nach Russland reist. Ob man die Gelegenheit nutzen werde, um nach einem Quartier für die Weltmeisterschaft in knapp zwei Jahren Ausschau zu halten, wurde Oliver Bierhoff am Dienstagabend gefragt. „Wir schauen uns ja schon um, wir machen uns jetzt schon schlau. So viel Selbstvertrauen haben wir“, antwortete der Manager der Nationalmannschaft. Auch das ist Ausdruck eines gesunden Realitätssinns. Es geht nicht mehr darum, ob sich der Titelverteidiger für die WM qualifiziert; es geht nur noch darum, wie er das tut. „Dass wir alle Spiele gewinnen wollen, das ist unser Anspruch“, sagte Sami Khedira. Besonders vermessen ist dieser Anspruch nicht. Es wäre angesichts der Konkurrenz in der Gruppe nicht einmal übertrieben, wenn die Deutschen sich vornähmen, ohne Gegentor durch die Qualifikation zu kommen.

Bundestrainer Löw nahm erfreut zur Kenntnis, „dass wir mittlerweile eine unglaubliche Dominanz in unserem Spiel haben und in der Lage sind, den Gegner so zu bespielen, wie wir ihn brauchen“. Teams wie Tschechien oder Nordirland vermögen die Deutschen nicht ernsthaft in Gefahr zu bringen. Die Nationalelf muss schon selbst nachhelfen, wenn sie wenigstens ein bisschen gefordert werden will. In Hannover wurde in der ersten Hälfte der Spielerrat bei Mats Hummels vorstellig, um von ihm zu erfahren, ob es okay sei, wenn er die Verteidigung ab jetzt mehr oder weniger alleine übernähme. „Klar“, antwortete Hummels. „Aber dann lasst uns sehen, dass wir die Bälle unter Kontrolle behalten, damit nicht alle zwei Minuten ein langer Ball kommt und ich ständig ins ,Eins gegen eins’ muss.“

Selbst Hummels wurde das Dauerduell mit Josh Magennis zwischenzeitlich ein bisschen zu viel, Bundestrainer Löw fand das Ganze sogar „nicht ganz ungefährlich“. Zur Pause wurde die Sache angesprochen und entsprechend korrigiert, danach geriet das deutsche Tor nicht mehr in Gefahr. „Wir haben gezeigt, dass wir da sind, wenn wir da sein müssen“, sagte Mario Götze. Diese Fähigkeit sollten sich die Deutschen unbedingt bewahren, vor allem für die Zeit nach der Qualifikation.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false