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Nicht nur der Blick ging is Leere. Mario Gomez.

© dpa

Nationalmannschaft verliert gegen Argentinien: Pfiffe gegen Mario Gomez

Mario Gomez macht beim Spiel gegen Argentinien unfreiwillig Werbung für ein System ohne klassischen Stürmer und wird dafür ausgepfiffen - mal wieder.

Im Moment braucht es nicht viel, um die dankbaren Fans der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Ekstase zu versetzen. Antonio Rüdiger, beim Testspiel gegen Argentinien kurz vor Schluss eingewechselt, genügte ein beherzter Sprint und ein gelungenes Tackling, um zum neuen Publikumsliebling aufzusteigen. „Rüdiger! Rüdiger!“, hallte es durch die Düsseldorfer Arena, erst ein wenig zaghaft, schließlich deutlich vernehmbar.

Im Moment braucht es aber auch nicht viel, um das eigentlich dankbare Publikum der Nationalmannschaft in Wallung zu bringen. Bei Mario Gomez genügte eine vergebene Torchance, die eigentlich gar keine war. Zweimal war der Stürmer des AC Florenz bereits an Argentiniens Torhüter Romero gescheitert, kurz vor der Pause dann bekam er nach einem Abpraller seine Füße nicht mehr rechtzeitig sortiert, mit links stocherte Gomez den Ball Richtung Eckfahne. Dass der Treffer ohnehin nicht gezählt hätte, weil der Linienrichter eine Abseitsposition angezeigt hatte, war den Zuschauern in ihrem Groll entgangen. Sie pfiffen gegen Gomez, so wie sie es später auch bei seiner Auswechslung taten. „Das sollte nicht so sein“, sagte Antonio Rüdiger, 21 Jahre alt, zwei Länderspiele. „Die Zuschauer sollten allen Spielern gegenüber Respekt zeigen.“

Siebeneinhalb Jahre ist es her, dass im selben Stadion die Länderspielkarriere des Stürmers Mario Gomez begonnen hat. Bei seinem Debüt gegen die Schweiz erzielte er gleich sein erstes Tor für die Nationalmannschaft. Der damals 21-Jährige galt als Verheißung für die Zukunft. Siebeneinhalb Jahre später, mit inzwischen 29, sieht die Öffentlichkeit in Gomez eher einen Mann aus der Vergangenheit. Und trotzdem: Eine Verheißung für die Zukunft muss er auch weiterhin sein.

In gewisser Weise hätte das Spiel in Düsseldorf für Gomez nach der verpassten WM ein zweites Debüt in der Nationalmannschaft werden sollen. Doch das Gefühl eines unbelasteten Neuanfangs wollte sich nie einstellen, weder beim Publikum noch bei Gomez selbst. „Ich sehe mich nach wie vor als Teil der Mannschaft“, sagte er. Die alte Rückennummer (23), die während der Weltmeisterschaft in den Besitz von Christoph Kramer übergegangen war, erhielt er anstandslos zurück, und die Pfiffe aus dem eigenen Lager empfand Gomez sogar als „ein Stück weit normal“. Er kennt es nicht anders.

Der Bundestrainer braucht Mario Gomez weiterhin - weil Klose nicht mehr spielt

„Ich bin der Meinung, dass das einfach nicht geht“, sagte hingegen Joachim Löw. Der Bundestrainer braucht Gomez weiterhin, nach dem Rücktritt von Miroslav Klose vielleicht mehr denn je. Von Gomez abgesehen hat Löw keine adäquaten Bewerber für die Position des klassischen Mittelstürmers, die sich auch auf internationalem Niveau schon bewährt haben. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Genauso wenig wie die, dass der deutsche Fußball trotz seines neuen Status’ als Weltmeister ein paar strukturelle Probleme mit sich herumschleppt. Auch an qualifizierten Außenverteidigern mangelt es. Das hat auch die 2:4-Niederlage gegen Argentinien noch einmal deutlich gezeigt. Drei der vier Gegentore wurden über die linke deutsche Abwehrseite eingeleitet.

Die Debatte hat den Bundestrainer schon vor und vor allem während der WM begleitet, als die Bürgerbewegung „Lahm auf rechts“ massiven Zulauf erhielt. Die Variante, die Viererkette wie in Brasilien mit vier Innenverteidigern zu besetzen, hat Löw für die anstehende EM-Qualifikation ausgeschlossen. Dazu geht von den Gruppengegnern zu wenig Gefahr aus. Die Variante mit Erik Durm und Kevin Großkreutz schreit nach den Erfahrungen gegen Argentinien allerdings auch nicht nach einer Wiederholung. Dummerweise aber will sich Philipp Lahm von der heimischen Wohnzimmercouch nirgendwo mehr hinversetzen lassen.

Mario Gomez: Nicht mehr jung, aber auch nicht richtig etabliert

„Wir brauchen ein bisschen Geduld“, sagte Löw. „Wir können nicht erwarten, dass die jungen Spieler die Etablierten so einfach ersetzen.“ Das gilt auch für Mario Gomez, der zwar nicht mehr jung ist, aber auch nicht mehr richtig etabliert. Es wäre unredlich, nach einem Spiel ein abschließendes Urteil über ihn zu fällen. Gomez hat nahezu die komplette letzte Saison verpasst, und er war zu lange weg, als dass er alle Laufwege in der Nationalmannschaft noch blind beherrschen könnte. „Ich weiß, dass er nicht in Topform sein kann“, sagte der Bundestrainer. „Ich war nicht unzufrieden mit ihm. Er hat das Bestmögliche aus der Situation gemacht.“

Andererseits: Schon in besseren Zeiten, etwa bei der EM 2012, gab es hitzige Diskussionen, ob Gomez – in jeder Hinsicht – beweglich genug ist, um sich in das fluide Offensivspiel der Nationalmannschaft einzufügen. Joachim Löw tendiert immer deutlicher zu einem System mit einer falschen Neun. Das heißt aber nicht automatisch, dass für einen Stoßstürmer wie Gomez überhaupt keine Verwendung mehr besteht. Mario Gomez könnte die Spezialkraft von der Bank werden, die in Zeiten der Not neue Wucht ins Spiel bringt. Er müsste dafür nur das Tor treffen.

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