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Löws Anfangself vom Samstag könnte auch die Anfangself vom kommenden Sonntag sein.

© Imago

Nationalmannschaft vor der EM: Vier Fragen bleiben noch für Löw

Das Gerüst für die deutsche Mannschaft zum Turnierauftakt gegen die Ukraine steht. Im Grunde gibt es nur vier Fragen, die der Bundestrainer noch beantworten muss.

Bastian Schweinsteiger stand an der Seitenlinie bereit, neben ihm ein Stürmer. Auch diesmal ging es gegen Ungarn, und wie vor zwölf Jahren war es das letzte Testspiel vor der Europameisterschaft. Damit endeten aber auch schon die Gemeinsamkeiten.

Im Juni 2004 wartete Thomas Brdaric mit Schweinsteiger auf die Einwechslung, diesmal war es Leroy Sané. Statt 0:2 hieß es 2:0. Blonde Strähnchen durchzogen damals Schweinsteigers Haupthaar, inzwischen ist er in Ehren ergraut, und während den 19-Jährigen bei seinem Debüt für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft die Hoffnungen der gesamten Nation auf ein bisschen Erneuerung und etwas jugendliche Frische begleiteten, umwehen den bald 32-Jährigen längst ernste Zweifel an seiner Wettkampftauglichkeit. Wird er es wirklich bis zu der in einer Woche beginnenden EM schaffen?

Seriös beantworten lässt sich die Frage auch nach Schweinsteigers Comeback am Samstagabend nicht. Für immerhin 25 Minuten reichte die Luft nach zweieinhalb Monaten Verletzungspause. „Ein wichtiger erster Schritt“ sei es gewesen, sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem 2:0-Erfolg gegen die Ungarn. „Mit seiner Persönlichkeit gibt er der Mannschaft eine gewisse Sicherheit, das auf jeden Fall.“ Schweinsteiger wirkte recht präsent, er hatte viele Ballaktionen, wie das inzwischen heißt, spielte saubere Pässe. Allerdings waren die Ungarn so harmlos, dass von einer spielnahen Wettkampfsimulation nicht die Rede sein konnte.

Schweinsteiger bleibt die große Unbekannte

Realistisch betrachtet ist Schweinsteiger für den Turnierstart am Sonntag gegen die Ukraine keine echte Option. „Ich denke, eher nicht“, sagte Schweinsteiger selbst. Vielleicht erlaubt es der Spielstand, dem Kapitän ein paar Minuten Spielpraxis zu gönnen, vielleicht kann er sich auf diese Weise in der Vorrunde näher an die Startelf heranrobben, um dann in den K.-o.-Spielen eine Alternative zu sein. Vielleicht auch nicht. Bastian Schweinsteiger bleibt die große Unbekannte in den Planungen des Bundestrainers. In vielen anderen Punkten hingegen hat der finale Test gegen Ungarn eine gewisse Klarheit erbracht.

Die Anfangself vom Samstagabend könnte auch die Anfangself vom kommenden Sonntag sein. „Das war schon nah dran an einer möglichen Startformation“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Das Gerüst steht, im Grunde gibt es nur vier Fragen, die Löw noch beantworten muss: Wer ersetzt in den ersten Begegnungen den noch nicht fitten Mats Hummels in der Innenverteidigung? Wer spielt im linken offensiven Mittelfeld anstelle von Marco Reus, der für das Turnier in Frankreich ausfällt? Wer verteidigt rechts außen? Und: Wird die Mannschaft mit einem klassischen Mittelstürmer spielen oder doch mit einer falschen Neun?

Wenn am Sonntag ein großes Finale anstünde, würde Hummels vermutlich schon wieder in der Startelf stehen. Da es aber nur das erste von – idealerweise – sieben Spielen ist, besteht kein Grund, ein unnötiges Risiko einzugehen. Der 27-Jährige hält einen Einsatz im zweiten Gruppenspiel gegen Polen vier Tage später für möglich, und wenn es erst zum dritten Spieltag klappt, sollte das auch nicht dramatisch sein. In beiden Testspielen in der Vorbereitung hat Antonio Rüdiger neben Jerome Boateng verteidigt, unabhängig davon, ob die Deutschen mit einer Dreier- oder einer Viererkette gespielt haben.

Kimmich ist offensiv stärker als Höwedes

Löw hält viel von dem gebürtigen Berliner, der inzwischen für den AS Rom spielt; er sieht in ihm großes Entwicklungspotenzial – und daher über manche Schwäche hinweg, Rüdigers latenten Hang zum Leichtsinn zum Beispiel oder eine gewisse Unbedarftheit im Zweikampfverhalten. „Er ist physisch extrem stark, schnell, körperlich präsent“, sagt der Bundestrainer. „Seine Entwicklung gefällt uns sehr gut. Er spielt schon eine wichtige Rolle in unseren Überlegungen.“

Für die letzte offene Position in der Abwehr, die des rechten Außenverteidigers, hat Löw den Kreis der Kandidaten auf zwei reduziert. Den dritten möglichen Anwärter, Emre Can, plant er offensichtlich als Backup für Linksverteidiger Jonas Hector ein, so dass nur Joshua Kimmich und Benedikt Höwedes bleiben. Gegen Ungarn durfte sich der Schalker Höwedes 90 Minuten präsentieren. Der Test bestätigte die Erkenntnis, dass seine Stärken eher nicht in der Offensive liegen.

Da sieht der Bundestrainer dessen jungen Konkurrenten aus München im Vorteil. Kimmich sei jemand, „der im Spiel nach vorne manche Dinge machen kann, das hat er im Training gezeigt“. Allerdings besitzt Kimmich auf dieser Position anders, als es die breite Öffentlichkeit vermutet, auf dieser Position so gut wie keine Wettkampferfahrung.

Löw will nicht immer mit derselben Elf zu spielen

Dass Julian Draxler und nicht etwa André Schürrle in Gelsenkirchen den verletzten Reus ersetzte, lag wohl weniger an seiner Schalker Vergangenheit; es dürfte ein recht verlässlicher Hinweis auf die aktuelle Rangfolge gewesen sein. Für Schürrle scheint eine ähnliche Rolle reserviert zu sein wie vor zwei Jahren bei der WM, bei der er als Spezialkraft neuen Schwung von der Bank gebracht hat. „Wichtig ist, dass man in jedem Spiel Spieler hat, die frisch sind“, sagt Löw. Überhaupt hält er es für sinnvoll, nicht immer mit derselben Elf zu spielen. „Es gibt keine Wunschelf“, sagt er. „Ich lasse mir manche Dinge offen.“

Im Sturm kann der Bundestrainer je nach Bedarf einen klassischen Mittelstürmer aufbieten oder – wie zu Beginn – gegen Ungarn eine falsche Neun. Mario Götze machte es gut, erzwang das Eigentor zum 1:0. Gerade gegen defensive Teams, wie Löw sie in der Vorrunde erwartet, bietet sich die Variante mit dem umgeschulten Mittelfeldspieler an, der sich auch in engen Räumen zurechtfindet. Wenn der Gegner dann langsam müde wird, kann Mario Gomez den Rest erledigen. Löw hat Gomez als Mann der letzten Aktion bezeichnet. Gegen Ungarn gelang ihm zumindest eine wichtige vorletzte Aktion. Weil Torhüter Gabor Kiraly seinen Kopfball nur mit Mühe parieren konnte, traf Thomas Müller per Abstauber zum 2:0-Endstand.

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