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Sport: Nationalspieler aus Prinzip

Mit der Nominierung von Marcell Jansen kehrt Jürgen Klinsmann zur Idee des Spezialistentums zurück

Berlin - Manchmal leistet sich auch das kleine Borussia Mönchengladbach die Haltung des großen FC Bayern. In München ist es schon lange bewährte Politik, der Konkurrenz die besten Spieler wegzukaufen, vornehmlich die, die der eigenen Mannschaft einmal geschadet haben. Vor 13 Jahren haben die Gladbacher Borussen 0:5 gegen den SV Lürrip verloren, alle fünf Tore erzielte derselbe Spieler. Es war zwar nur die F-Jugend, aber der erfolgreiche Torschütze, ein Spieler namens Marcell Jansen, trug nur ein Jahr später selbst das Trikot der Borussen. Am Samstag, in der Slowakei, oder am Mittwoch, gegen Südafrika, könnte Jansen zu seinem ersten Einsatz für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kommen.

Eine große Überraschung war es nicht mehr, dass Bundestrainer Jürgen Klinsmann den 19 Jahre alten Verteidiger in sein Aufgebot berufen hat. Überraschender war es fast, dass sich Klinsmann so lange gegen Jansens Nominierung gesträubt hat. Der Gladbacher passt eigentlich exakt ins Beuteschema des Bundestrainers: Er ist jung, unbekümmert und denkt trotz seiner Position in der Viererkette immer nach vorne. Klinsmann aber ließ wissen, Jansen müsse sich erst einmal über einen längeren Zeitraum beweisen. Dabei hat der Gladbacher seit seinem Debüt im Dezember 21 von 22 möglichen Bundesligaspielen bestritten, die letzten 18 von Beginn an. Von so viel Spielpraxis wagt Robert Huth kaum zu träumen.

Vor allem der frühere Weltklasseverteidiger Jürgen Kohler hat sich zuletzt regelmäßig für Jansens Aufstieg in die Nationalelf ausgesprochen. „Das ist natürlich eine Ehre – dass der einen überhaupt kennt“, sagt Jansen. Immerhin spielte er vor neun Monaten noch in der Oberliga. Inzwischen aber ist Jansen aus Gladbachs Bundesligateam nicht mehr wegzudenken. In einem eher mittelmäßigen Umfeld gilt er als Verheißung auf eine bessere Zukunft. Und als gebürtiger Gladbacher, der aus dem eigenen Nachwuchs stammt und noch bei seinen Eltern wohnt, bedient er auch noch die lokale Komponente. Kein Trikot verkauft sich bei den Borussen zurzeit so gut wie das mit dem Namen Jansen.

Borussias Trainer Horst Köppel hat schon vor vielen Jahren erkannt, dass Jansen mehr kann. Sein Sohn spielte mit ihm in der D-Jugend der Borussen, „da gab es viele Talente, aber man konnte schon sehen, dass Marcell ein außergewöhnliches Talent ist“. Vor einem Jahr als Amateurtrainer holte Köppel Jansen aus der A-Jugend in die Oberliga-Mannschaft, zu seinem Bundesligadebüt aber kam er unter Dick Advocaat. Es war die wahrscheinlich beste Personalentscheidung, die der Holländer in seiner kurzen Zeit bei der Borussia getroffen hat.

In der Nationalelf könnte Jansen das Problem links in der Viererkette beheben, das durch die Verletzung Philipp Lahms entstanden ist. Mit Jansens Nominierung kehrt Klinsmann zu seinem Prinzip des Spezialistentums zurück. Jeder Spieler soll auf der Position spielen, die er am besten kann. Zuletzt ist Klinsmann davon abgerückt. Beim Confed-Cup besetzte der Mittelfeldspieler Thomas Hitzlsperger die Problemzone in der Viererkette, vor zwei Wochen gegen Holland leistete Bernd Schneider Amtshilfe. Im Endeffekt hat Jansen wahrscheinlich Glück gehabt, dass er nicht schon in Rotterdam zum Einsatz gekommen ist und gegen den überragenden Arjen Robben spielen musste.

Trotz seiner offensiven Veranlagung als früherer Stürmer ist Jansen auch in der Defensive stark, vor allem im Duell Mann gegen Mann. Seine Defizite sind eher taktischer Art. „Ihm fehlt noch ein bisschen die Abgezocktheit und Routine“, sagt Horst Köppel. Aber Jansen sei ein Spieler, der sich noch was sagen lasse. „Der hat Charakter.“ Köppel hat Jürgen Klinsmann gesagt, dass er Jansen durchaus zutraue, sich in der Nationalelf zu behaupten. Der Linksverteidiger soll bei den beiden Länderspielen auf jeden Fall zum Einsatz kommen, allerdings nicht von Anfang an.

Als Klinsmann den jungen Gladbacher am Telefon von seiner Nominierung unterrichtete, hat er ihm gesagt: „Hau rein! Du brauchst keine Angst zu haben.“ So ähnlich sieht das auch Marcell Jansen: „Ich fahre ja nicht zur Nationalmannschaft, nur um zu gucken, wie es da so ist.“

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