zum Hauptinhalt
Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus im Jahr 2015 - 25 Jahre nach dem Gewinn des WM-Titels.

© picture alliance / dpa

Nationalspieler damals und heute: Der Kugelschreiber von Franz Beckenbauer

Rudi Völler und Lothar Matthäus waren in den 80ern noch Nationalspieler zum Anfassen - anders als die Stars von heute. So kam es unserem Autor jedenfalls als Student vor.

August 1987. Es muss ein Sonntag gewesen sein. Ich war im Bezirk Wannsee, bei der Cousine meiner Mutter. Kaum angekommen, sagte der Mann der Cousine meiner Mutter, den wir im Folgenden mal als „Onkel“ durchgehen lassen: „Lust, beim Training der Fußball-Nationalmannschaft vorbeizuschauen? Der Franz Beckenbauer ist mit den Jungs auf dem Gelände vom FV Wannsee.“ Logisch hatte ich Lust.

Das Gelände des FV Wannsee strahlt diese unglaubliche Ruhe aus, so malerisch wie es zwischen Bäumen in einem super teuren Wohngebiet lag und liegt. Als wir ankamen, mussten wir schon zweimal hingucken, so beschaulich ging es zu. Auf dem Rasen übten die Nationalspieler und am Rand stand ein Dutzend eher älterer Zuschauer. Wir waren ganz nah dran. Ein Kreis von Spielern, Guido Buchwald stand in der Mitte. Sie ließen Buchwald und Ball laufen. Lothar Matthäus rief dem keuchenden Buchwald zu: „Seitdem ihr in Stuttgart den Arie Haan als Trainer habt, habt ihr wohl keine Kondition mehr.“ Buchwald: „Mensch Kerl, nerv nicht.“

Nach dem Training gaben sie dann Autogramme – allen, die welche haben wollten. Wir wollten keine. Trotzdem rief der Beckenbauer – wohl im Irrtum – meinem Onkel hinterher: „Entschuldigung. Sie haben Ihren Kugelschreiber vergessen.“ Das war eine Nationalmannschaft zum Anfassen. „Toll“, sagte mein Onkel. „Das sind doch eigentlich ganz normale Jungs.“

Früher war nicht alles besser - auch nicht das Testspiel gegen Frankreich

Das war natürlich übertrieben, die normalen Jungs verdienten auch schon damals Millionen. Nur wirkten sie viel nahbarer als ein Toni Kroos heute, der dem öffentlich-rechtlichen Volk nur noch vor laufender Kamera ein – wie er wohl glaubt – staatstragendes Statement gibt oder als ein Mesut Özil, der nach Wochen des peinlichen Schweigens per Twitter einen unbeholfenen Satz ablässt. Auf der anderen Seite haben es die Herren Nationalspieler heute auch schwerer, jede ihrer Bewegungen in der Öffentlichkeit wird in den sozialen Netzwerken gemeldet. Sie stehen unter Dauerbeobachtung.

Aber früher war nicht alles besser. Auch nicht das Testspiel, zu dem Beckenbauers Team seinerzeit in Westberlin antrat. Am Mittwoch, den 12. August 1987, gab es im Olympiastadion ein 2:1 gegen Frankreich. Nach zwei frühen Toren von Rudi Völler riefen die Zuschauer eher leise „Rudi, Rudi“ – später gab es auch noch einen Ehrentreffer für Frankreich durch den später großen Eric Cantona. Das Spiel hatte der Deutsche Fußball-Bund Berlin geschenkt, weil er dann bei der Heim-EM 1988 einen Bogen um die geteilte Stadt machte. Ganze 31 000 Zuschauer waren im Olympiastadion, immerhin mehr als meist in der Saison zuvor bei Blau-Weiß 90, die aus der Bundesliga abgestiegen waren. Wir fanden die Kulisse damals schon toll, auch wenn das heute anders aussähe. Und mein Onkel hat den Kugelschreiber vom Beckenbauer auch nicht mehr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false