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Sport: Nationaltrainer im Nebenjob Aus Liebe zum Land ist Liubinskas neuer Fußball-Coach Litauens

Nürnberg. Der Sportdezernent der Stadt Wilna hat sich sieben Tage unbezahlten Urlaub genommen.

Nürnberg. Der Sportdezernent der Stadt Wilna hat sich sieben Tage unbezahlten Urlaub genommen. Die beiden EM-Qualifikationsspiele Litauens gegen Deutschland und Schottland sind dem Mann in diesen Tagen wichtiger als der Bürokram auf seinem Schreibtisch. Nun ist Algimantas Liubinskas nicht etwa nur ein ranghoher Schlachtenbummler aus dem Rathaus. Der Abteilungsleiter im städtischen Direktorium für Kultur, Erziehung und Sport hat vor drei Wochen den Job als Cheftrainer der Fußball-Nationalmannschaft Litauens übernommen.

Diese Aufgabe aber unterliegt nicht seiner dienstlichen Zuständigkeit. Also keine Freistellung auf Kosten der Stadt für die Reise nach Nürnberg. „So sind bei uns nun einmal die Vorschriften“, freut sich der 51 Jahre alte Stadtdirektor dennoch über seine „Ferien für den Fußball“. Der nationale Nebenjob sei ihm eine „Herzenssache“.

Benjaminas Zelkevicius, bei der 0:2-Niederlage im Hinspiel gegen Deutschland vor einem halben Jahr in Kaunas noch Nationaltrainer, hatte die Brocken überraschend am 18. Februar hingeworfen. Seine Pflichten beim russischen Zweitligisten Baltika Kaliningrad ließen die Doppelbeschäftigung nicht länger zu, lautete seine Begründung. Beim litauischen Verband kennt man den wahren Anlass: Resignation nach die 1:2-Niederlage gegen Lettland im Trainingslager in der Türkei über die allzu lasche Einstellung der Spieler. So kam es, dass der neue Chef die Nationalspieler – die meisten aus dem Ausland – erstmals am Tag vor dem Abflug nach Deutschland zum gemeinsamen Training in Wilna um sich versammelte. „Kein Problem. Ich kenne die Spieler alle“, winkte Liubinskas ab.

Mit Liubinskas Amtsantritt wurde Litauens Fußball-Ikone Valdas Ivanauskas zum Assistenztrainer berufen. Der einstige Torjäger des Hamburger SV legt Wert auf die Bezeichnung „Berater“. Er bekomme keinen Euro. Die Bezahlung seines Chefs sei auch nur „lächerlich“. „Wir machen das aus Liebe zu Litauen und zum Fußball. Mit dem Herzen“, sagt er. Trainer der litauischen Nationalmannschaft ist kein Fulltimejob. Nicht nur deshalb ist die Niederlage gegen Deutschland einkalkuliert. „Das Spiel gegen die Schotten ist wichtiger“, sagt Ivanauskas. Gegen Berti Vogts gelte es, die Chance auf den zweiten Platz zu wahren. Litauen hat drei Punkte aus drei Spielen (0:2 gegen Deutschland, 2:0 gegen Färöer, 0:3 gegen Island).

Fußball in Litauen, das bedeutet wenig Professionalismus, sondern erfordert viel Idealismus und Improvisation. Das Quartier für Mannschaft und Mitreisende, ein verwinkeltes, romantisches Hotel im Familienbetrieb mitten in der Nürnberger Altstadt, wurde von der „Kindernothilfe in Litauen e.V.“ vermittelt. Hilfs- und Hotelchef sind befreundet. Gegessen wird in den umliegenden Restaurants. Kein Problem für den umtriebigen Team-Manager Robertas Tautkas, die Reisegesellschaft samt Spieler aufzuteilen: „35 zum Italiener, 35 zum Königshof.“

Hartmut Scherzer

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