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Auf ins Risikogebiet. Bundestrainer Joachim Löw ist am Freitag mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach Kiew geflogen.

© Eduard Bopp/Imago

Nations League im Risikogebiet Kiew: Die Nationalmannschaft reist in ihrer eigenen Blase

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft am Samstag in der Nations League auf die Ukraine – mitten im Risikogebiet.

Der Vorwurf, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf ihrer eigenen Umlaufbahn unterwegs ist, ist weder neu noch originell. Manchmal stimmt er sogar. Dann setzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sogar Raum und Zeit außer Kraft. Wie vor einigen Jahren, als die Nationalmannschaft zu einem Qualifikationsspiel in Kasachstan gastierte und die fünf Stunden Zeitverschiebung geflissentlich ignorierte. Für die Dauer ihres kurzen Aufenthalts in der zentralasiatischen Republik lebte sie einfach weiter im Rhythmus der Mitteleuropäischen Zeit.

In Kiew wird es für den Tross des DFB jetzt ähnlich sein. Einen gravierenden Unterschied zu Köln, wo sie die vergangenen fünf Tage mehr oder weniger einkaserniert waren, werden die Nationalspieler wohl kaum feststellen – weil sie von der Außenwelt in der ukrainischen Hauptstadt wenig mitbekommen und nur ein Luxushotel durch ein anderes ersetzt haben.

„Wir halten uns an die Auflagen und überwachen auch strengstens, dass sich die Spieler daran halten: kein Besuch, Masken im Hotel, Sitzungen in kleinen Gruppen bis auf die Mannschaftssitzung vor dem Spiel“, sagt Bundestrainer Joachim Löw vor dem Nations-League-Spiel an diesem Samstag gegen die Ukraine (20.45 Uhr, live in der ARD). „Wir sind in unserer Blase, in der bewegen wir uns.“

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Dass auch der Profifußball trotz aller Hygienekonzepte keine Insel der Seligen ist, haben die vergangenen Tage gezeigt. Die Coronafälle häufen sich. Das Drittligaspiel zwischen dem MSV Duisburg und dem 1. FC Saarbrücken musste abgesagt werden, weil die Duisburger über inzwischen vier Infizierte klagen. Auch bei der deutschen U-21-Nationalmannschaft wurde ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet. Allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz hat er sich offenbar im Kreis der Mannschaft angesteckt. „Seine beiden vorherigen Tests aus den vergangenen vier Tagen waren negativ, weshalb das Ergebnis für uns alle überraschend kam“, sagt U-21-Trainer Stefan Kuntz.

Besonders heftig hat es die ukrainische Nationalmannschaft erwischt. Nationaltrainer Andrej Schewtschenko muss gegen Deutschland auf 14 Spieler verzichten, die verletzt oder infiziert sind. Allein beim Ukrainischen Meister Schachtjor Donezk sind am Donnerstag neun Spieler positiv getestet worden. Beim Test der Ukraine gegen Weltmeister Frankreich (1:7) am Mittwoch saß der 45 Jahre alte Torwarttrainer Alexander Schowkowski auf der Ersatzbank – weil drei Torhüter wegen einer Coronavirus-Infektion fehlten. Für die Partie gegen Deutschland ist nun Nikita Schewtschenko von Sorja Luhansk nachnominiert worden.

Das Auswärtige Amt und das Robert Koch-Institut warnen vor Reisen in die Ukraine, das Land gilt als Risikogebiet. Die Infektionszahlen steigen rasant an, zuletzt gab es mehr als 5800 Neuinfektionen an einem Tag. Trotzdem dürfen am Samstagabend 20.000 Zuschauer ins Olympiastadion von Kiew. „Wir werden alles tun, damit wir da sicher sind“, hat Bundestrainer Löw gesagt. „Aber ausschließen kann man nie etwas, das ist einfach so.“

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Der deutsche Fußball ist im Frühjahr für die schnelle Wiederaufnahme des Spielbetriebs und sein ausgeklügeltes Hygienekonzept ausreichend gelobt worden. Es hat auch deshalb funktioniert, weil es sich um ein geschlossenes System gehandelt hat. Das aber ist inzwischen nicht mehr der Fall. Viele Vereine sorgen sich um ihre Spieler, die mit ihren Nationalmannschaften nun schon zum zweiten Mal seit dem Saisonbeginn im September quer durch Europa oder um die ganze Welt reisen.

Ähnlich wird es sein, wenn in anderthalb Wochen die Spiele im Europapokal beginnen. Auch dann kann von einem geschlossenen System keine Rede mehr sein. Max Eberl, Sportdirektor des Champions-League-Teilnehmers Borussia Mönchengladbach, hat sich daher vor zwei Wochen sehr moderat zu möglichen Länderspielreisen seiner Spieler in die Ukraine geäußert. „Was mache ich denn, wenn in der Champions League Dynamo Kiew als unser Gruppengegner ausgelost wird?“, fragte er. Dynamo Kiew ist es nicht geworden. Borussia Mönchengladbach trifft in der Champions-League-Gruppe auf Inter Mailand, Real Madrid und – Schachtjor Donezk. (mit dpa)

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