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NEBEN Schauplatz: Torres und Ikea in Peking

Die W-Bar in Peking könnte ihre schönsten Plätze im Eingangsbereich anbieten. Hier könnten Tische stehen, hier könnten Besucher aus den Fenstern sehen und sich im Sommer in der Sonne räkeln.

Die W-Bar in Peking könnte ihre schönsten Plätze im Eingangsbereich anbieten. Hier könnten Tische stehen, hier könnten Besucher aus den Fenstern sehen und sich im Sommer in der Sonne räkeln. Stattdessen hat der Besitzer Tische, Stühle und Besucher ins Dunkel des hinteren Barbereichs verbannt, und den besten Platz für einen Einrichtungsgegenstand reserviert, den er offenbar für weitaus wichtiger hält: eine Tischtennisplatte. Normalerweise dreht sich in der W-Bar im Pekinger Unterhaltungsbezirk Sanlitun alles um Tischtennis – und um Schweden. Was daran liegt, dass ihr Besitzer Jan-Ove Waldner heißt und der beste Tischtennisspieler aller Zeiten ist. Doch in diesen Tagen gibt sich auch die Fußball-EM die Ehre. Chris Lee, Jan-Ove Waldners chinesischer Manager, wirbt im Garten der Sportsbar mit EM-Live- Übertragungen, und drückt den Gästen den EM-Spielplan in die Hand. Mit mäßigem Erfolg.

So verlieren sich kurz vor dem Anstoß um Mitternacht Pekinger Ortszeit 15 Besucher in der chinesisch-schwedischen Sportsbar. Peter Olofsson ist der einzige, der ein schwedisches Trikot trägt. „Ich wollte andere Schweden treffen und das Spiel gegen Spanien in einer guten Atmosphäre sehen“, sagt der Student, der erst vor vier Tagen in Peking angekommen ist. Außer ihm sind fünf andere Schweden da. Eine gute Atmosphäre aber ist etwas anderes. Seine Landsleute blicken eher emotionslos auf die Leinwand.

Das 0:1 durch Torres nimmt die chinesisch-schwedische Zuschauergemeinschaft regungslos hin, beim Ausgleich durch Ibrahimovic springt Olofsson begeistert auf. „Ich interessiere mich sonst nicht so sehr für Fußball“, sagt er. Das hätte er gar nicht zu erwähnen brauchen: Zuvor hatte er gefragt, ob Deutschland auch bei der EM dabei sei. Die W-Bar gefällt ihm aber. Sie ist eine Mischung aus Ikea-Möbeln und schwedischem Landhaus, auf der Speisekarte in der Form eines Tischtennisschlägers stehen Svenska Kottbullar med Lingonsylt. Die meisten Zutaten bekommt der chinesische Koch in den westlichen Supermärkten der Stadt. „Heringe und Whiskey kaufen wir bei Ikea“, verrät Chris Lee. Als der Spanier Villa in der 92. Minute das 1:2 erzielt, stöhnen die sechs schwedischen Zuschauer auf. Dann leert sich die Bar schlagartig. Benedikt Voigt

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