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Sport: Nervensache: Zurück an den Ort der schlimmsten Niederlage

Für Lorenz-Günter Köstner ist das bevorstehende Spiel kein besonderes Spiel. Für ihn gibt es keine besonderen Spiele.

Für Lorenz-Günter Köstner ist das bevorstehende Spiel kein besonderes Spiel. Für ihn gibt es keine besonderen Spiele. Knorrig und fränkisch wie er ist, überfährt er alle leisen Anfragen, die in Richtung Spritzigkeit und Witzigkeit gehen, ein wenig klappern und psychologisieren wollen, und mitunter die Pfade des rein Sportlichen verlassen. Aber das Spiel gegen Leverkusen am Sonntag ist nun einmal eines, über das sich trefflich schreiben und senden lässt. "Wir haben jede Woche eine besondere Aufgabe." Ach, der Köstner.

Wie war das doch damals im Mai, als die Hachinger längst gerettet waren? Als Köstner stets davon sprach, wie wenig Interesse er hätte, den benachbarten Bayern beim Titelgewinn zu assistieren, lieber wolle er die Spieler schonen. Und Leverkusen nur noch einen Punkt zur Meisterschaft benötigte, bei eben diesen Hachingern, die - bildlich gesprochen - mit Reisegepäck und Badelatschen zum Spiel erschienen waren. Und dann das Eigentor von Ballack, die nervöse Vorstellung der Bayer-Truppe, undundund. Viele schöne Anekdoten, von denen Köstner nichts wissen will. Für ihn war damals am wichtigsten: "Die Herren Völler, Calmund und Vossen haben mir gratuliert für unsere gute Leistung." Anständig sei das gewesen, und das sei doch sowieso die Hauptsache. Aber mussten denn ein paar seiner Spieler unbedingt bei der Meisterfete der Bayern auftauchen? Berti Vogts, damals noch Privatier, erinnert sich daran - und seine Spieler. "Wir sind erfreut, dass die Unterhachinger damals zur Meisterfeier der Bayern gegangen sind. Das wissen meine Spieler noch genau", sagt der jetzige Leverkusener Trainer.

Diesmal ist Winter in Unterhaching. Der Schnee, der am heutigen Sonnabend fallen soll, wird liegen bleiben bis zum Sonntag. Denn die Unterhachinger Platzwarte sitzen zu Hause und wärmen sich am Kachelofen. "Das ist hier ein Gemeindestadion, die Platzwarte sind Gemeindeangestellte und für die ist am Freitag um 14 Uhr Ende", enthüllte Pressesprecherin Ulla Holthoff eine weitere Skurrilität um den putzigen und stets ungewöhnlichen Vorortverein. So müssen wieder freiwillige Fans gefunden werden, die, "gegen eine Brotzeit", am Sonntagnachmittag auf den Tribünen Schnee schippen.

Zum ersten Mal betreten die Bayer-Kicker wieder den Ort ihrer schlimmsten Niederlage, diesmal ohne Christoph Daum, aber das ist eine andere Geschichte. Mit dem neuen Trainerteam-Leiter Vogts hat Köstner noch in Mönchengladbach zusammengespielt, damals in den Siebzigern. Daum war noch dabei, als die Unterhachinger zum ersten Treffen "danach" im September in Leverkusen antraten. "Da wurde getreten, gekratzt und gebissen. Leverkusen war total heiß, die wollten uns in Grund und Boden schießen", erinnert sich Mittelfeldspieler Danny Schwarz. Mit neuem Trainer und in winterlicher Umgebung wird es sicherlich nicht so heißblütig zugehen. Aber interessant ist es allemal, wenn die Versager den Ort der Schmach wiedersehen. Auch wenn Eigentorschütze Michael Ballack wegen einer Sperre nicht dabei sein wird. Ein Tor übrigens, für das Köstner wieder eine rein sportliche Erklärung findet. "Wir haben Ballack zu diesem Eigentor gezwungen, weil wir ihn unter Druck gesetzt haben." Aber wer erinnert sich noch an Altin Rraklli, der hinter Ballack gestanden haben soll? Köstner schon.

Detlef Dresslein

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