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Sport: Neu am Start

Nach dem Frust von Athen soll ein Leistungstrainer die Leichtathletik retten

Berlin - Das soll ein Retter der deutschen Leichtathletik sein? 59 Jahre alt, Cheftrainer im Bayerischen Leichtathletik-Verband und seit Ende der 80er Jahre nicht mehr zuständig für deutsche Spitzenathleten? Hätte Jürgen Mallow beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) einfach nur seinen Lebenslauf eingeschickt, würde er sicher nicht in diesen Tagen einen Anstellungsvertrag als neuer Bundestrainer Leistungsförderung unterschreiben. Nach dem schwachen Abschneiden der Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Athen hätte es schon ein Trainer aus dem Ausland sein können oder mindestens ein Deutscher, der lange im Ausland gearbeitet hat.

Doch es ist nicht so, dass Frank Hensel, der Sportdirektor des DLV, erst einige Absagen bekommen hat und am Ende nur noch Mallow übrig blieb. Seit der WM 2003 in Paris haben sich Hensel und Mallow intensiv ausgetauscht. Sie haben offenbar ähnliche Vorstellungen, wohin sich die deutsche Leichtathletik entwickeln soll. Deshalb wird Mallow bald ein Büro beim DLV in Darmstadt beziehen und – wenn auch unter anderem Titel – Nachfolger des zurückgetretenen Cheftrainers Bernd Schubert. Die Entscheidung des DLV für Mallow ist auf jeden Fall die Entscheidung für eine tiefgründige Analyse der deutschen Misere.

Mallow will sich nicht auf ein oder zwei Ursachen festlegen, warum die deutschen Athleten aus Athen nur mit zwei Silbermedaillen zurückgekommen sind. „Das wäre zu simpel.“ Er will sich damit wehren gegen die Reflexe, die nach den Enttäuschungen aufkamen. „Manche haben gesagt, man müsse die Athleten an einem Ort konzentrieren, andere wollten mehr dezentralisieren. Und wieder andere wollen das DDR-Sportsystem wieder aufleben lassen. Aber man muss differenziert herangehen“, sagt Mallow.

Am DDR-Sport möchte er sich nicht orientieren. Dabei schien es, als hätten die Nachwirkungen der DDR-Leistungssporterziehung in den Kinder- und Jugendsportschulen die deutsche Leichtathletik noch in der Weltspitze gehalten und als sei sie abgestürzt, weil dieser Bonus aufgebraucht ist. „Das DDR-Sportsystem ist in diesem Staat nicht bezahlbar“, sagt Mallow. Man könne auch nicht einfach einen Teil herausnehmen, weil das DDR-Sportsystem nur als Ganzes funktioniert habe.

Als die Mauer fiel, war Mallow gerade leitender Landestrainer in West-Berlin. Er hat dabei viele Einblicke in den DDR-Sport gewonnen. Sein größter Erfolg liegt noch etwas länger zurück. 1983 wurde der von ihm trainierte Patriz Ilg in Helsinki Weltmeister über 3000 Meter Hindernis. Mallow zweifelt nicht daran, dass er dem DLV helfen kann: „Ich kann gut zuhören, gut analysieren, Menschen gut einbinden, und ich kenne mich aus im Leistungssport, vom Dorfverein bis zum Spitzenklub.“

Immerhin nennt Mallow schon grobe Ansätze, mit denen er der deutschen Leichtathletik auf die Sprünge helfen möchte. „Ich will viel mit jungen Athleten sprechen, die gerade aus dem Juniorenalter herauswachsen. Denn wir müssen uns fragen, warum so wenige von ihnen den Durchbruch schaffen.“ Mallow möchte die Wertschätzung für Juniorentitel etwas reduzieren, damit die jungen Athleten sich nicht zu früh verbrauchen und noch Reserven haben für spätere Erfolge. Auch auf eine Ausbildung oder ein Studium sollen die Athleten nicht verzichten. „Hochleistungssport und die Absicherung eines künftigen Lebens sind gut zu vereinbaren“, sagt Mallow. So zeigt seine Berufung zum Bundestrainer, wie der DLV die Krise bewältigen will: mit einem ganzheitlichen Ansatz.

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