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Premiere in Sotschi. Erstmals werden bei Olympia Medaillen im Slopestyle vergeben.

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Neue Disziplinen in Sotschi: Olympia wird weiblicher und riskanter

In Sotschi gibt es zwölf neue olympische Disziplinen. Neben zusätzlichen Teamwettbewerben stehen auch mehr Freestyle-Wettbewerbe auf dem Programm. Das IOC will damit ein jüngeres Publikum erreichen.

Neulich hat es mal wieder einen Rückschlag für alle skispringenden Frauen gegeben. Der Trainer der russischen Skispringer, der Männer wohlgemerkt, machte in einem Interview mit der Zeitung „Iswestija“ nicht einmal den Versuch, genderpolitisch korrekte Aussagen zu tätigen. „Ich muss zugeben, ich bin kein Fan des Frauen-Skispringens“, sagte Alexander Arefiew moderat, dann polterte er los. „Wenn ich eine Tochter hätte, ich würde sie niemals springen lassen – die Arbeit ist einfach zu hart“, sagte er, „Frauen haben eine andere Bestimmung: Kinder kriegen, im Haus arbeiten, Herd und Heim in Ordnung halten.“

Doch der Lauf der Zeit spricht gegen Männer wie Alexander Arefiew. Bei den am Freitag beginnenden Winterspielen von Sotschi erhalten die skispringenden Frauen auch die letzte sportliche Anerkennung, die ihnen noch gefehlt hat. Am Dienstag wird ihre harte Arbeit erstmals mit einer olympischen Goldmedaille belohnt werden. Der Wettbewerb auf der Normalschanze im Russki-Gorki-Sprungzentrum bildet den Schlusspunkt eines seit Jahren geführten und letztlich erfolgreichen Kampfes der Skispringerinnen um Gleichberechtigung und gegen die Alexander Arefiews dieser Welt. Andere Frauen hatten es da leichter.

Von den insgesamt zwölf neuen Goldmedaillen in Sotschi entfallen acht auf Männer und Frauen, die sich in den Trendsportarten Freestyle-Skifahren und Snowboard betätigen. Diese Neuaufnahmen ins olympische Programm spiegeln die Bemühungen des Internationalen Olympischen Komitees  wider, den Spielen ein moderneres Image zu geben und ein jüngeres Publikum anzusprechen. In Vancouver war aus demselben Grund Skicross eingeführt worden. Mit diesen Sportarten zog auch das fernsehtaugliche, musikunterlegte und risikoreiche Spektakel bei den Winterspielen ein. Die übrigen drei neuen Mixed-Wettbewerbe (Biathlon, Rodeln, Eiskunstlaufen) in Sotschi geben den Trend zu geschlechterübergreifenden Wettbewerben wieder.

Die Freestyler küren gleich vier neue Olympiasieger.
Die Freestyler küren gleich vier neue Olympiasieger.

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Für den neuen Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) liegt auf den neuen Disziplinen ein großer Schwerpunkt. „Diese Bilanz werde ich separat zum offiziellen Medaillenspiegel für mich führen – und zwar Tag für Tag“, sagte Alfons Hörmann. Sie zeigt, ob die deutschen Wintersportverbände aus Vancouver 2010 gelernt haben. Der damalige DOSB-Präsident Thomas Bach musste seinerzeit einen erheblichen Rückstand deutscher Athleten in den modernen Sportarten konstatieren. Nun wird sich zeigen, ob der deutsche Sport aufgeholt hat. „Den Spiegel müssen wir uns schon jetzt selbstkritisch vor das Gesicht halten“, sagte Alfons Hörmann.

Geschlechterübergreifend. Erstmals werden u. a. im Biathlon Medaillen in einer Mixed-Staffel vergeben.
Geschlechterübergreifend. Erstmals werden u. a. im Biathlon Medaillen in einer Mixed-Staffel vergeben.

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Im Snowboard ist durchaus etwas passiert, das belegt nicht nur die Umbenennung des Snowboard Verband Deutschland (SVD) in „Snowboard Germany“. „Wir fühlen uns im Deutschen Olympischen Sportbund gut angenommen“, sagt Snowboard-Verbandspräsident Hanns Michael Hölz. Der Verband verfügt über einen Gesamtetat von 1,3 Millionen Euro, die größtenteils vom Bundesministerium des Innern (BMI) sowie vom Deutschen Olympischen Sportbund bereitgestellt werden. Diese Summe reicht laut Verbandspräsident zurzeit zwar aus – doch zum Beispiel Kanada stellt seinen Snowboardern das Dreifache zur Verfügung.

Skispringen ist nun auch weiblich.
Skispringen ist nun auch weiblich.

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„Wir hoffen, dass uns gute Ergebnisse in Sotschi finanztechnisch weiterhelfen werden“, sagt Hölz, „damit könnten wir zum Beispiel die Anzahl der Trainer und Betreuer steigern.“ Auch fehlt es weiterhin in Deutschland an einer Halfpipe und einer Slopestyle-Strecke. „Wir müssen derzeit immer viel Geld aufwenden, um in Österreich oder der Schweiz zu trainieren“, sagt der Verbandschef.

Die deutschen Ski-Freestyler, die erstmals zehn olympische Disziplinen austragen, sind nicht so zufrieden. „Die Förderung ist ausbaufähig“, sagt Helmut Herdt, Sportlicher Leiter Freestyle im Deutschen Skiverband. Die deutschen Freestyler streben in Sotschi nur eine Medaille an, die Snowboarder hingegen wollen das letzte WM-Ergebnis wiederholen und drei Medaillen feiern. Die sind auch die wichtigste Währung, um einer Sportart zu einem Popularitätsschub zu verhelfen.

Sogar Alexander Arefiew vergisst bei der Aussicht auf eine Medaille seine Vorurteile über das Frauen-Skispringen. Über die russische Mitfavoritin Irina Awwakumowa sagt der Macho-Skisprungtrainer: „Sie ist großartig und verdient eine Menge Respekt.“

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