zum Hauptinhalt

Neue Enthüllungen über WM-Vergabe an Katar: Wüste Bestechung

Über die Umstände der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar sind brisante Fakten aufgetaucht. Was ist neu an den Enthüllungen – und kann das noch dazu führen, dass Katar die WM wieder verliert?

Funktionäre von Fußballverbänden und britische Politiker reagierten sofort – und forderten am Sonntag eine Neuabstimmung über die Vergabe der Fußball-WM 2022. Zuvor hatte die „Sunday Times“ umfangreiche weitere Beweise über Hintergründe der Bewerbung und die Rolle von Bestechungsgeldern in Höhe von fünf Millionen Dollar vorgelegt. Im Mittelpunkt der Dokumente steht der ehemaliger katarische Fifa-Spitzenfunktionär Mohammed bin Hammam. Er war Tausenden von E-Mails und anderen Dokumenten zufolge der Organisator der katarischen Bestechungskampagne. Bin Hammam hatte sich 2011 für die Nachfolge von Sepp Blatter als Fifa-Chef beworben. Bestechungsvorwürfe zwangen ihn zum Rückzug, wodurch die Wiederwahl Blatters begünstigt wurde.

Die „Sunday Times“ hatte bereits vor der umstrittenen Vergabe der WM 2022 Beweise von Schmiergeldzahlungen und finanziellen Dunkelgeschäften vorgelegt, in deren Mittelpunkt unter anderem der Chef der südamerikanischen Fußballföderation Jack Warner stand. Er allein soll nach neuen Erkenntnissen von Mohammed bin Hammam vor und nach der Abstimmung 1,6 Millionen Dollar erhalten haben, teilweise zur Weitergabe an andere südamerikanische Fifa-Funktionäre. Am Sonntag forderte die „Sunday Times“ den Rücktritt von Fifa-Chef Blatter.

Chef-Ermittler will Katar-Bewerbungsteam befragen

Unter denen, die sich für eine erneute Abstimmung über die WM 2022 aussprachen, war auch Fifa-Vizepräsident Jim Boyce. „Ich hätte kein Problem, eine erneute Abstimmung zu unterstützen“, sagte er der BBC. Allerdings will Boyce dies vom offiziellen Bericht des Fifa-Chef-Ermittlers Michael Garcia abhängig machen. Garcia will laut „Sunday Times“ in Kürze das Team befragen, das damals die Bewerbung Katars betrieb. Dieses Team hatte sich schnell von bin Hammam distanziert, als 2011 zum ersten Mal Bestechungsvorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Die britische Zeitung hat nun offenbar Beweise, dass bin Hammam nicht auf eigene Initiative handelte.

Seit der Entscheidung 2010 wird immer wieder darüber diskutiert, wie eine WM in dem heißen Land ohne nennenswerte Fußballtradition überhaupt möglich sein soll. Blatter selbst gab kürzlich zu, die Vergabe an Katar sei „ein Fehler“ gewesen – allerdings nur bezogen auf die klimatischen Bedingungen. Viele Berichte haben skandalöse Zustände aufgedeckt, unter denen Wander- und Gastarbeiter aus Asien die WM-Spielstätten errichten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der am Sonntag in Katar eine viertägige Reise durch den Nahen Osten und die Golfregion beendete, twitterte am Nachmittag: „Katar hat Entscheidungen zur Verbesserung der Arbeitsbed. für ausl. Arbeitnehmer gefällt. Kann nur bestärken, Weg weiterzugehen.“ Auf die neuen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe ging er nicht ein.

Zwanziger: "Die Sache drängt"

Eine Neuabstimmung über die Vergabe forderte auch der Vorsitzende des Sportausschusses im britischen Unterhaus, John Whittingdale. „Das Versagen von Blatter in den letzten Jahren, diese Vorwürfe ernst zu nehmen, stellen seine Position infrage. Sind die Vorwürfe korrekt, muss die Frage des WM-Gastlandes 2022 neu entschieden werden.“ Der britische Ex-Nationalspieler und Sportjournalist Gary Lineker forderte eine Vergabe der WM 2022 an Australien. „Da die WM 2018 in Europa ist, bleibt Australien für 2022 der beste Kandidat.“ Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger zeigte sich beunruhigt über die Vorwürfe. Die Sache „drängt“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Spätestens nach der WM in Brasilien erwarte die Öffentlichkeit Aufklärung, „damit wir uns endlich von den vielen Spekulationen befreien können.“ Zwanziger sitzt im Fifa-Exekutivkomitee.

Laut „Sunday Times“ nutzte Mohammed bin Hammam zehn Schmiergeldfonds, um die Präsidenten von 30 afrikanischen Fußballverbänden mit jeweils 200 000 Dollar dazu zu bewegen, die Stimmen der vier afrikanischen Mitglieder im Fifa-Exekutivausschuss zu beeinflussen. Die Zeitung will aus Tausenden von E-Mails auch Beweise herausgefiltert haben, dass unter anderem das bereits der Korruption überführte ehemalige Mitglied des Fifa-Exekutivausschusses für Ozeanien, Reynald Temarii, 305 000 Euro erhielt, um Rechtsbeistände und Privatdetektive zu bezahlen. Ein anderer inkriminierter Funktionär ist der Präsident der afrikanischen Fußballkonföderation (CAF), Issa Hayatou, der in Katar luxuriös bewirtet wurde. Kurz danach entschied Katar, den Jahreskongress der CAF mit einer Million Dollar zu sponsern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false