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Sport: Neue Leidenschaft

Vor dem Spiel gegen Deutschland präsentiert sich Russlands Fußball erstarkt

Der 18. Mai hat den russischen Fußball verändert. Als an jenem Tag ZSKA Moskau im Finale des Uefa-Cups 3:1 gegen Sporting Lissabon gewonnen hatte, brachte die Mannschaft nicht nur zum ersten Mal einen Europapokal mit zurück nach Russland, sondern auch ein längst verloren geglaubtes Gefühl: Leidenschaft. Diese soll auch die deutsche Nationalelf zu spüren bekommen, wenn sie am Mittwoch in Mönchengladbach gegen Russland antritt.

Der 18. Mai hat den Fußball, und vor allem den einstigen Armeeklub ZSKA, zurückgebracht in die Herzen der Russen. Das Moskauer Derby zwischen ZSKA und Spartak (3:1) lockte daraufhin 66 500 Zuschauer ins Luschniki-Stadion – ein neuer Liga-Rekord. Die Mannschaft von ZSKA wurde sogar von Präsident Putin empfangen, der zuvor nur wenig Interesse am Fußball zeigte. Die Medien berichten täglich über ihren neuen Helden Walerij Gassaew. Der Trainer von ZSKA setzte die Ölmilliarden von Roman Abramowitsch, der sich nach dem FC Chelsea auch in seiner Heimat einen Klub leistete, geschickt ein und formte eine spielstarke Mannschaft, der aufgrund ihres Durchschnittsalters von 22 Jahren eine große Zukunft bevorsteht. Davon will auch der neue Nationaltrainer Juri Sjomin profitieren: Gleich sechs ZSKA-Spieler stehen im Aufgebot für das Spiel gegen Deutschland. „Die Fußball-Welt soll uns wieder fürchten“, sagt Sjomin. „Der Triumph von ZSKA hat gezeigt, dass bei uns wieder Spieler auf Weltniveau heranwachsen.“

Wie Sjomin hoffen die meisten Russen, dass der Erfolg von ZSKA auch dem Nationalteam Impulse gibt. Denn das hat seine Fans in den letzten Jahren oft bitter enttäuscht. Seit dem Olympiasieg 1988 hatten die Anhänger viele Niederlagen ihrer Stars zu verkraften. Die letzten peinlichen Vorstellungen, etwa die 1:7-Niederlage gegen Portugal und das 1:1 gegen Estland in der WM-Qualifikation, führten zur Entlassung von Georgi Jarzew.

Jarzew war nur ein weiterer Trainer, der an der Aufgabe scheiterte, aus talentierten russischen Spielern eine erfolgreiche russische Nationalelf zu formen. Als letzter verbliebener Top- Trainer des Landes darf sich nun Juri Sjomin versuchen, unter dessen Regie Lokomotive Moskau zu einem Spitzenklub aufstieg.

Offensichtlich hat Sjomin mehr Erfolg als seine Vorgänger. Das russische Nationalteam reist nach einem wichtigen 2:0-Sieg über Lettland in der WM-Qualifikation selbstbewusst nach Deutschland. Vor allem die Stürmer Alexander Kerschakow und Andrej Arschawin konnten am Sonnabend mit tollen Aktionen begeistern. Durch diesen Erfolg hat Russland als Dritter der Qualifikationsgruppe 3 seine Chancen auf die WM-Teilnahme gewahrt. Das Länderspiel in Mönchengladbach wird für das Team zu einem wichtigen Test für die bevorstehenden Endspiele in der Qualifikation.

Die wiedererlangte Leidenschaft der russischen Fußballer hat aber nicht nur etwas mit den Motivationskünsten Juri Sjomins zu tun. Für eine erfolgreiche WM-Qualifikation hat der Verband eine Sonderprämie ausgelobt. Unmittelbar vor dem Spiel gegen Lettland verkündete Verbandspräsident Witalij Mutko, dass er einen neuen Sponsor für das Nationalteam gewinnen konnte, und zwar den Öl-Konzern Nafta-Moskau. Die Mannschaftsprämie für das Erreichen der WM- Endrunde stieg durch die erfolgreiche Akquisition von 1,2 Millionen US-Dollar auf 3 Millionen US-Dollar. Die neuen finanziellen Anreize sind durchaus ein wichtiges Zeichen für die russischen Nationalspieler, wenn man bedenkt, dass die Prämien früher immer wieder zu den Streitigkeiten zwischen Funktionären und Spielern geführt haben. Es bestehen nun berechtigte Hoffnungen, dass die Topstars ihr Potenzial künftig nicht nur in ihren Vereinen, sondern auch in der Nationalelf abrufen können.

Dmitri Grebenschikow[Moskau]

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