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Immer weiter. Görges will sich mit dem Achtelfinale nicht zufrieden geben. Foto: dpa

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Sport: Neue Reife

Angelique Kerber und Julia Görges zeigen bei den Australian Open, dass sie nun mental stärker sind.

Melbourne - Die Versuchung war groß für Angelique Kerber, in dieses verführerische Tortenkunstwerk aus glasierter Schokolade einfach hineinzubeißen und es sofort aufzuessen. Schließlich hatte sie sich eine Belohnung verdient nach ihrem ersten Achtelfinaleinzug bei den Australian Open, und ihr 25. Geburtstag war es obendrein. Kerber nahm das Geschenk des Fernsehsenders in der Rod-Laver-Arena dankend an, und sagte augenzwinkernd: „Lieber für später.“

Die 10 000 Zuschauer auf den Rängen sangen „Happy Birthday“ für sie, Kerber war gerührt. „Ich hatte Gänsehaut“, sagte sie, „und ich habe noch nie an meinem Geburtstag gewonnen.“ Sie pustete die Kerze auf ihrer Torte aus, doch was sie sich wünschte, verriet sie nicht. Es sollte sich ja erfüllen. Aber sehr viel mehr, als sie an diesem Tag schon bekommen hatte, konnte sich Kerber eigentlich kaum wünschen. Es war ein sehr guter Tag für die deutschen Damen gewesen, denn nicht nur sie war nach dem 6:2 und 7:5 gegen Madison Keys ins Achtelfinale eingezogen, Julia Görges folgte ihr durch ihren kämpferischen 6:3, 1:6, 7:5-Sieg über die Chinesin Jie Zheng. „Das deutsche Tennis ist wieder da“, jubelte Kerber. Eine Last schien von ihr abgefallen zu sein. Die hohen Erwartungen von außen, der Druck, den sie sich selbst machte, hatte sie sichtlich nervös gemacht.

„Ich kann jetzt nur noch gewinnen“, sagte Kerber und strahlte, „der Druck ist jetzt nur noch positiv.“ Nie war sie in Melbourne über die dritte Runde hinausgekommen, das wollte Kerber nun unbedingt schaffen. Umso angespannter wirkte sie gegen Madison Keys. Die 17-jährige Amerikanerin gilt als das größte junge Talent im Damentennis, und sie machte Kerber mit ihren brachialen Schlägen von der Grundlinie das Leben vor allem im zweiten Satz schwer. „Die schlägt so hart wie die Topspielerinnen“, musste die Kielerin anerkennen und war froh, im Winter so viel an ihrer Fitness gearbeitet zu haben. Keys hämmerte Unmengen an Winnern, aber eben auch Fehlern in Richtung Kerber, die am Ende ihre Erfahrung ausspielte. Kerber ist in den letzten Monaten taktisch und mental reifer geworden, so leicht verliert sie auf dem Platz nicht mehr die Nerven, auch wenn Keys sie ganz schön genervt hatte. Kerber ist spielerisch bei den Großen angekommen, doch für die Weltranglisten-Fünfte bleibt der Aufschlag – besonders der zweite – ihr Schwachpunkt. Im nächsten Match gegen Jekaterina Makarowa darf sie da nicht wackeln. „Dass sie auch Linkshänderin ist, macht es noch schwieriger“, sagte Kerber.

Aber brenzlige Situationen hat sie in den letzten Monaten immer öfter gemeistert, wie auch Julia Görges. Vor einem Jahr hätte die Nummer 18 der Welt diese Partie gegen Zheng wohl noch verloren. Beide spielten auf sehr hohem Niveau. Dann kippte das Match. Im dritten Satz lag Görges schon mit dem Break hinten, als sie sich weiter steigerte, den Ausgleich zum 5:5 schaffte und Zheng einknickte. Vor einem Jahr stand Görges auch im Achtelfinale von Melbourne. Aber damals gab sie sich dort so lustlos, dass es vernichtende Kritik von allen Seiten hagelte. Seither ist Görges ungemein konsequent und konstant in ihrem Spiel geworden, auch Görges ist gereift. „Ich habe Blut geleckt“, sagte sie, „jetzt könnte es auch mal weitergehen.“ Weiter als das Achtelfinale bei einem Grand Slam, das war schon lange von ihr erwartet worden. Nun scheint Görges bereit zu sein. Mit der Chinesin Li Na wartet jedoch ein harter Brocken. „Jetzt geht es um alles“, sagte Görges. Und die deutschen Frauen mischen dabei kräftig mit.Petra Philippsen

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