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Neuer Bundesliga-Trend: Trainerentlassungen mit Sperrfrist

Louis van Gaal beim FC Bayern, Felix Magath bei Schalke 04 und Armin Veh beim Hamburger SV – alle verlieren am Saisonende ihren Trainerjob. Was steckt dahinter?

Die Fußball-Bundesliga hat einen neuen Trend entdeckt: der Trainerabschied mit Sperrfrist (wird erst am Saisonende wirksam). Innerhalb von drei Tagen traf es drei Trainer. Nach Louis van Gaal bei den Bayern, Armin Veh beim Hamburger SV weiß nach Medienberichten nun auch Felix Magath, dass er im Sommer seinen Job bei Schalke 04 los ist. Bis dahin aber sollen alle drei noch dem Wohle ihrer Arbeitgeber dienen.

Was haben die drei gemeinsam?

Die Gewissheit, bald arbeitslos zu sein. Davon abgesehen unterscheidet sich der Fall Veh sehr deutlich von dem seiner beiden Kollegen. Er selbst hat den Entschluss gefasst, im Sommer aufzuhören – weil er die Wertschätzung der Klubführung für seine Person sehr realistisch eingeschätzt hat. In den langfristigen Planungen des HSV hat Veh ohnehin nie eine Rolle gespielt. Anders als van Gaal und Magath, auf die bei ihren Vereinen die komplette strategische Planung ausgerichtet war, in Schalke sogar noch ein bisschen mehr als bei den Bayern. Die Schalker haben sich Magath regelrecht ausgeliefert – um dann nach anderthalb Jahren mit Schrecken festzustellen, dass der Klub Magath ausgeliefert ist. Selbst das wäre noch zu ertragen, wenn der allmächtige Magath wenigstens erfolgreich wäre. Genauso ist es bei van Gaal, dessen Ego dem des Schalker Kollegen in nichts nachsteht. Vor allem ihr Alphatiergehabe hat Magath und van Gaal bei den anderen Alphatieren ihrer Klubs unbeliebt gemacht. Als Schutz gegen verletzte Eitelkeit helfen eben nur Titel.

Ist das englische Modell – Trainer und Manager in Personalunion – gescheitert?

Nein, das englische Modell ist schon deshalb nicht gescheitert, weil Alex Ferguson im November ein bemerkenswertes Jubiläum wird feiern können. Ein Vierteljahrhundert arbeitet er dann in Personalunion als Trainer und Manager bei Manchester United. Und in Deutschland kann dieses Modell schon deshalb nicht gescheitert sein, weil es gar nicht existiert hat. Es hat lediglich das Modell Magath gegeben, das nachträglich als Übernahme des englischen Vorbilds verbrämt wurde. Dass Magath beim VfL Wolfsburg alles alleine entschieden hat, lag zum einen in seiner Persönlichkeitsstruktur begründet und zum anderen in der Struktur des VfL Wolfsburg, der von der Sehnsucht nach schnellen Erfolgen ebenso geprägt war wie von mangelnder fußballerischer Fachkenntnis auf seiner Führungsebene. In diesem Machtvakuum hat der Machtmensch Magath sich nur zu gerne breitgemacht. Dass das Modell ohne ihn nicht funktioniert, haben die Wolfsburger sehr schnell nach seinem Abschied erfahren. Magaths Nachfolger Armin Veh war mit der Machtfülle schlicht überfordert. Schon nach wenigen Wochen wünschte er sich einen Manager an seine Seite. Die Installierung von Dieter Hoeneß rettete ihn trotzdem nicht vor einer schnellen Entlassung.

Hat der Trainertyp Schleifer ausgedient?

Der Fußball besitzt einen Hang zu ständig wechselnden Moden: Was heute en vogue ist, gilt morgen schon als schrecklich altbacken. Der aktuelle Trend ist immer der, der gerade erfolgreich ist. Die Methoden von Magath zum Beispiel gelten seit ewigen Zeiten als überholt, haben aber noch vor anderthalb Jahren dazu geführt, dass Wolfsburg sich den Meistertitel gesichert hat – auch dank der überragenden körperlichen Verfassung der Mannschaft, die in der Rückrunde von Platz neun an die Spitze stürmte. Mal sind junge Trainer das Nonplusultra, dann wieder die erfahrenen, mal die strengen und kurz darauf die verständigen. Vermutlich wird in Kürze ein neuer Jugendtrend auf den Trainerbänken ausgerufen mit Thomas Tuchel aus Mainz, dem Dortmunder Berufsjugendlichen Jürgen Klopp und dem ewigen Kölner Jugendtrainer Frank Schaefer. Nur, wie passt der fast 66 Jahre alte Jupp Heynckes in diese Reihe, der gerade von Leverkusen und den Bayern umworben wird? So ist das im Fußball: Mancher Trend geht schneller, als er gekommen ist. Schon vor sechs Jahren hat „Der Spiegel“ den „Aufbruch in die Moderne“ auf den Trainerbänken entdeckt und als Vorreiter des Konzeptfußballs unter anderem Thomas Doll und Uwe Rapolder gefeiert. Doll musste sich zuletzt in der Türkei verdingen, Rapolder wurde vor einer Woche beim Zweitligisten Karlsruhe entlassen – nach gerade drei Monaten im Amt.

Kann man mit einem Trainer auf Abruf eine Saison noch retten?

Man kann. Huub Stevens wurde 2002 mit Schalke Pokalsieger, obwohl sein Wechsel zu Hertha BSC schon ein halbes Jahr feststand. Auch Jupp Heynckes hat die Vorbehalte gegen eine Lame Duck, eine lahme Ente auf der Trainerbank, eindrucksvoll widerlegt. Im März 1987 verkündete er, dass er nach acht Jahren bei Borussia Mönchengladbach zu Bayern München wechseln werde. Die Gladbacher hatten bis dahin eine bescheidene Saison gespielt, gewannen aber die letzten zehn Spiele unter Heynckes – und rückten von Platz elf auf Platz drei vor. „Wir wollten uns als Mannschaft nichts nachsagen lassen“, sagt Christian Hochstätter, der damals im Gladbacher Mittelfeld spielte. „Das ist eine Charakterfrage.“

Besonders spannend wird diese Charakterfrage bei den Hamburgern, wobei man darüber streiten kann, ob sich ihre Saison überhaupt noch retten lässt, wenn es darum geht, ob sie Siebter oder Zwölfter werden. Die Bayern stehen vor einer ungleich größeren Herausforderung. Ein Titel – in der Champions League – bleibt ihnen noch, aber sie dürfen die Bundesliga nicht aus dem Blick verlieren, solange noch die Chance besteht, Dritter zu werden und sich erneut für die Champions League zu qualifizieren. Nie war das wichtiger: Im Mai 2012 wird das Champions-League-Finale in Bayerns Stadion ausgetragen. Für Schalke stellt sich die Situation recht komfortabel dar: Die Mannschaft braucht noch drei Siege (aus zehn Spielen), um die Saison zu retten: zwei in der Bundesliga, die wohl reichen, um nicht abzusteigen, und einen im Pokalfinale gegen den Zweitligisten Duisburg.

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