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Lucien Favre, der künftige Trainer von Borussia Dortmund

© dpa/Oliver Mehlis

Neuer Trainer von Borussia Dortmund: Lucien Favre: Genie mit Seelenruhe

Borussia Dortmund holt Trainer Lucien Favre zurück in die Bundesliga. Seit seinem Weggang hat sich der Trainer verändert. „Wie ein Verrückter“ arbeitet er aber noch immer.

Zum Schluss ging dann alles schnell. Noch in Lyon, Minuten nach dem letzten Saisonspiel in der Ligue 1, verabschiedete sich Lucien Favre von Nizza, seiner sportlichen Heimat für zwei bewegende Jahre. Das kam so überraschend nicht, aber der Fußballlehrer Lucien Favre mag keine halben Sachen.

Alles sollte erst zu einem guten Ende gebracht werden, und bis zuletzt war da ja die große Chance, Nizza noch einmal in die Europa League zu führen. Eine Mannschaft der Namenlosen plus Mario Balotelli, das große ungezogene Kind des internationalen Fußballs. „Ich habe bis zum Schluss mein Bestes gegeben“, sagt Favre, und niemand sollte denken, er hecke schon Pläne für seine deutsche Zukunft aus, wo doch die französische Vergangenheit noch Gegenwart ist.

Jetzt also Borussia Dortmund. Für erst einmal zwei Jahre, so lange läuft der schon seit längerem ausgehandelte Vertrag, den beide Seiten erst am Dienstag bestätigen mochten. Erst Dortmund, dann Favre.

Der BVB wird einen anderen Lucien Favre kennenlernen. Einen, der immer noch hochkonzentriert an jedem Detail arbeitet, „comme un fou“, wie ein Verrückter. So sagt er es von sich selbst. Dortmund bekommt auch einen Trainer, der tiefer in sich ruht, als das bei seinen vorherigen Bundesliga-Engagements der Fall zu sein schien. In Mönchengladbach und Berlin ist er in der öffentlichen Wahrnehmung trotz aller Erfolge oft auf sein Zaudern reduziert worden, auf seine Ungeduld und seinen Fatalismus in Phasen sportlicher Baisse. Favre galt als verrücktes Genie, als nicht stressresistent, überfordert mit den Mühen der Etappe.

Dortmund ist für Favre eine besondere Herausforderung

Dieses Stigma wurde ihm damals nicht gerecht, in Nizza hat er nicht mal mehr den Anschein der nur bedingten Belastbarkeit erweckt. Er ist jetzt 60 Jahre alt und zweifacher Großvater, auch das hat zur inneren Ausbalancierung beigetragen. Als seine im Vergleich zur Vorsaison dramatisch schlechter besetzte Mannschaft im vergangenen Herbst kurzzeitig auf einem Abstiegsplatz stand, arbeitete Favre in aller Seelenruhe weiter, als würde er gerade das Programm für die Saisonvorbereitung zusammenstellen. „Ich weiß, was ich kann, und ich weiß, was mit dieser Mannschaft zu erreichen ist“, hat er gesagt. Und schnell die Wende geschafft.

Es ist dann nichts geworden mit der Europa League, trotz eines ansprechenden Spiels am Samstag in Lyon. Aber es ging eben auch gegen eine Mannschaft, die sich direkt für die Champions League qualifizierte. Mit Spielern wie Nebil Fekir, der jetzt zum FC Liverpool wechselt. Oder Memphis Depay, der alle drei Tore für Lyon beim 3:2 über Nizza schoss. Der Niederländer kam vor einem Jahr für 16 Millionen Euro Ablöse von Manchester United. Für so viel Geld hat Favre in seinen beiden französischen Jahren zusammen nicht einkaufen dürfen.

Im Nachhinein darf Favre froh sein

Auch deshalb ist Dortmund eine besondere Herausforderung. Er arbeitet jetzt zum ersten Mal für einen Verein, der richtig investiert und sich nicht das beste Personal wegkaufen lassen muss. Zweimal schon war Lucien Favre beim BVB im Gespräch. Zuerst, als Jürgen Klopp im Frühjahr 2015 seinen Abschied bekannt gab, aber da stand er noch bei der anderen Borussia aus Mönchengladbach im Wort. Und dann im vergangenen Jahr, nach den Tumulten um Thomas Tuchel, aber da war der BVB zu spät dran und wurde sich nicht mit Nizzas Präsidium einig.

Im Nachhinein darf Favre froh sein, dass aus dem Wechsel nichts wurde. Ein Abschied nach gerade einem Jahr an der Côte d’Azur wäre ihm als Sprunghaftigkeit ausgelegt worden, als mangelnde Bereitschaft ein gerade begonnenes Projekt fortzuführen. Jetzt kann sich seine Bilanz sehen lassen. Lucien Favre hat Mario Balotelli nachhaltig domestiziert und eine bestenfalls mittelmäßige Mannschaft auf höchstem Niveau konkurrenzfähig gemacht.

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