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Sport: Neues von „IM Torsten“

Ingo Steuer lieferte der Stasi eifrig Informationen

Berlin - Ingo Steuer ist gestern nach München gefahren, der 39-Jährige hatte einen hochoffiziellen Termin. In München ist er für die Olympischen Winterspiele in Turin eingekleidet worden, der Eiskunstlauf-Trainer Steuer gehört schließlich zum Olympiateam. Noch jedenfalls. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) freilich will vor Gericht verhindern, dass der Betreuer der EM-Zweiten Robin Szolkowy und Aljona Sawtschenko in Turin offiziell an der Bande steht.

Denn Ingo Steuer, Stützpunkttrainer in Chemnitz, war vier Jahre lang auch „IM Torsten“, Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. „Ich habe keinem geschadet“, hat er gesagt. Aber seine Stasi-Akte zeigt, dass er nicht bloß Belanglosigkeiten weitergeben hat. Am 25. Januar 1985 unterschrieb Steuer in Karl-Marx-Stadt eine Verpflichtungserklärung, damals war er gerade 18 Jahre alt. Handschriftlich notierte er, dass er „jegliche feindliche Aktivitäten und Hinweise auf Verratshandlungen von Sportreisekadern (...) unverzüglich mitteilen“ werde.

Solchen vermeintlichen Verrat entdeckte Steuer, als er laut Akte mitbekam, dass ein Mechaniker und ein Paarläufer aus Chemnitz mit Videokassetten handelten. Steuer vermutete Pornomaterial. Der Stasi bot er daraufhin laut Akte an, „sich in die Kreise einzuschalten“, um den „Hauptinitiator zu ermitteln“. Auch über Katarina Witt berichtete Steuer 1989. Sportstar Witt teilte ihm mit, dass sie noch keine konkreten Pläne habe, über ihre Zukunft aber auch noch nicht mit offiziellen Stellen gesprochen habe.

Vor der EM 1985 wurde „IM Torsten“ verpflichtet, Hinweise auf eine Republikflucht von Teamkollegen zu melden. Am 13. Oktober 1989 erstattete er laut Akten mündlich Bericht: Er habe erfahren, dass eine ehemalige Eiskunstläuferin versuchen könnte, „die DDR zu verlassen, auf welche Art und Weise ist jedoch nicht bekannt“. Möglich, dass sie nach Frankreich wolle. Dort lebe ein französischer Eistänzer, zu dem sie bei einem Besuch in Karl-Marx-Stadt im April 1989 „intimen Kontakt“ gehabt habe. Es war das letzte protokollierte Treffen von Steuer mit der Stasi. Am 26. Januar 1989 hatte ein Stasi-Mann noch aufgeschrieben: „Der IM zeigt Initiative und Einsatzbereitschaft.“ Christian Booß, Sprecher der Birthler-Behörde, welche die Stasi-Unterlagen überprüft, kommentierte die Akten so: „Es sind doch sehr viele Details, die Sportlern durchaus Schwierigkeiten machen konnten.“ Steuers Akte umfasse nach aktuellem Stand 210 Seiten, darunter 15 Treffberichte. Auch gibt es laut Birthler-Behörde Hinweise, dass Steuer für seine Spitzeldienste Geld erhalten habe. Reinhard Mirmseker, Präsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU), dagegen empfindet die Aufregung als übertrieben. „Ich finde das Ganze geschmacklos und glaube, dass es 16 Jahre nach der Wende in keinem Verhältnis mehr steht“, sagte er der Deutschen Presseagentur.

Doch auch die Bundeswehr interessiert sich für die Stasi-Akten. Schließlich ist Steuer seit 2003 Sportsoldat. Als Läufer war er bereits von 1993 bis 1998 bei der Bundeswehr. Vor seiner Wiedereinstellung 2003 musste Steuer auch die Frage beantworten, ob er Stasi-Kontakte hatte. Sollte Steuer „nein“ angekreuzt haben, wurde er nicht überprüft. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums konnte zu Steuers Antwort nichts sagen. Allerdings spricht viel dafür, dass Steuer seine Stasi-Mitarbeit verschwieg. Denn die DEU bemühte sich damals stark, den Trainer wieder bei der Bundeswehr unterzubringen. „Die DEU wusste nichts von einer Stasi-Mitarbeit“, sagt Volker Waldeck, damals Vizepräsident des Verbands. „Andernfalls hätte das Präsidium Steuer kaum der Bundeswehr empfohlen.“

Eine Falschangabe im Fragebogen allein führt allerdings noch nicht zu einer Sanktion. Das sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. „Stellt sich im Lauf der Dienstzeit heraus, dass jemand im Verdacht der Stasi-Mitarbeit steht, wird sein Fall überprüft.“ Früher wurde in solchen Fällen ziemlich konsequent ein Dienstverhältnis beendet. Doch nach einer Serie von Arbeitsgerichtsprozessen wurde diese Linie aufgeweicht. Jetzt hängt viel davon ab, wie sehr ein IM geschadet hat. In schweren Fällen ist eine Entlassung durchaus möglich.

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