zum Hauptinhalt

Neues von unserem Amateurfußballteam des Jahres: Schwangerschaft, Meniskus-OP, Vereinswechsel

Im Mai haben wir sie zu den Spielern der Coronavirus-Pandemie gekürt – nun sind diese Berliner Kicker umso mehr gefordert. Wir haben erneut nachgefragt.

Von

Vor gut sechs Monaten hatten wir, während des Lockdowns, unser Amateurfußballteam des Jahres gekürt. Menschen, die in ihrer Freizeit kicken, und auf die es in Pandemie-Zeiten in systemrelevanten Berufen besonders ankommt.

Nach der ersten Welle normalisierte sich im Sommer vieles. Doch nun steckt Deutschland in einem Teil-Lockdown. Wir haben noch einmal nachgefragt. Nicht nur Inzidenzwerte und Schutzmaßnahmen haben sich geändert, sondern auch vieles bei den Spielerinnen und Spielern – auf und neben dem Fußballplatz.

SARA DIENG (Rot-Weiß Viktoria Mitte), Polizistin
Ein Punktspiel hat Sara Dieng in den vergangenen sechs Monaten nicht bestritten. Aus gutem Grund, denn sie ist schwanger und erwartet voller Vorfreude eine kleine Tochter. Im Juni hat die 31-Jährige noch bei der Saisonvorbereitung ihrer Mannschaft von Rot-Weiß Viktoria Mitte mitgemacht – ohne Körperkontakt. Doch dann konnte sie nur noch Anfeuern an der Seitenlinie.

Allerdings sagt Dieng auch: „Zum Pausieren hätte ich mir keine bessere Saison aussuchen können.“ Wegen Spielausfällen und des Teil-Lockdowns hat ihr Team in der Landesliga erst zwei Pflichtspiele bestritten. „Wenn die Entbindung Anfang des nächsten Jahres gut verläuft, kann ich vielleicht im Mai oder Juni beim Saisonfinale sogar wieder mitspielen“, sagt Dieng.

Ab Mitte Dezember ist die Polizistin in Mutterschutz, bis dahin gilt für sie im Berufsalltag vor allem eines: „Unser oberstes Ziel ist es zu kommunizieren und um Verständnis für die Maßnahmen zu werben – für unser aller Gesundheit.“

BINTA LANGE (Polar Pinguin), Hebamme
Mütter zeigen den Großeltern die Babys nur durch eine Scheibe, Väter drücken maskiert ihre Säuglinge an sich. Zwischendrin sprintet Hebamme Binta Lange, die sich oft umkitteln muss, weil sie Covid-positive Gebärende, Verdachtsfälle und Gesunde abwechselnd betreut. Sie bittet die Frauen, möglichst lange eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stellt sich ans Fenster und lüftet, während diese die Wehen veratmen.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Vorsicht hilft: Noch hat sich in Langes Team am Auguste-Viktoria-Klinikum niemand angesteckt. Auch auf dem Platz muss sich die 24-jährige Verteidigerin zurückhalten. Keine spontanen Umarmungen, sonst schaut der Platzwart ermahnend, das Quatschen in der Kabine fiel in den wenigen bisher ausgetragenen Spielen der 7er-Landesliga ebenfalls aus. Umziehen nur draußen, duschen zu Hause.

Und dann wurde auch noch eines der kostbaren Spiele wegen eines Verdachtsfalls verschoben. Mit Freundinnen joggt Binta Lange stattdessen um den Schlachtensee.

EMRE DEMIR (SD Croatia), DHL-Zusteller
Schon vor dem Teil-Lockdown hat das Coronavirus Emre Demirs Saison beeinflusst. „Viele Spiele wurden wegen Corona-Fällen abgesagt, auch bei uns im Team gab es einen“, sagt der Abwehrspieler des Berlin-Ligisten SD Croatia. Auch sonst lief es für ihn und seine Mannschaft bisher nicht wie erwartet. „Wichtige Spieler haben uns verlassen und viele Jüngere sind dazugekommen“, sagt der 30-Jährige.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Ohne den Spielbetrieb hält er sich nun zu Hause oder im Park fit. „Überhaupt habe ich jetzt mein Training im Job, denn da ist wieder richtig viel los“, betont der DHL-Zusteller. Dass nun bereits der Weihnachtsplan gilt, hat laut Demir, der seine Tour in Lankwitz fährt, aber auch einen Vorteil: „Weil jetzt das Paketaufkommen größer ist, hat man weniger Straßen – die Touren werden verkleinert.“

Fußballspielen hat er allerdings für dieses Jahr abgeschrieben. „Ich glaube, wir werden noch eine Weile pausieren.“

ALEXANDER SMUCK (BSG Vivantes), Pfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Einen Kreuzbandriss hatte Alexander Smuck vor einigen Jahren konservativ behandeln lassen und danach weiter Fußball gespielt. In der vergangenen Saison hatte er noch sechs Tore in neun Spielen für die BSG Vivantes erzielt. Doch Anfang Oktober musste sich der 36-Jährige wegen eines Meniskusrisses operieren lassen. „Mein Herz blutet, aber das war es für mich mit Fußball“, sagt Smuck.

Seiner Mannschaft, die in der Freizeit-Landesliga spielt, will er treu bleiben und sich nun viel um organisatorische Dinge kümmern. Noch ist Smuck nach der OP zu Hause. Aber der Gesundheits- und Krankenpfleger will so schnell es geht zurück an seinen Arbeitsplatz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Vivantes-Klinikum in Friedrichshain.

Schon im Frühjahr hatte er auf die im Vergleich niedrige Entlohnung in seinem Job hingewiesen. Daran und auch am Personalschüssel habe sich nichts zum Positiven verändert. Aber: „Ich gehe trotzdem sehr gern zur Arbeit. Gerade in diesen schwierigen Zeiten.“

DIRK BOBERMIEN (Barnim Eagles), Rettungssanitäter
Beim ersten Gespräch im Mai stand in Brandenburg die Wiedereröffnung der Sportanlagen unmittelbar bevor. Dirk Bobermien durfte mit seiner Freizeitmannschaft Barnim Eagles aus Eberswalde endlich kicken. Sofort waren fast 20 Leute dabei. Über mehrere Monate lief alles weitgehend normal, nur auf Reisen zu Turnieren verzichtete das Team.

Derzeit müssen die Eagles wieder aussetzen: „Für uns ist das Fußballjahr sehr wahrscheinlich vorbei“, sagt Torwart Bobermien. Der 39-Jährige arbeitet als Rettungssanitäter im Krankentransport bei einer Tochterfirma der Charité. Anders als im Frühjahr gibt es bei der Schutzausrüstung längst keine Engpässe mehr.

Doch etwas anderes ärgert ihn nach wie vor: Stets sei viel von Wertschätzung die Rede. Doch bei wichtigen Themen, beispielsweise dem Abschluss eines Tarifvertrags, „kommt von der Politik oder dem Arbeitgeber nichts. Das ist frustrierend.“

DANIELA ROSTEK (SV Schönefeld), Meisterbereichsleiterin bei der BSR
Das Angebot war zu verlockend. Daniela Rostek hat im Sommer mit einigen Mitspielerinnen den Verein gewechselt – vom DJK FFC Britz zum SV Schönefeld. „Jetzt kann ich endlich auf Naturrasen spielen statt auf Kunstrasen“, sagt die 42-Jährige, die nun also in Brandenburg in der 7er-Kreisliga aktiv ist. Im Frühsommer konnte Rostek deshalb schon mit dem Training starten, im Juli Testspiele bestreiten, beides früher als in Berlin, und im September dann Pflichtspiele.

Bisher läuft es bei sechs Niederlagen aus sechs Spielen aber noch nicht so gut. „Wir müssen uns noch finden. Aber es macht Spaß“, sagt sie. Nun im Teil-Lockdown hat ihnen die Trainerin Aufgaben gestellt, den Ball hochhalten etwa.

„Dafür gibt es bei der Arbeit immer was zu tun und keine ruhigen Tage“, sagt die Meisterbereichsleiterin bei der Straßenreinigung der BSR in Neukölln. „Ohne eine richtige Ausgangssperre treffen sich die Leute halt immer noch in den Parks.“

JENS WAGNER (Wartenberger SV), Busfahrer bei der BVG
Der direkte Kontakt zu den Fahrgästen fehle ihm, weil alle hinten einsteigen. Das hatte Jens Wagner, BVG-Busfahrer und Mitglied beim Wartenberger SV, im Frühjahr gesagt.

Daher freut es ihn, dass er unter anderem auf den Linien 296 und 396 unterwegs ist. Dort gibt es seit Sommer Spezialglasscheiben zum Schutz des Fahrerbereichs gegen das Coronavirus. Zu Anfang wirkten manche Gäste fast erschreckt, als der Einstieg vorn wieder möglich war, erinnert sich Wagner.

„Jetzt wissen es die meisten und grüßen oft freundlich.“ Er ist inzwischen 40 Jahre alt und somit für die Altliga spielberechtigt, viele Teamkollegen kennt er schon lange. Gleich im ersten Landesligaspiel hat Wagner festgestellt: „Auf dem großen Feld kannst du dich mal ausruhen, auf dem Kleinfeld geht das nicht.“

ENRICO JAKOB (Köpenicker FC), Supermarkt-Angestellter
Dass er den Kunden Masken und Abstand an der Kasse noch immer erklären muss, nervt Enrico Jakob nach acht Monaten Pandemie schon manchmal. Dafür war das Klopapier in seinem Grünauer Rewe bei der zweiten Welle nur kurz ausverkauft.

Sein erstes Punktspiel gegen Anadoluspor verlor der Mittelfeldspieler mit dem Bezirksligisten Köpenicker FC II 2:8, auf die Zwangspause allein will er es aber nicht schieben. Obwohl das Musikhören in der Kabine und das Einschwören vor der Partie vielleicht geholfen hätten. Ärgerlich, dass er sich ausgerechnet in dieser Saison, die der Verband auf die Hälfte der Spiele gekürzt hat, den Finger auskugelte.

War er stattdessen bei einem Union-Spiel mit limitierter Zuschauerzahl? „Ich bin Fan – entweder ich komme heiser aus dem Stadion oder gar nicht“, sagt Jakob. Für die neue Pause hat der 29-Jährige sich mit Yogamatte und Dehnseilen ausgestattet, italienische und spanische Ligen schaut er auf Dazn. Zu Hause darf man schließlich grölen.

JAN DIETRICH (SV Empor), Lehrer
Eigentlich wäre Basketball dran. Aber Kontaktsport geht nicht. Jan Dietrich, Lehrer für Sport und Mathe an einem Pankower Gymnasium, hat Seilspringen ins Programm des Sportunterrichts genommen. Alle haben dabei gelernt, wie anstrengend diese Tätigkeit ist. Einschränkungen und kreative Lösungen im Beruf kennt Dietrich seit dem Beginn der Pandemie. Da waren die Schulen vorübergehend geschlossen.

„Präsenzunterricht ist nicht zu ersetzen. Am besten fände ich aktuell eine Kombination aus Anwesenheit und Homeschooling“, sagt der 30-Jährige. Dietrich, der die Ausweitung der Maskenpflicht begrüßt, ist sich einer Sache bewusst: „Schule ist eine Großveranstaltung. Trotz aller Vorkehrungen kannst Du das Risiko nicht ganz wegbekommen.“

Er tut, was möglich ist, um es zu minimieren. Für sich und andere. Als Ende Oktober absehbar war, dass der Amateurfußball pausieren wird, hat der Kapitän des Berlin-Ligisten SV Empor schon mit dem Training ausgesetzt.

JAKOB GUDE (Eintracht Südring), Kita-Erzieher
Seine Eltern trifft er nur draußen, beim Spaziergang mit dem Hund: Als Erzieher in einer Neuköllner Kita hat Jakob Gude zu viele Risikobegegnungen. Obwohl er Türklinken, Lichtschalter und Klospülung desinfiziert und die Kinder beim Essen auseinandersetzt, lassen sich die Kleinsten nicht Pandemie-konform betreuen. Masken stören beim Lächeln, Rotznasen sind nichts Außergewöhnliches.

Beim ersten Training im Juli war der 38-Jährige nach den faulen Monaten zu Hause schnell außer Atem. Nie hätte er gedacht, dass ihm, der kickt, seit er laufen kann, das Ballgefühl abhandenkommen könnte. Aber wie nimmt man nochmal einen hohen Ball an?, fragte er sich bei den ersten Spielen im September.

Trotzdem hat seine Kreuzberger Freizeitmannschaft bislang alle Spiele gewonnen. Ob das noch für irgendetwas zählt? „Wir Amateursportler mussten zuerst aufhören zu spielen, durften zuletzt wieder loslegen. Verliert ja niemand Geld, wenn wir pausieren“, sagt Gude.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false