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Engin Atsür setzt darauf, bei Alba das Potential des Teams zum Vorschein zu bringen.

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Neuzugang von Alba Berlin im Interview zum Saisonstart: Engin Atsür: „Und jetzt bin ich hier der Türke“

Alba Berlins neuer Spielmacher Engin Atsür spricht zum Saisonstart am Samstag gegen Bonn über Doppelpässe, Omas Pfannkuchen, Merkel und Erdogan.

Herr Atsür, wollen wir das Interview auf Deutsch führen?

Ja, gerne. Wir können es versuchen.

Woher sprechen Sie so gut Deutsch?

Meine Mama ist Deutsche. Ich habe zwar nie in Deutschland gelebt, aber wir haben zu Hause Deutsch gesprochen. Nicht viel, denn meine Mutter spricht mittlerweile perfekt Türkisch. Aber ich habe noch Oma, Tante und Cousinen in Minden, Westfalen. Wir waren früher jeden Sommer einen Monat dort, mit meinen Eltern und meinem Bruder.

Wie haben Sie als Junge aus Istanbul die deutsche Provinz erlebt?

Ich habe viele schöne Erinnerungen: an Eis, Omas Eierpfannkuchen, große Spiel- und Fußballplätze, Supermärkte, Lego. Das war ganz anders als in der Türkei.

Wie war es für ihren Vater hier?

Er spricht auch perfekt Deutsch. Er ist Ingenieur und hat hier acht, neun Jahre studiert und nebenher Basketball gespielt, da war ich noch nicht auf der Welt. Er hat mir später dann ein paar Sachen beigebracht.

In Berlin bräuchten Sie eigentlich kein Deutsch, Sie kämen mit Türkisch durch.

Ich spreche hier fast kein Türkisch, nur mit meinem Coach Ahmet Caki und meinem Mitspieler Ismet Akpinar. In Berlin sprechen ja alle Leute super Englisch. Und in der Mannschaft sind viele Amerikaner und Serben. In einer Basketball-Mannschaft spricht man immer Englisch. Aber ich nutze jede Chance, Deutsch zu sprechen, denn ich kann und muss mich verbessern.

War das ein Grund, nach Deutschland zu wechseln?

Ja, mein Bruder lebt auch hier, in Bielefeld, mit meinen beiden Neffen. Es ist schön, sie jetzt öfter zu sehen. Aber meine Motivation war vor allem Alba und auch die Stadt Berlin.

Sie waren ja schon vor einem Jahr mit ihrer Familie hier, als Tourist.

Wir hatten viel Spaß hier, es war Sommer, schönes Wetter, wir sind überall herumgelaufen, auf der Museumsinsel. Ich war überrascht, wie international Berlin ist. Keiner fragt, woher du kommst, alle sind sehr offen. Das hilft mir, mich zu Hause zu fühlen. Es ist eine große Stadt, in der es aber ganz einfach ist zu leben. In Istanbul gibt es viel mehr Stress, Verkehr und Leute.

Also erkunden Sie gar nicht die türkischen Viertel wie Kreuzberg oder Neukölln?

Ich war mit dem Auto da, aber ich war mein ganzes Leben in der Türkei. Ich möchte die deutsche Kultur entdecken.

Also eher Schnitzel als Döner?

Ein Schnitzel habe ich schon gegessen, einen Döner muss ich bald mal probieren, vielleicht mit meinem Mitspieler Ismet.

Türkischer Coach, türkische Assistenten, Mitspieler aus der Türkei – ist türkisch die zweite Amtssprache bei Alba?

Vielleicht die dritte oder vierte. Aber die Basketballwelt ist nicht so groß, du spielst jedes Jahr mit jemandem, denn du schon von irgendwoher kennst.

Woher kennen Sie Coach Caki?

Ich habe in der Jugend gegen ihn gespielt, als er ein anderes Team gecoacht hat, später als Profi, nie für ihn. Doch wir kennen und verstehen uns gut, haben uns nach Spielen Hallo gesagt und 2008 bei der Nationalmannschaft zusammen gearbeitet.

Hat er sie zu Alba geholt?

Es gab schon früher mal Kontakt zu Alba, über meinen Agenten, 2010 glaube ich. Dieses Jahr war ich wohl wieder eine Option und der Coach hat seine Zustimmung gegeben, weil er mich kennt.

Engin Atsür, 32, kam in Istanbul zur Welt. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater spielte in der Basketball-Bundesliga für Post Hannover. Nach Stationen bei mehreren Istanbuler Spitzenklubs kam der türkische Spielmacher im Sommer nach Berlin.
Engin Atsür, 32, kam in Istanbul zur Welt. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater spielte in der Basketball-Bundesliga für Post Hannover. Nach Stationen bei mehreren Istanbuler Spitzenklubs kam der türkische Spielmacher im Sommer nach Berlin.

© imago/Camera 4

Eine Rolle spielte sicher ihr deutscher Pass, der spart Alba einen Ausländerplatz. Mussten sie einen Einbürgerungstest machen?

Nein, den Pass habe ich seit Geburt. Aber ich weiß, wer Angela Merkel ist (lacht).

In Deutschland müssen sich viele junge Türken für eine Pass entscheiden.

Ich musste mich nie entscheiden, ich habe beide gehalten. Ich fühle mich auch als 50 Prozent Deutscher und 50 Prozent Türke.

Was ist Deutsch, was Türkisch an Ihnen?

In Istanbul haben meine Teamkameraden mich im Spaß aufgezogen: Du bist so ein Deutscher, so diszipliniert, immer Arbeiten. Ich habe auch das türkische Temperament von meinem Vater. Aber meistens bin ich cool wie ein Deutscher. Und hier bin ich jetzt der Türke. Das ist lustig. Ich bin ein guter Mix aus beidem.

Haben die politischen Irritationen mit Präsident Erdogan das Deutschlandbild in der Türkei verändert?

Wir haben eine lange Geschichte mit Deutschland und sehen das Land sehr positiv. Politiker haben manchmal Probleme miteinander, aber wenn man die Leute fragt, dann ist das Image immer noch gut. In der Türkei leben viele Deutsche, es gibt viele Urlauber im Süden und hier leben viele Türken. Politik ist einen Tag so, einen Tag so, das ändert nichts am Leben.

Coach Caki wirkt weniger türkisch-temperamentvoll, eher ruhig und ernst.

Der Coach ist sehr leidenschaftlich und motiviert, das Temperament wird man bald sehen an der Seitenlinie. Das brauchen wir auch, denn wir sind noch eine ziemlich junge Mannschaft. Aber jeder hat seinen eigenen Stil.

Wie sieht denn Cakis Spielstil aus?

Sehr aggressiv, mit viel Druck in der Defensive. Und wenn wir können, wollen wir schnell nach vorne spielen. Aber wir haben keinen Superstar in der Mannschaft, deshalb müssen wir den Ball teilen. Erstmal ist es wichtig, gute Laune und Atmosphäre in die Mannschaft zu bekommen und uns besser kennenzulernen.

Das war in der Vorbereitung ja kaum möglich, viele Spieler fehlten oder fielen weg. Dann kam ein China-Trip, bei dem nicht alle mitdurften. Coach Caki, Ihr Mitspieler Dominique Johnson und Sie erhielten kein Visum, aus Sicherheitsgründen, wie es hieß, wegen eines Politikergipfels. Was haben Sie alleine in Berlin gemacht?

Wir hatten ja auch Assistenten und Athletiktrainer hier und haben gut gearbeitet in der Zeit.

Wie sehen Sie Ihre Rolle bei Alba?

Ich bin einer der ältesten im Team und will den Jungs auf und neben dem Feld helfen. Als Spielmacher ergänzen wir uns gut: Peyton Siva ist schnell und athletisch, ich habe andere Stärken und Ismet Akpinar ist auch jung und aktiv. Das ist eine gute Mischung.

Die Konkurrenz ist mit Bamberg und Bayern stark, finanziell fast schon enteilt. Was kann Alba erreichen in dieser Saison, die am Samstag um 18 Uhr in der Arena am Ostbahnhof gegen Bonn beginnt?

Viele Mannschaften haben ein größeres Budget, das wissen wir. Aber das heißt nicht immer viel im Basketball. Bevor wir über Ziele sprechen, müssen wir erst einmal ein Team werden. Wenn wir alle gut zusammenspielen, dann kann unser Potenzial zum Vorschein kommen. Natürlich möchten wir jedes Spiel gewinnen, aber in der Bundesliga herrscht großer Wettbewerb.

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