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Sport: „Nicht mal die blöde Medaille“

Die deutsche Frauenstaffel wird bei der Schwimm-WM nur Vierte

Auf den letzten zwanzig Metern verdichtete sich alles zu einer einzigen Lärmkulisse. Schreie und Pfiffe waren nicht mehr zu unterscheiden, 8000 Zuschauer in der Rod Laver Arena in Melbourne waren aufgesprungen. Unten, im Becken, trieb das Duell zwischen den Schwimmerinnen auf Bahn drei und vier dem Höhepunkt zu. Der Kampf um Gold in der 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel bei der Weltmeisterschaft: Mit den letzten drei Armzügen setzte sich Jodie Henry durch, knapp vor Kara Lynn Joyce schlug sie an, Australien hatte den Titel, die USA waren knapp geschlagen. Der Jubel war unbeschreiblich.

Kaum jemand beachtete die Frau auf Bahn zwei, die sich erschöpft an die Trennleine klammerte und starr zur Anzeigentafel blickte. Britta Steffen aus Berlin war nun unbedeutend. Ebenso die drei Frauen über ihr, die traurig dreinblickten auf ihre Zeit von 3:36,94 Minuten. Platz vier. Petra Dallmann, Daniela Samulski und Annika Lurz hatten einiges zu verkraften. Nicht mal Bronze. Die Weltrekordstaffel, eine der Favoriten, klar geschlagen.

Die Deutschen, die bei der EM in Budapest 2006 den alten Weltrekord fast spielerisch unterboten hatten, waren vorgeführt worden. Die Australier schwammen Weltmeisterschafts-Rekord (3:35,48), vor den USA (3:35,68), die Niederlande sicherten sich Bronze. Und die Deutschen? Sie schwammen 1,59 Sekunden langsamer als in Budapest.

Die EM von damals erklärt vieles, jedenfalls für die vier deutschen Schwimmerinnen. „Das hier ist halt keine EM“, sagte Petra Dallmann aus Heidelberg, die zuerst ins Becken sprang. „Bei einer EM wissen wir, dass wir Gold holen, wenn alles gut läuft, aber Bronze ganz sicher haben.“ In Budapest lagen die Deutschen immer vorne, in Melbourne schlug Dallmann als Sechste an, fast zwei Sekunden hinter der Australierin Lisbeth Lenton, die mit 53,42 Sekunden relativ knapp über Britta Steffens Einzel-Weltrekord (53,30) lag. Dass sie gegen Lenton verlieren würde, war klar, dass sie derartig viel verlieren würde, war nicht geplant. Ihre Staffel-Bestzeit liegt bei 54,53 Sekunden, Welten von ihren 55,11 Sekunden von gestern entfernt. „Bei einer WM bekommt man nicht mal eine blöde Bronzemedaille geschenkt“, sagt Dallmann.

Als Annika Lurz aus Würzburg als Zweite ins Wasser sprang, war schon klar, dass Gold unerreichbar war. Lurz geriet bei der Wende in eine Welle, schluckte Wasser und verlor wertvolle Zeit. Am Ende blieb sie eine halbe Sekunde über ihrer Staffel-Bestzeit. Daniela Samulski (Wuppertal) wechselte zwar am schnellsten von allen Deutschen, aber sie kam auch bloß auf 54,62 Sekunden. Sie ist die Einzige, die neu ist gegenüber der Weltrekordstaffel. Für Örjan Madsen, den neuen deutschen Cheftrainer, ist der vierte Platz eine Enttäuschung. Das Ergebnis von Budapest, sagte der Norweger, „ist der Maßstab“.

Britta Steffen konnte am Schluss nichts mehr retten. „Britta, leg die Flügel an, flieg übers Wasser“, sagte sie sich auf dem Block, sie pflügte in sagenhaften 52,65 Sekunden durchs Wasser, eine Hundertstelsekunde schneller als in Budapest, aber sie verpasste Bronze. Die Mannschaft erfüllte die hohen Erwartungen nicht. „Wer hier herkommt, dem zittern erstmal die Knie in diesem Hexenkessel“, sagte Steffen.

Britta Steffen steht mitten im Kampf gegen die Rolle des neuen Superstars, den man auf Sieg programmieren kann. „Ich bin bei meiner ersten Weltmeisterschaft, für mich ist es toll, wenn ich meine Leistung bestätigen kann.“ Oben eine Lärmkulisse, im Becken gleichstarke Gegnerinnen auf der Nebenbahn, das muss man erstmal verkraften. Die Staffel hat Edelmetall verloren, Steffen selber hat ihr erstes WM-Rennen gut bestanden. Und sie macht dem Team Mut: „Es fiel kein Weltrekord. Den halten immer noch wir.“

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