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Sport: Nicht mehr geschmeidig

Vor dem Champions-League-Spiel bei Inter Mailand vermisst Meister Bremen alte Stärken

Der Bremer an sich gilt als bescheiden. Auf Jürgen L. Born, Bankier und seit vier Jahren Klubboss von Werder Bremen, trifft das zu. „Viele Punkte aus der Champions League haben wir nicht eingeplant“, sagte der 63-Jährige vor dem Abflug nach Mailand. Born bezog die Aussage vor allem auf das wirtschaftliche Kalkül. Sie beschreibt vor dem heutigen Spiel bei Inter Mailand (20.45 Uhr, live auf Premiere) aber auch die sportliche Erwartung. Der SV Werder hat nämlich so seine Erfahrungen gemacht, meist folgte einer guten Saison eine durchwachsene. Der Deutsche Meister tritt im Giuseppe-Meazza-Stadion alles andere als selbstbewusst an, auch wenn Trainer Thomas Schaaf „ein respektables Ergebnis und ein gutes Spiel“ fordert.

„Wir müssen einfach alles besser machen als in der Bundesliga“, sagt Abwehrchef Valerién Ismael, bei dem die Souveränität der Vorsaison wie bei vielen seiner Mannschaftskollegen verloren gegangen ist. „Der Ball springt anders und immer vom Fuß. Vergangene Spielzeit lief es geschmeidiger. Und dann hat halt der eine oder andere auch schlechte Laune“, sagt Jürgen L. Born.

Der Franzose Johan Micoud – der neben Petri Pasanen und Andreas Reinke schon in der Champions League gespielt hat – ahnt, welche Erfahrung auf Werder in der Gruppe mit Inter Mailand, dem FC Valencia und RSC Anderlecht zukommen könnte: lehrreiche Niederlagen. „Unsere neuen Spieler sind noch nicht integriert“, sagt Micoud, „es wird schwierig werden, gegen Spieler wie Davids, Veron und Toldo anzutreten, die daran gewöhnt sind, international große Spiele zu bestreiten.“

Um personell ein Zeichen zu setzen, erwägt Trainer Schaaf nun, Nationalstürmer Miroslav Klose nach seinen schwachen Leistungen auf die Bank zu verbannen. Teamintern wird ohnehin längst der Vertrauensvorschuss in den Nationalstürmer kritisiert. Doch das fehlende Selbstbewusstsein der Bremer hat auch andere Gründe. Werder scheint prädestiniert dafür zu sein, den guten Zeiten stets die schlechten folgen zu lassen. Nach dem Titelgewinn 1993 erlebte Werder einen Absturz, landete danach in der Liga nur auf Rang acht. Ähnliche Probleme offenbarten sich nach dem Pokalsieg 1999. Und nach zwei starken Hinrunden 2001 und 2002 rutschten die Bremer jeweils noch aus den Uefa-Cup-Rängen. Nun drohen der Meistertitel und der Pokalsieg aus der vergangenen Spielzeit bereits wie Ballast zu wirken.

Sportdirektor Klaus Allofs stellte mit Erschrecken fest, dass „die Mannschaft versucht, ohne Kampf und Leidenschaft erfolgreich zu sein“. Ist der bescheidene Bundesliga-Standort Bremen nicht fähig, jene Mentalität zu fördern, die für dauerhafte Spitzenleistungen nötig ist? Allofs ahnt dies und hat nach der Niederlage in Mönchengladbach an das Verantwortungsgefühl der Profis appelliert. „Richtige Probleme“ befürchtet Nationalspieler Fabian Ernst, falls sich nicht schnell etwas ändere.

Der Abend in Mailand wäre eine gute Gelegenheit. In der Champions-League-Saison 1993/94 schied Werder in einer Gruppe mit dem AC Mailand, dem FC Porto und RSC Anderlecht aus. Wie damals buchte Bremen das Grand-Hotel Brun im Stadtteil San Siro. Trainer Schaaf, damals Reservist, hatte nichts dagegen, dorthin zurückzukehren. Warum auch? Neben dem 5:3 gegen Anderlecht zählte ein 1:1 in Mailand zu den bislang einzigen positiven Erlebnissen der Bremer in der Champions League.

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