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Sport: Nichts für Familienväter

ABN Amro One gewinnt das Abenteuer Ocean Race

Berlin - Zuerst fuhren sie zu früh über die Startlinie und mussten noch mal von vorne anfangen. Dann, die letzte Etappe des Volvo Ocean Race über die Nordsee von Rotterdam nach Göteborg war noch keine Stunde alt, flog ihnen plötzlich ihr Tuch davon. Auf der ABN Amro One hatte sich ein Beschlag des Vorsegels gelöst und der gelbe Kevlarstoff, der das Regattafeld auf den vergangenen 31 000 Meilen meist zuverlässig angeführt hatte, rutschte nach oben wie das Faltenkleid von Marilyn Monroe über einem U- Bahn-Schacht. Auf einer Wettfahrt, die nur 500 Meilen lang ist, kann ein kleiner Defekt schon das Aus bedeuten. Aber dann passierte, was noch jedes Mal eintrat, wenn die niederländische Crew um Skipper Mike Sanderson nach einem verpatzten Start in Rückstand geriet. Sie fand Windschneisen, die andere vergeblich suchten, pflügte durch Wellen, die sich vor ihr zu glätten schienen. Die „Black Betty“ segelt nie hinterher.

Wie die zehnköpfige Mannschaft um Sanderson das jedes Mal bewerkstelligt, bleibt selbst ihren Konkurrenten ein Rätsel. Selten hat, wie die Internetseite www.volvooceanrace.com berichtete, ein Team das renommierteste Hochseerennen der Welt so klar dominiert wie die von einem Bankenkonsortium üppig ausgestattete ABN Amro One. Von neun Etappen hat sie sechs gewonnen. Am gestrigen Schlusstag beschlossen die Veranstalter das nächste Ocean Race 2008 zu veranstalten. Künftig soll es alle drei Jahre und auf einem veränderten Kurs stattfinden.

Schon diesmal war vieles anders. Mit der Entscheidung, die traditionsreiche Globushatz durch einen neuen Bootstyp aufzuwerten, wurde das ohnehin riskante Unternehmen zur Abenteuerfahrt. Erstmals wurde die anfällige Neigekiel-Technik auf Segelmaschinen dieser Größe zugelassen. Doch die hohen Einstiegskosten schreckten viele der ursprünglich 24 Interessenten ab. Sieben Teams blieben übrig, wovon eines praktisch erst an der Startlinie seinen Sponsorennamen auf den Rumpf klebte. Obwohl die Volvo-Open-70 größer und komplizierter zu bedienen sind, wurden die Crews um zwei Mann reduziert.

Schon nach der ersten Etappe meldeten sich zwei der hochbezahlten Profisegler ab. Diese Yachten seien „einfach zu gefährlich für Familienväter“, entschuldigte sich Freddie Loof bei Pirates of the Caribbean und ging. Sein Skipper Paul Cayard räumte ein, dass er das Segeln ganz neu lernen müsse. Was ihm mit dem zweiten Rang ganz gut gelungen ist. Die von Flauten geprägte Abschlussetappe hat er sogar gewonnen.

Tatsächlich waren die Sicherheitsmängel der kaum erprobten Klasse gravierend. Schon in der ersten Nacht des Rennens, das vor sieben Monaten im spanischen Sanxenxo begann, mussten Cayards „Piraten“ und Movistar einen Nothafen anlaufen, nachdem der Schwenkkiel den Belastungen in stürmischem Wetter nicht Stand gehalten hatte. Wenig später fiel mit der australischen Brunel ein dritter Teilnehmer aus. Von den vier Yachten, die Kapstadt nach 19 Tagen erreichten, war keine einzige heil geblieben. Auch auf den weiteren Etappen des Rennens mussten die Segler immer wieder zu den Notpumpen greifen, weil die dünnwandigen Extremflitzer nach Strukturschäden vollzulaufen drohten. Schließlich war die Movistar 300 Meilen westlich von England nicht mehr zu retten. Skipper Bouwe Bekking gab das havarierte Gefährt auf, dessen 4,5 Tonnen schwerer Ballastkiel abzufallen drohte. Das Schiff blieb verschollen.

„Jetzt, da sich das Rennen dem Ende neigt“, sagt Tim Powell von der Ericsson, „haben wir das Boot so weit, um ein Rennen zu segeln.“ Das schwedische Team um Neal McDonald zählte wegen seiner exzellenten – und teuren – Crew zum Favoritenkreis. Doch bekam diese ihr werftneues Farr-Design nie in den Griff. Es reichte nur für Platz fünf. Vielen Teams ging es wegen der knappen Vorbereitungszeit ähnlich. Nur die Männer der ABN Amro One schöpften sofort das enorme Geschwindigkeitspotenzial ihres von dem Design-Außenseiter Juan Kouyoumdijan gezeichneten Bootes aus. Ihr Sponsor hatte sie zunächst auf einem älteren Prototyp trainieren lassen, der jetzt von einem Nachwuchsteam bedienten ABN Amro Two, die auf Rang vier fuhr. Die Doppelstrategie zahlte sich aus.

Überschattet wird das Rennen vom Tod des Holländers Hans Horrevoets. Der 32-Jährige war bei schwerem Wetter von Bord der ABN Amro Two gewaschen worden. „Ich glaube“, fasste Simon Fischer von der Amro Two die Stimmung vor der Finaletappe zusammen, „jeder von uns ist erleichtert, wenn das hier vorbei ist.“

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