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Sport: Nichts zu machen

Nicolas Kiefer unterliegt Roger Federer im Tennis-Halbfinale von Melbourne

Kann ihm das ein Trost sein? Nicolas Kiefer hat das beste Grand-Slam-Turnier seiner Karriere gespielt. Er ist ins Halbfinale der Australian Open gekommen. Und doch hat er die große Sensation in Melbourne verpasst: einen Sieg gegen den Weltranglistenersten Roger Federer. Mit 6:3, 5:7, 6:0, 6:2 zog der Schweizer ins Endspiel ein, wo er am Sonntag auf Marcos Baghdatis aus Zypern trifft.

Die Schlüsselszene aus Sicht beider Akteure kam in der Rod-Laver-Arena im dritten Satz. Kiefer hatte gerade den zweiten Satz gewonnen, war dicht dran, den besten Tennisspieler der Gegenwart zu stürzen. „Jetzt geht’s los“, rief ein deutscher Fan, was Federer fälschlicherweise auf sich bezog. Kiefer schlug sehr gut auf, und trotzdem nahm ihm Federer mit perfekten Returns das Service ab, als hätte ein mittelmäßiger Vereinsspieler den Ball nur mühsam übers Netz geschaufelt. Sogar der immer zurückhaltende Federer lobte sich, er habe ein „unglaubliches Spiel“ geboten.

„Da kann man halt nichts machen“, sagte Kiefer, „Roger kann in solchen Situationen einfach zulegen, und deshalb ist er die Nummer eins, mit Abstand.“ Voll unter Strom habe er gestanden, berichtete der Niedersachse, aber Federer zog einfach den Stecker. Am Ende sei ihm ein wenig die Energie ausgegangen, obwohl er alles gegeben habe, was im Körper noch dringesteckt habe. Kiefer gestand ein, dass er den harten Matches Tribut zollen musste, vor allem dem fast fünfstündigen Kampf gegen den Franzosen Sebastien Grosjean im Viertelfinale.

In den ersten beiden Sätzen hatten die 16 303 Zuschauer in der Rod-Laver-Arena einen Kiefer gesehen, der auf gleicher Höhe mit Federer spielte. Schon beim ersten Punkt des Matches, das wegen der Regenschauer in Melbourne unter geschlossenem Hallendach stattfand, ging Kiefer aggressiv zu Werke, genauso, wie er sich das vorgenommen hatte. „Ich wollte ihn schlagen, ich hatte mir fest vorgenommen, ihn zu besiegen.“

Drei Mal in zehn Matches war ihm das schon gelungen, das letzte Mal 2002 in Halle, noch bevor Federer die Führungsrolle im Herrentennis übernahm. Seitdem hatte es in sechs Partien nie mehr gereicht, auch wenn Kiefer in den letzten drei Matches jeweils einen Satz gewinnen konnte, darunter im vergangenen Jahr als einziger überhaupt in Wimbledon. Zwei Doppelfehler führten im vierten Spiel des ersten Satzes zum ersten Aufschlag- und letztlich zum Satzverlust. Im zweiten Satz schaffte Kiefer das entscheidende Break zum 7:5, als eine Federer-Rückhand ins Netz segelte. Dann kam es zu besagter Schlüsselszene, und anschließend gab Federer eine Galavorstellung auf dem Weg ins Finale.

Wenn Federer im Endspiel steht, wird Kiefer schon auf dem Weg ins kalte Deutschland sein. Er wird eine Menge Positives im Gepäck haben, schließlich hatte er sein bestes Ergebnis überhaupt bei einem Grand-Slam-Turnier erreicht – und das im 35. Anlauf. In der Weltrangliste wird er vom 25. auf den zwölften Platz nach oben schießen. Ein unglaubliches Turnier sei das für ihn gewesen, sagte Kiefer. Doch der Erfolg hat zwei Seiten: „Plötzlich habe ich wieder viele Freunde, ich habe erst Mal mein Handy ausgestellt“, sagte er. Kiefer will sich jetzt von den Strapazen erholen, wahrscheinlich wird er auf das Turnier in Zagreb verzichten. Er blickt schon in Richtung Daviscup vom 10. bis 12. Februar in Halle gegen Frankreich. Dort kann er immerhin nicht auf Roger Federer treffen.

Alexander Hofmann[Melbourne]

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