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Nico Hülkenberg, 22, gewann 2009 die Formel-1-Nachwuchsserie GP2. In dieser Saison wurde er bei Williams vom Test- zum Rennfahrer befördert und liegt derzeit in der WM-Wertung mit einem Punkt auf Rang 15. Foto: dpa

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Nico Hülkenberg: "Michael muss mir keine Tipps geben"

Formel-1-Neuling Nico Hülkenberg über die Probleme Michael Schumachers und die Schwierigkeiten eines Lehrlings in der Formel 1.

Von Christian Hönicke

Herr Hülkenberg, Sie sind Formel-1-Neuling und befinden sich in Ihrem Lehrjahr. Wie läuft denn der Unterricht in der neuen Klasse bisher?

Ich fühle mich sehr wohl. Es ist sehr schön, endlich am Ziel zu sein, in der Formel 1. Natürlich soll jetzt noch der Erfolg kommen. Die ersten vier Rennen waren nicht sehr von Erfolg geprägt. Aber ich befinde mich einfach in einer großen Lernkurve, die hat jeder am Anfang.

Was lernt man denn als Erstes in der Formel 1?

Professionalität. Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, überall ist es total professionell und bis ins Detail ausgeklügelt. Es ist ein hartes Geschäft, und jeder versucht, den anderen zu schlagen. Außerdem ist das Medieninteresse viel größer als in der GP2, man steht viel mehr in der Öffentlichkeit.

Bisher haben Sie in Ihrer Karriere fast immer vorn gestanden, auch im letzten Jahr in der Formel-1-Talentschmiede GP2. Nun fahren Sie im Mittelfeld, vor Ihrem fünften Formel-1-Rennen am Sonntag haben Sie gerade mal einen WM-Punkt. Das ist eine neue Erfahrung, oder?

Na klar ist das was anderes. Aber das ist die Formel 1, die besten Fahrer der Welt. Und man ist hier auch materialabhängig. Wenn man kein Siegerauto hat, fährt man einfach nicht vorne mit. Für mich gilt es erst mal, meinen Teamkollegen zu schlagen. Und da habe ich einen sehr guten.

Der heißt Rubens Barrichello. In Barcelona starten Sie am Sonntag als 13. vor ihm, aber in der WM-Wertung liegt er noch vorn. Sie haben vor kurzem gesagt, Sie bräuchten ihn nicht als Fahrlehrer. Gucken Sie sich wirklich nichts von einem der erfahrensten Piloten im Feld ab?

Doch, natürlich. Ich gucke auf die Daten. Jede Runde wird aufgezeichnet, und man vergleicht immer: Wo ist er schneller, wo ich, wie fährt er da, wie fahre ich? Ich kann viel aus den Besprechungen ziehen, wie er seine Set-ups entwickelt, wie er über Sachen denkt – all das sind Kleinigkeiten, die ich von ihm aufpicke und lerne. Aber er wird einen Teufel tun, zu mir zu kommen und zu sagen: Nico, fahr mal so und so. Denn wir respektieren uns zwar, aber natürlich will jeder den anderen schlagen.

Sie werden wie Michael Schumacher von Willi Weber betreut. Der hatte mal angeregt, dass der Rekordweltmeister Ihnen Tipps geben könnte, um Sie an die Formel 1 heranzuführen. Ist das jemals passiert?

Nein. Aber da bin ich auch nicht traurig drüber. Ich will selber lernen, und Michael hat sicher einiges richtig gemacht und man kann von ihm lernen. Aber Fahren muss ich selber, und das will ich auch, da muss er mir keine Tipps geben. Jeder Rennfahrer will sein eigenes Ding machen.

Was ist die Kernlektion, die man im Formel-1-Auto begreifen muss?

Man muss permanent am Limit fahren, jede Runde. Dabei muss man einfach alles auf den Punkt bringen, vor allem im Qualifying. Die Reifen und Bremsen auf Temperatur bringen und dann eine absolut perfekte, saubere Runde hinkriegen. Das ist ein bisschen schwieriger als in der GP2.

Nach seiner Rückkehr bezeichnet sich auch Schumacher wieder als Lehrling. Sind Sie erstaunt, dass der Rekordweltmeister nun dieselben Probleme hat und dieselben Lektionen lernen muss wie Sie als Neuling?

Tja, die Dinge verändern sich, auch wenn er siebenmaliger Weltmeister ist. Alle anderen Fahrer haben sich weiterentwickelt in den drei Jahren, in denen er weg war. Die Technik hat sich verändert. Es ist ganz normal, dass man dann ein bisschen Zeit braucht, sich wieder daran zu gewöhnen.

Muss man nach drei Jahren wirklich wieder so viel neu lernen?

Ja. Als Testfahrer bin ich einmal am Anfang des Jahres gefahren und hatte dann zwei, drei Monate Pause. Wenn man dann wieder einsteigt, ist das im ersten Moment so ein fremdes Gefühl – da muss man sich erst wieder herantasten. Das kann ich völlig verstehen, dass man da nach drei Jahren noch mehr Zeit braucht.

Wie äußert sich dieses Herantasten?

Der Rhythmus ist noch nicht da, das Gefühl ist wieder neu, der Sound, die Fliehkräfte – man hat es zwar alles noch im Gedächtnis, hat es tausendmal durchlebt, aber … das ist schwer zu beschreiben. Es ist das Gleiche, wie wenn Sie jetzt von Ihrem Kleinwagen in einen Rennwagen umsteigen. Man fühlt sich total krumm, da muss man sich erst mal dran gewöhnen. Da passieren einfach Dinge im Auto, die kann man nur verstehen, wenn man mal gefahren ist.

Kann man sich nicht im Simulator darauf vorbereiten?

Nein, man kann sich da nicht vorbereiten. Man muss einfach auf der Strecke sein und fahren.

Durch das Testverbot während der Saison ist das schwierig geworden.

Ja, ich würde mir wieder mehr Testerei wünschen. Früher wurde ja ohne Ende getestet zwischen den Rennen, mit mehreren Autos und auf verschiedenen Strecken gleichzeitig. Das war zu viel, aber ein bisschen mehr würde mir jetzt sicherlich guttun.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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