zum Hauptinhalt
Nico Rosberg, 28, wurde in Wiesbaden geboren und ist auf Ibiza und in Monaco aufgewachsen. Der Sohn des ehemaligen finnischen Formel-1-Weltmeisters Keke Rosberg trat bis 2003 mit finnischer Rennlizenz an, seit 2004 startet er offiziell als Deutscher. Seit 2010 steht Rosberg bei Mercedes unter Vertrag. Vor dem Großen Preis von Deutschland belegt Rosberg nach bisher zwei Saisonsiegen in Monaco und Silverstone den sechsten Platz in der Fahrerwertung.

© dpa

Nico Rosberg: "Meine Mutter wollte, dass ich Tennisspieler werde"

Nico Rosberg spricht im Tagesspiegel-Interview über seine beidhändige Rückhand, die Titelchancen seines Mercedes-Teams und das ständige Duell mit Teamkollege und Nachbar Lewis Hamilton.

Herr Rosberg, für Fernando Alonso sind Sie dieses Jahr ein Titelkandidat. Sind Sie stolz, dass der wohl beste Fahrer im Feld das sagt?

Ich habe es von ihm selbst nicht gehört, deswegen will ich das nicht kommentieren. Aber ich merke, dass wir immer mehr wahrgenommen werden. Die anderen schauen mehr und reagieren immer allergischer auf uns. Das ist etwas sehr Schönes. Das zeigt, dass man Erfolg hat, wenn die anderen anfangen, einen als Gegner zu fürchten. Ansonsten: Ich denke nicht an den Titel, ich konzentriere mich Rennen für Rennen. Wir müssen das Beste daraus machen und den Elan im Team weiterführen.

Wenn man nicht wahrgenommen wird in der Formel 1, dann läuft etwas nicht richtig?
Wahrgenommen ist das falsche Wort. Wenn man nicht angegriffen wird, dann ist man nicht schnell genug.

Vor ein paar Wochen in Malaysia hat der frühere Formel-1-Pilot Marc Surer Sie noch als braven Soldaten bezeichnet, weil Sie die Mercedes-Stallorder befolgt und Ihren Teamkollegen Lewis Hamilton nicht überholt haben. Nun haben Sie zwei der letzten drei Rennen gewonnen. Eine Genugtuung für Sie?
Das ist keine Genugtuung. Wenn ich zurückschaue, würde ich die gleiche Entscheidung wieder treffen. Das ist mein Weg, dazu stehe ich. Für den Erfolg war es das richtige. Das war nicht schön, aber da muss man durch. Ich bin da durch und am Ende stark rausgekommen.

John Watson, ein anderer früherer Pilot, bezeichnet Sie als die Überraschung der Saison, weil Sie im Vergleich zum stark eingeschätzten Hamilton so gut abschneiden. Warum wurden Sie immer noch unterschätzt, obwohl Sie Michael Schumacher in Rente geschickt haben?
Ob ich jetzt unter- oder überschätzt werde, das weiß ich nicht. So etwas ist mir auch nicht wichtig. Ich habe Riesenrespekt vor Michaels Leistung, in dem Alter noch einmal zurückzukommen. Für mich ist er auf einem enorm hohen Level gefahren, er war ein harter Gegner. Ich bin happy, dass ich ihn schlagen konnte. Jetzt habe ich den nächsten harten Gegner.

Wer ist besser: Lewis Hamilton oder Michael Schumacher?
Das kann man nicht vergleichen, das möchte ich auch nicht sagen. Das waren verschiedene Situationen und verschiedene Autos.

Sie sind seit 2006 in der Formel 1 und hatten bis vor kurzem keine wirklichen Kontroversen. Waren Sie zu nett?
Zu nett für was? Zu nett für Kontroversen?

Ja, man muss doch mal anecken.
Wer sagt das?

Sie haben das gerade gesagt.
Nein, ich habe gesagt, wenn die anderen dich nicht angreifen, dann stimmt was nicht.

Sie wirken jedenfalls immer nett, selbst wenn Sie häufiger als andere sagen, was Sie denken. Ist das gut in der Formel 1, so nett zu sein?
Ich bin hier, um Rennen zu gewinnen. Dafür ist die Position im Team sehr wichtig, da muss man sich durchsetzen. Da habe ich einen guten Weg gefunden. Natürlich kann ich mich auch da steigern und ändern, aber momentan bin ich ganz happy damit, wie es läuft. Das ist das, was zählt.

Ihr Vater Keke hat Michael Schumacher einmal einen Drecksack genannt. Muss man in der Formel 1 ein Drecksack sein, um nach ganz vorn zu kommen?
Ja, ab und zu wahrscheinlich schon. Ich denke, man kann auch ohne das Erfolg haben, aber ab und zu hilft das schon. Man muss da halt den richtigen Kompromiss finden.

Der ominöse Reifentest von Mercedes in Barcelona ist in dieser Hinsicht Ihre erste richtige Affäre. Der war doch zumindest Grauzone, oder? Sie sind zwar nicht bestraft worden …
… wir sind bestraft worden.

"Ich bin ein großer Tennis-Fan"

Aber milde.
Ansichtssache. Am einzigen Test in der Saison dürfen wir nicht teilnehmen.

Dennoch: War es richtig, diese Grauzone für sich ausnutzen?
Mir war nicht bewusst, dass das Grauzone war. Wir waren überzeugt, dass das alles hundertprozentig korrekt ist.

Haben Sie nach Ihrer Nettigkeit in Malaysia Angst gehabt, jetzt in eine Nummer-zwei-Rolle hineinzurutschen, wie viele Experten vermutet haben?
Nein. (Schaut zum Fernseher, wo Sabine Lisicki in Wimbledon Tennis spielt) Was ist passiert? Breakpoint! Habe ich kurz eine Sekunde?

Sind Sie Tennis-Fan?
Ja, ich bin großer Fan. Früher, als ich klein war, habe ich in der Mannschaft von Monaco gespielt. Meine Mutter wollte auch, dass ich Tennisspieler werde, mein Vater war eher für Rennsport. (Schaut wieder zum Fernseher) Ah, come on!

Wenn Ihre Mutter sich durchgesetzt hätte, könnten Sie jetzt im Wimbledon-Finale stehen.
Nein, glaube ich nicht. Aber ich war ganz gut. Ich fange jetzt auch wieder an zu spielen, weil mein Physiotherapeut Ex-Tennis-Profi ist. Nur die beidhändige Rückhand kriege ich nicht mehr hin. Das war früher meine Stärke, jetzt spiele ich nur noch Slice. Aber der kommt richtig gut. Wo waren wir stehen geblieben?

Bei der Angst vor der Nummer zwei.
Ach ja. Also erst mal gibt es keine Nummer eins oder Nummer zwei im Team, das gab es auch mit Michael nicht, obwohl das ein siebenmaliger Weltmeister war. Dieses Wissen hatte ich schon mal. Ich ziehe da mein Ding durch, und bin überzeugt, dass ich eine gute Leistung bringen werde für das Team. So gehe ich da rein. Was der Teamkollege macht, das schaut man dann am Ende der Saison. Aber natürlich ist es wichtig, vor dem Teamkollegen zu sein.

Haben Sie mit Lewis Hamilton über den Vorfall gesprochen? Es schien ihm peinlich zu sein, auf diese Weise vor Ihnen zu landen.
Er hat sich nicht so wohl gefühlt, das war schön zu sehen. Er hat gut reagiert.

Der Platztausch könnte Sie am Ende der WM wichtige Punkte kosten.
Das wäre zu früh, über so etwas zu reden oder nachzudenken.

Haben Sie mit Lewis Hamilton die Verabredung getroffen, dass er Ihnen die Punkte irgendwann zurückgibt?
Nein, nein. Das ist ja nichts zwischen mir und Lewis, das ist zwischen mir und dem Team. Wenn wir diesen Fall vorher diskutiert hätten, wäre es ja alles kein Problem gewesen, aber das hatten wir nicht. Das war der Fehler. Jetzt haben wir alle Eventualitäten geklärt, und ich bin sicher, dass das künftig keine Probleme mehr gibt.

Es heißt immer, man kann mit seinem Teamkollegen nicht befreundet sein. Sind Sie und Lewis Hamilton Freunde?
Wir verstehen uns gut und sind befreundet.

Sie wohnen in Monaco sogar im gleichen Haus. Da wird doch sicher jedes Abendessen zum Wettrennen.
Bei uns ist vieles Wettrennen, ja. Heute zum Beispiel haben wir neue Elektroroller vorgestellt und haben die am Ende einen Berg hochgeschoben. Am Ende war mir vom Sprinten so schlecht, weil ich unbedingt vor ihm sein wollte. Da ist überall Wettrennen dabei. Zu viel, aber egal.

"Ich könnte ohne Formel 1 leben"

Zu viel, weil Lewis Hamilton es so will, oder weil Sie es so wollen?
Beide. Voll übertrieben, aber so ist es halt. Man muss auch da den Kompromiss finden. Einerseits die Freundschaft, andererseits der harte Kampf auf der Rennstrecke, aber mit Respekt. Das haben wir bis jetzt sehr gut geschafft, das habe ich auch mit Michael geschafft.

Wie ist Ihr Nachbarschaftsverhältnis mit Lewis Hamilton?
Sehr gut. Wenn sein Kühlschrank leer ist, kommt er zu uns essen. Aber wir sind relativ selten zur gleichen Zeit da.

Lewis Hamilton hat eine Wohnung unter Ihnen. Es heißt, er versucht eine über Ihnen zu bekommen.
Ja.

Helfen Sie ihm dabei?
Nein.

Würde es Sie wiederum nerven, wenn er über Ihnen wohnen würde?
Nein, das ist mir völlig egal. Ich lebe in dem Gebäude mit einer kurzen Unterbrechung schon mein ganzes Leben, ich bin in dem Haus schon viermal umgezogen.

Wenn immer einer über dem anderen wohnen oder vor dem anderen landen will, führt das nicht irgendwann selbst unter Freunden zum Streit?
Sehr wahrscheinlich, oder? Aber wichtig ist, dass man sich dann ausspricht und es danach wieder mit Respekt weitergeht.

Sie wirken insgesamt sehr entspannt. Liegt das an Ihren beiden Siegen?
Es ist generell etwas entspannter und nicht mehr so ein Krampf, wenn man nicht jedes Wochenende versuchen muss, Siebter statt Neunter zu werden. Es ist ein tolles Gefühl, ein Auto zu haben, mit dem man vorne sein kann.

Gibt Ihnen das mehr Zufriedenheit auch zwischen den Rennen?
Nein. Ich habe letzte Woche noch drüber nachgedacht, ob ich durch meinen Silverstone-Sieg ein glücklicherer Mensch bin. Da kann ich definitiv sagen, dass das absolut null ändert. Genau wie Geld auch null ändert, natürlich erst ab einem gewissen Punkt. Wenn man genügend Geld hat, um nicht in Armut zu leben. Das ist auch eine wichtige Erkenntnis, dass die Zufriedenheit im Leben nicht von Rennsiegen kommt. Natürlich sind das tolle Erlebnisse und Erinnerungen, die man mit Freunden teilen kann, aber für das Generelle macht das keinen Unterschied.

Sie könnten also ohne die Formel 1 leben?
Schwer, leider. Da muss ich noch dran arbeiten.

Würde der WM-Titel Ihnen mehr Lebensqualität bringen?
Nein. Ich würde vielleicht häufiger in Restaurants hereinkommen, die schon voll sind. (Der frühere Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug betritt den Raum und begrüßt ihn: „Winner! Wie geht’s?“)

Hat sich auch Ihr Status in Monaco nach Ihrem Sieg dort geändert?
Mein Concierge redet auf einmal mit mir mehr über Formel 1, aber sonst ändert sich nichts. Das ist das Coole an Monaco.

Das Gespräch führte Christian Hönicke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false