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Nico Rosberg, 29, wurde in Wiesbaden als Sohn einer Deutschen und des Finnen Keke Rosberg geboren, der 1982 Formel-1-Weltmeister wurde. Rosberg wuchs in Monaco auf und fährt seit 2004 unter deutscher Lizenz. 2006 debütierte er in der Formel 1, seither hat er acht Siege erreicht. Im Mercedes wurde er letzte Saison WM-Zweiter.

© dpa

Nico Rosberg über sein Duell mit Lewis Hamilton: "Ich bereue nichts"

Mercedes-Pilot Nico Rosberg will Lewis Hamilton vom Formel-1-Thron stürzen. Dafür arbeitet er an seiner Zweikampfhärte. Ein Gespräch über Rad-an-Rad-Duelle, die Kollision von Spa und den Umgang mit dem Stallrivalen.

Von Christian Hönicke

Herr Rosberg, haben Sie die Niederlage im WM-Kampf gegen Ihren Mercedes-Kollegen Lewis Hamilton schon verwunden?

Gott sei Dank ist der Sport sehr schnelllebig, auch in meinem Leben. Insofern habe ich das gut verdaut. Ich war sehr schnell in meinem normalen Leben zurück und auch wieder glücklich.

Manchmal wirkte es, als wären Sie gegen Saisonende durch den Titelkampf ein anderer geworden. Sie wirkten sehr angespannt. Waren Sie noch der gleiche Mensch?

Ich finde nicht, dass ich ein komplett anderer war. Ich kann mich auf jeden Fall wiedererkennen. Klar, ich war angespannt, es ging um die Chance, einen großen Kindheitstraum zu verwirklichen. Andererseits hatte ich aber nichts zu verlieren. Diese Einstellung hatte ich auch. Ich war voll fokussiert, positiv und entschlossen.

Wird 2015 Ihre letzte Chance auf den Kindheitstraum, weil der Mercedes-Vorsprung auf die Konkurrenz danach aufgebraucht ist?

Letzte Chance, das ist nicht die richtige Art und Weise, das anzugehen. Das haben mir alle mehr oder weniger auch letztes Jahr schon so gesagt: Das könnte deine einzige Chance sein. So denke ich nicht. Ich bin im Moment drin, bin voll motiviert und attackiere und will den Titel jetzt holen. Das ist mein Re-Match, meine große Chance. Eins besser als letztes Jahr, das ist der Anspruch.

Re-Match heißt: Wegen des großen Vorsprungs von Mercedes wird es auch in diesem Jahr wieder ein Stallduell zwischen Ihnen und Hamilton um den Titel geben.

Nein, davon kann man nicht automatisch ausgehen. Der Winter war lang, es war viel Entwicklungszeit für Red Bull oder auch für Williams. Das werden auf jeden Fall zwei unserer Herausforderer. Da müssen wir abwarten.

Sie haben mal gesagt, ab und zu müsse man in der Formel 1 ein Drecksack sein. Sind Sie nach der Kollision mit Hamilton in Spa aus dem Tritt geraten, weil Sie unbedingt ein Drecksack sein wollten, das aber gar nicht sind?

Man muss gar nichts im Sport, das steht mal fest. Mit Sport fängt man an, weil es einem Spaß macht. Und dann kommt der Hunger nach dem Erfolg, denn es ist auch etwas Tolles, Erfolg zu haben. Und da gibt es keinen richtigen oder falschen Weg, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Auch ich muss da die Balance finden, wann ich ans Team denke und wann ich nur an mich denke. Das ist ein feiner Grat. Und in manchen Situationen finde ich es gut, auch selbst Härte zu zeigen, in anderen weniger.

Müssen Sie in diesem Jahr ganz einfach ein bisschen mehr Egoist sein, wenn Sie Weltmeister werden wollen?

Nein, nicht so direkt. Ich werde mich einfach anpassen und wieder die richtige Linie suchen, so wie letztes Jahr.

Haben Sie sich vom Team immer gerecht behandelt gefühlt in der vergangenen Saison, speziell in der Schuldfrage in Spa? Viele sahen da einen normalen Rennunfall.

Ich möchte das Thema eigentlich nicht so gern noch mal aufrollen. Aber ich bereue nichts, das steht fest. Ich habe den größeren Teil Schuld an diesem Rennunfall gehabt, darum habe ich die Verantwortung übernommen. Aber ich habe die Lücke gesehen und wollte sie nutzen. Ich habe daraus viel gelernt. Das war eine schwierige Phase, für uns alle. Aber in den schwierigen Phasen lerne ich am meisten im Leben, und das hat mich damals nur stärker gemacht und das macht mich auch stärker für die Zukunft.

Auch der frühere Pilot David Coulthard glaubt, dass Sie nach der Erfahrung Ihres ersten Titelkampfs stärker werden. Mit der Erfahrung aus dem Titelkampf: Wie würden Sie reagieren, wenn eine Situation wie in Spa in dieser Saison wieder auftreten würde: zurückziehen oder wieder durchziehen?

Wie gesagt: Ich bereue nichts. Ich muss nur daraus lernen und zukünftig besser umsetzen.

Coulthard sagt auch, er sehe noch Potenzial bei Ihnen, Hamilton dagegen könne sich im Grunde nicht mehr weiterentwickeln.

Ich bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass ich mich weiterentwickeln kann und werde. Das ist ein Fakt. Aber natürlich kann sich Lewis auch weiterentwickeln. Hoffentlich mache ich den größeren Schritt.

Wo wollen Sie sich verbessern?

In der Qualifikation habe ich gut gegen Lewis ausgesehen. Die Nuancen, wo ich noch ein bisschen was finden möchte, liegen im Rennen.

Wie kann man das denn in der Winterpause ohne Rennauto trainieren?

Ich trainiere im Simulator und auch zu Hause, zum Beispiel Koordination und Reaktion. Und auch Konzentration über einen längeren Zeitraum unter Druck, was ja auch im Rennen gefragt ist. Gerade da habe ich mein Training angepasst, denn das ist mir wichtig. Es geht gar nicht so sehr um den Rennspeed. Eher um verschiedene andere Sachen, wo es hier und da in der vergangenen Saison nicht ganz gereicht hat im Vergleich zu Lewis. Und daran versuche ich zu arbeiten.

In Monza und Sotschi haben Sie unter Druck Fehler begangen und sich verbremst. Wollen Sie das mit diesen Konzentrationsübungen künftig vermeiden?

Was heißt Konzentration? Das waren Situationen, in denen man am Limit ist im Rennwagen. Und wenn man am Limit ist, werden immer mal Momente kommen, wo man übers Limit geht. Das ist gar nicht möglich, das zu umgehen – außer man fährt weit unterm Limit. Aber so gewinnt man nicht. Natürlich möchte ich versuchen, diese Situationen über dem Limit zu reduzieren. Da waren halt ein paar zu viele kleine Momente, die mich dann Punkte gekostet haben.

In den Zweikämpfen hatten Sie gegen Hamilton oft das Nachsehen. Auch hier werden Sie sich verbessern müssen oder?

Ja, ganz klar. Ich habe in jedem Zweikampf mit Lewis dazugelernt, und da sind einige Sachen, wo ich denke, dass ich in Zukunft stärker sein werde. Wenn ich zum Beispiel das Rennen in Bahrain nehme, das werde ich in Zukunft besser machen. Und dann gewinne ich das Rennen.

In Bahrain haben Sie sich das ganze Rennen über mit Hamilton duelliert. Hamilton hat Sie dabei immer wieder aggressiv geschnitten und fast von der Strecke gedrückt, Sie haben ihm dagegen meist genug Platz für einen Konter gelassen. Wie wollen Sie in solchen Zweikämpfen künftig konkret dagegen halten?

Solche direkten Duelle sind eine ganz eigene Kategorie. Das ist sehr spezifische Rennsportkunst. Das kann man leider nicht so einfach erklären, das sind Nuancen, die man nur als Rennfahrer kennt und lernen kann. Da kommt man dann in außergewöhnliche Situationen, in denen man vorher noch nicht war. Man muss da sehr kreativ sein und seinen Fahrstil sehr viel anpassen, um sich durchzusetzen. Da geht es dann um Fragen wie: Wie nutzt man die Strecke? An welchen verschiedenen Stellen auf der Strecke bremst man? Wie lässt man dem Gegner weniger Platz?

Haben Sie das Gefühl, dass Sie in diesem Jahr mit einem Handicap in diese Duelle gehen, weil Sie nach Spa vom Team angezählt wurden und nun vorsichtiger sein müssen?

Nein, habe ich nicht. Die Ausgangssituation ist keine andere als vorher.

Alain Prost hat über Ayrton Senna gesagt: Er hat immer geglaubt, dass er im Recht ist. Auch Michael Schumacher hat quasi nie Schwächen zugegeben. Sie haben Ihre Niederlage offen eingestanden und Verbesserungspotenzial benannt. Das hat Ihnen viel Respekt eingebracht. Aber sind Sie als Rennfahrer da nicht zu selbstkritisch?

Nein, prinzipiell mache ich das, weil ich den Fans ein paar interessante Informationen geben möchte. Deswegen machen wir ja auch dieses Interview. Also versuche ich interessante Sachen zu sagen, zum Beispiel eben jetzt, wo ich mich verbessern kann. Das ist recht simpel.

Prost hat auch gesagt, der Kampf mit Senna bei McLaren sei Ende der achtziger Jahre eskaliert, weil er das Gefühl hatte, vom Team benachteiligt worden zu sein. Wie sieht es bei Mercedes aus?

Da haben wir das Glück, dass das Team uns beide gleich behandelt. Das ist toll zu sehen, da machen die Chefs einen guten Job. In der Hinsicht hat keiner von uns Bedenken.

Haben Sie mal bei Prost angefragt, ob er Ihnen vielleicht ein paar Tipps für so ein Stallduell geben kann? Unter Tennisspielern gibt es ja den Trend, Legenden als Mentor zu verpflichten, wie etwa bei Novak Djokovic und Boris Becker.

Ich tue mich schwer, das so richtig zu verstehen. Im Tennis hat man natürlich viel mehr Technik, an der man als Trainer auch richtig mit dem Spieler arbeiten kann. Das ist im Rennsport nicht möglich. Du fährst ja nicht mit, du kannst nicht im Auto an der Fahrweise arbeiten. Ich denke, das ist ein großer Unterschied zum Tennis. Da hat dann so jemand wie Boris Becker das Auge, was sehr wichtig ist als Trainer, und kann das Tennis von Djokovic verbessern. Im Rennsport kann man nur situationsbedingt beistehen, aber das ist ein zu kleiner Bereich, als dass da jetzt einer die ganze Zeit mitreisen müsste.

Aber vielleicht könnte Prost Ihnen Tipps im Umgang mit dem Rivalen geben. Er sagt, Senna habe ihn damals nicht nur schlagen, sondern regelrecht zerstören wollen. Sie haben Hamilton gerade per Twitter zum Geburtstag gratuliert, wenn auch mit einem Augenzwinkern. Müssen Sie Ihren Teamkollegen nicht auch mental zerstören wollen, um ihn zu schlagen?

Auch da: Es gibt kein Muss, sondern verschiedene Wege. Letztes Jahr hat es nicht gereicht. Dieses Jahr werde ich versuchen, meinen Weg so anzupassen, dass ein bisschen mehr daraus wird. Auch in der Hinsicht, wie ich mit Lewis umgehe. Aber gerade ist die Situation zwischen uns ganz in Ordnung, ganz neutral.

Aber nur, weil Sie sich derzeit nicht auf der Strecke duellieren.

Ja, vielleicht. Stimmt (lacht).

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