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Sport: „Nie geschossen und trotzdem im Kader“

Langlauftrainer Jochen Behle über Probleme im Schatten des Biathlon und wechselwillige Athleten.

Herr Behle, sind Sie zufrieden mit der Saison Ihrer Athleten?

Im Großen und Ganzen muss man das Jahr als durchwachsen beschreiben. Bei den Damen hatten wir einen sehr schwierigen Einstieg. Aber mit dem sechsten Platz von Katrin Zeller bei der Tour de Ski, dem Saisonhöhepunkt, können wir zufrieden sein.

Ihre Männer waren noch wankelmütiger.

Tobias Angerer hat sich gut verkauft. Er hat eine sehr konstante Saison abgeliefert. Mit Axel Teichmann und Jens Filbrich kann man definitiv nicht zufrieden sein. Neben den absoluten Topergebnissen hatten sie totale Ausfälle, die nicht vorauszusehen oder nachvollziehbar waren. Axel ist beim Weltcup-Finale nicht mal dabei, weil er es nicht unter die Top 50 geschafft hat. Das sah in der Vergangenheit deutlich besser aus.

Vor fünf Jahren hat Tobias Angerer noch den Gesamtweltcup gewonnen. Was hat sich seither verändert?

In der Zeit haben wir viermal hintereinander den Gesamtweltcup gewonnen, mit drei verschiedenen Sportlern. Die sind alle jetzt ein bisschen älter. Bei anderen Nationen sind die, die damals mitgelaufen sind, heute gar nicht mehr aktiv.

Und wo versteckt sich der deutsche Nachwuchs?

Wir sind keine Langlaufnation, und solche Talente wie Tobias Angerer oder Axel Teichmann oder damals René Sommerfeld gibt es nun mal nicht ständig. Damit müssen wir leben. Im Frauenbereich wird es künftig sogar extrem schwer, die Staffel zu besetzen, weil wir da sowieso eine sehr, sehr dünne Decke haben.

Das klingt nach einer düsteren Zukunft.

Wir haben ja Sportler, die vorne mitlaufen können. Wir müssen aber auch konstatieren, dass es gerade bei den Frauen ein bisschen langweilig geworden ist. Weil durch Marit Björgen und Justyna Kowalczyk eigentlich immer zwei der drei Plätze auf dem Podest reserviert sind. Das macht die Sportart nicht unbedingt interessant, wenn man nicht selbst der Seriensieger ist.

Sie spielen auf die klare Hierarchie im deutschen Wintersport an. Langlauf ist lange nicht so präsent wie Biathlon.

Wir sind schon so fair anzuerkennen, dass die Biathleten erfolgreicher waren als wir und deshalb einen ganz anderen Stellenwert haben. Je bessere Ergebnisse man bringt, desto mehr Präsenz hat man. Das ist gerade in Deutschland ganz extrem. Wer nicht so erfolgreich ist, fällt eben ein bisschen hinten runter. Da müssen wir uns aber an die eigene Nase fassen. Wir dürfen uns nicht beschweren, sondern müssen versuchen, selbst wieder die Ergebnisse zu bringen, die uns attraktiver machen.

Wie soll das funktionieren, wenn einige Ihrer Athletinnen nun auch noch vom Biathlon abgeworben werden?

Die Entscheidung zum Wechsel bleibt letztlich den Sportlern überlassen – ich werde nicht an ihnen zerren. Aber ich persönlich glaube nicht, dass man mit so einem Schnellschuss, der ja im Hinblick auf Olympia 2014 in Sotschi wirken soll, erfolgreich sein kann. Ich bin lange genug in der Szene dabei. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man in zwei Jahren aus einer mittelmäßigen Langläuferin plötzlich eine Weltklassebiathletin machen kann. Das wäre ja eigentlich ein Armutszeugnis für die Sportart.

Sie denken, dass es sich um eine Panikreaktion handelt?

Das Problem ist sicherlich, dass mit Magdalena Neuner jetzt die Vorzeigesportlerin schlechthin aufhört. Die hat mit ihren Erfolgen alles abgesichert. Momentan gerät da ein bisschen Hektik rein, weil man merkt, dass eine Lücke entstanden ist. Man tut beiden Sportarten nicht unbedingt gut mit der Aktion.

Ihre Kritik richtet sich besonders gegen den Skiverband, der die Wechsel forciert. Ist es wirklich so schlimm, das zu fördern, was am populärsten ist?

Es sind schon klare Offerten an unsere Athletinnen. Da kriegt man gleich Kaderplätze, ohne jemals geschossen zu haben. Das ist nicht unbedingt das Leistungsprinzip, das ich an den Tag lege.

Das Gespräch führte Katrin Schulze.

Jochen Behle, 51,

gewann in seiner aktiven Zeit ein Weltcuprennen und wurde 1990 Vierter im

Gesamt-Weltcup.

Seit 2002 ist er Bundestrainer der deutschen Langläufer.

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