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Dimitrij Owtscharow, 22, gewann mit dem deutschen Team vier Mal EM-Gold und 2008 Olympia-Silber. Nach der Zwangspause wegen des positiven Clenbuterol-Tests tritt der Weltranglistenzwölfte ab Freitag beim prestigeträchtigen World Cup in Magdeburg an. Foto: pixathlon

© pixathlon / Agentur Diener

Sport: „Nie mehr Fleisch in China“

Tischtennisprofi Owtscharow über sein Comeback nach der Clenbuterol-Affäre

Herr Owtscharow, können Sie eigentlich mit Ihren Tischtenniskollegen schon wieder Witze machen übers Fleischessen?

Nein, so weit bin ich noch nicht. Das kommt irgendwann später.

Fleisch in China hat Ihnen nach Einschätzung der Gutachter eine positive Dopingprobe mit Clenbuterol eingebracht. Ihre Suspendierung ist inzwischen aufgehoben, am Freitag können sie beim World Cup in Magdeburg erstmals wieder bei einem großen Turnier mitspielen.

Ja, ich bin wieder frei.

Das hört sich nach Gefängnis an.

Es war wirklich eine furchtbare Zeit. Ich musste nach der EM wegen einer Verletzung sowieso zwei Wochen Pause machen, dann kamen noch mal drei Wochen dazu. So eine lange Pause vom Tischtennis habe ich noch nie gemacht.

Haben Sie denn wenigstens trainiert?

Mit meinem Vater habe ich in dieser Zeit vielleicht drei Mal eine Stunde gespielt. Aber richtiges Training war nicht möglich, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders war. Ich hatte auch auf nichts Lust, ich konnte an nichts anderes mehr denken.

Sie sind ein Spieler, der für alles einen Plan zu machen scheint. Für diese Zeit hatten Sie keinen.

Die Kontrolle lag überhaupt nicht mehr in meinen Händen. Ich wusste auch selbst nicht über alle Schritte zu meiner Verteidigung Bescheid. Die meiste Zeit habe ich zu Hause gesessen und Fernsehen geguckt, irgendwelche Serien wie Two and a Half Men. Die Tage waren lang und ich habe nichts getan. Es war alles neu und anders für mich. Vom Kopf her kann man das kaum verarbeiten.

Haben Sie sich denn in dieser Zeit wenigstens zum Experten im Thema Doping weitergebildet?

Doping nicht, Doping interessiert mich auch nicht. Aber beim Clenbuterol bin ich jetzt wirklich Experte. Da habe ich alles gelesen, was ich im Internet dazu finden konnte.

Sind Sie im Kopf jede einzelne Mahlzeit während Ihres Aufenthaltes bei den China Open durchgegangen, um das kontaminierte Fleisch ausfindig zu machen?

Ja, aber ich habe auch nur das gegessen, was die anderen gegessen haben, am Flughafen, im Flugzeug und im Hotel. Und im Hotel immer am Büffet. Bei den anderen Spielern aus unserer Mannschaft ist ja auch Clenbuterol gefunden worden. Dass es weniger war als bei mir, lag daran, dass ich der einzige war, der am Montag nach unserer Rückkehr kontrolliert wurde, die anderen erst am Dienstag oder Mittwoch. Clenbuterol baut sich eben dann ab.

Ihr Fall hat auch die Frage aufgeworfen, warum nicht regelmäßig Chinesen positiv auf Clenbuterol getestet werden, wenn es in der Tiermast dort so häufig eingesetzt wird.

Das lässt sich leicht erklären. Wir haben in Köln eines der besten Dopingkontrolllabore der Welt. Die arbeiten mit ganz anderen Grenzwerten beim Clenbuterol. Es wäre auch cool gewesen, wenn ich bei den China Open negativ getestet worden wäre und ein paar Tage später in Deutschland positiv. Dann hätten alle gesehen, wie der Fall liegt.

Werden Sie sich in China künftig nur noch vegetarisch ernähren?

Fleisch in China werde ich nie mehr essen. Das kann ich mit meinem Gewissen gar nicht vereinbaren. Es gibt ja auch andere Länder, in denen das Problem auftauchen kann. In Indien habe ich übrigens mal bei einem Turnier auf Fleisch verzichtet, weil es extrem scharf war. Da habe ich nur Reis, Nudeln und Fisch gegessen. Das Turnier habe ich gewonnen, es geht also auch ohne Fleisch.

Wie fühlt sich Tischtennis jetzt für Sie an?

Es macht mir einfach sehr viel Spaß. Mein Niveau von vorher habe ich noch nicht wieder erreicht, dafür brauche ich noch ein paar Wochen und Monate. Aber ich habe dafür anderes gelernt in dieser Zeit.

Was denn?

Ein Tischtennisspiel zu verlieren ist nicht so tragisch. Ich bin jetzt relaxter. Am Tisch wird mir diese Erfahrung vielleicht helfen, in schwierigen Situationen gelassener zu sein. Man muss das genießen, was man hat. Ich freue mich einfach, wieder in die Halle zu kommen, wieder Olympia im Kopf zu haben. Es ist viel schöner, als es vorher war. Ich bin jetzt so glücklich, wie ich vorher traurig war.

Was bedeutet das für den World Cup?

Ich will natürlich meine Spiele gewinnen, das Viertelfinale ist mein Ziel. Aber wenn es nicht klappt, dann bin ich diesmal weniger enttäuscht.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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