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Wieder nichts. Der 1. FC Union hat unter dem neuen Trainer André Hofschneider (rechts) noch kein Spiel in der Zweiten Liga gewonnen. Das Ziel Aufstieg gerät damit immer weiter aus dem Blickfeld.

© dpa

Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg: 1. FC Union Berlin: Das Fleisch ist willig, der Geist schwach

Der Aufstieg dürfte für den 1. FC Union erledigt sein. Nach dem 0:1 gegen Nürnberg verpflichtet der Klub Innenverteidiger Marvin Friedrich.

Über ein Thema wollte beim 1. FC Union Berlin am Freitagabend wirklich niemand sprechen. „Zu unseren Aufstiegschancen wurden wir in den vergangenen Wochen oft genug gefragt. Wir haben Etappenziele, und das nächste ist ein Sieg gegen Bielefeld“, sagte Torjäger Sebastian Polter nach der ernüchternden 0:1-Heimniederlage gegen den 1. FC Nürnberg. Auch André Hofschneider hatte wenig Lust, über die Auswirkungen auf Unions Chancen im Rest der Saison zu spekulieren. „Wir haben die Tabelle vorher nicht als Aushängeschild genommen und werden das auch jetzt nicht tun“, sagte der Trainer. Auf dem Statistikzettel, der nach den Spielen im Medienraum verteilt wird, fehlte das Tableau der Zweiten Liga gleich komplett. Das Thema Aufstieg scheint bei Union momentan auf dem Index zu stehen – und hat sich für diese Saison mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erledigt.

Das sagt zwar niemand offen, die Ergebnisse der letzten Monate sowie die Tabelle sprechen aber eine deutliche Sprache. Seit sieben Spielen wartet Union auf einen Sieg und hat drei der vier Begegnungen unter Hofschneider verloren. Als Tabellenachter beträgt der Rückstand auf den Relegationsrang bereits acht Punkte. Zu den direkten Aufstiegsplätzen sind es bereits zehn Zähler. Bei noch 14 ausstehenden Spieltagen würde den Berlinern nicht einmal ein mittelgroßes Fußballwunder reichen. In den vergangenen beiden Jahren hatte der Tabellendritte am Ende der Saison 65 und 66 Punkte. Aktuell könnten ein paar weniger reichen. Selbst mit 14 Siegen kann Union aber nur noch auf 69 Zähler kommen – und nach solch einer Siegesserie sieht es momentan nun wirklich nicht aus.

Am Tag nach der Niederlage vermeldeten die Berliner eine weitere Verpflichtung. Marvin Friedrich, Innenverteidiger vom FC Augsburg, unterschrieb einen Vertrag bis zum 30. Juni 2021. Friedrich, 22 und U-19-Europameister, hat für Schalke 04 sieben Bundesligaspiele bestritten, für den FCA aber ist er ausschließlich in der U 23 zum Einsatz gekommen.

Am Freitag wirkten die Berliner noch ziemlich ratlos. „Wir lassen vieles vermissen, was uns stark gemacht, was wir auch in dieser Saison schon gezeigt haben“, ärgerte sich Polter. Pressing und Umschaltspiel funktionieren nicht mehr. „Das Bemühen ist da, uns fehlt aber die Galligkeit.“ Hofschneider wollte seiner Mannschaft diesbezüglich keinen Vorwurf machen. Sie habe nicht plötzlich das Fußballspielen verlernt. „Es kommt in jeder Liga darauf an, wie viel Selbstvertrauen du hast“, sagte er. Und da liegt momentan wohl Unions größtes Problem.

"Sieben Spiele ohne Sieg sind sehr schwierig für den Kopf"

Die Verunsicherung zieht sich durch die vergangenen Wochen wie ein roter Faden. Daran haben der Trainerwechsel und auch die Vorbereitung nichts geändert. „Sieben Spiele ohne Sieg sind sehr schwierig für den Kopf, besonders wenn du vorher vom Aufstieg geredet hast“, sagte Abwehrspieler Marc Torrejon.

In vielen Situationen sieht es geradezu hilflos aus, was die Berliner zeigen. Als sich Nürnberg nach dem frühen Führungstreffer zurückzog und die Räume eng machte, tat sich Union extrem schwer. Wie schon in Kiel hatte die Mannschaft deutlich mehr Ballbesitz, nutzte diesen aber kaum. „Wir spielen viel quer und nach hinten, vergessen dabei aber unsere Stärken“, sagte Polter. Er meinte damit schnelle Pässe in die Tiefe, um Eins-gegen-eins-Situationen oder Überzahl im letzten Drittel zu schaffen. Kam Union vor der Pause immerhin noch einige Male gefährlich zum Abschluss, war es danach steriles Ballgeschiebe ohne Inspiration und mit vielen Fehlern. Nürnbergs Trainer Michael Köllner lobte die Berliner zwar, wie es schon viele Gegner in dieser Saison gemacht haben, und sprach von „viel Qualität“. Hofschneider schränkte jedoch ein: „Qualität muss man auch bestätigen, das zeichnet große Mannschaften aus.“

In diese Kategorie gehört sein Team aktuell nicht. Es macht immer mehr den Eindruck, Union habe mehr mit sich selbst als mit dem Gegner zu tun. Beinahe könnte man den Spruch „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ umkehren. Denn fit sind die Berliner, nur der Kopf spielt nicht mit. „Wir müssen Mentalität zeigen und brauchen einen Sieg, und danach noch einen Sieg“, sagte Torrejon.

Ein Erfolgserlebnis fehlt, die Verunsicherung ist spürbar. „Es sind oft Dinge, die sich im Unterbewusstsein abspielen, die dafür sorgen, dass Abläufe nicht mehr funktionieren“, sagte Hofschneider und nannte als Beispiel Akaki Gogia. Dessen Leistung gegen Nürnberg war ein Spiegelbild seiner Saison – bemüht, in der ersten Halbzeit sehr aktiv, aber auch mit unerklärlichen Fehlern wie vor dem 0:1. „Vieles geht ihm nicht mehr so leicht von der Hand, obwohl er in der letzten Saison überragend gespielt hat“, sagt der Trainer.

War Hofschneider nach dem 2:2 in Kiel noch froh, dass es schon drei Tage später weiterging, dürfte er sich nun über die etwas längere Pause bis zum nächsten Spiel am 5. Februar in Bielefeld freuen. Am Wochenende hat die Mannschaft frei – auf die Tabelle sollten die Unioner dann am besten nicht schauen.

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