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Sport: Niederlage total

Hertha BSC verliert 0:3 gegen Bremen und muss wochenlang auf den verletzten Marcelinho verzichten

Berlin. Als er das Virchow-Krankenhaus verließ und wenig später als Beifahrer im Autoradio die Bundesliga-Sendung hörte, wurde seine Stimmung noch schlechter. Da wusste Marcelinho endgültig, dass diese Saisonpremiere für ihn ein ausgesprochener Unglückstag war. Nicht nur, dass Hertha BSC mit dem 0:3 (0:2) gegen Werder Bremen einen unvermuteten, ernüchternden Fehlstart hatte. Noch mehr traf den Brasilianer, dass er in den nächsten sechs bis acht Wochen nur Zuschauer ist, wenn seine Kollegen ihrem Job als Profifußballer nachgehen. Kurz vor der Halbzeitpause erlitt Marcelinho ohne Einwirken eines Gegenspielers einen Mittelfußbruch. Marcelinho, in der Vorsaison mit 14 Toren erfolgreichster Herthaner und Garant für höhere Spielkultur, wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht und bekam einen Gipsverband.

„Das ist eine Katastrophe. Schließlich ist Marcelinho ein Weltklassespieler. Und für mich fällt er als Anspieler nun auch aus“, klagte Stürmer Fredi Bobic. Er hatte, wie viele im Olympiastadion, gar nicht mitbekommen, was sich da dicht an der Seitenlinie abgespielt hatte. Marcelinho war im Rasen hängen geblieben und wälzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden. Es war wieder der Fuß, den er sich schon vor einer Woche beim Testspiel gegen Galatasaray Istanbul verletzt hatte. Damals war er mit einer schweren Prellung davongekommen, gestern nun brach die vorgeschädigte Stelle.

Als Marcelinho mit einer Trage fortgebracht wurde, musste er schon geahnt haben, dass dies weder sein Tag war noch der seines Arbeitgebers. Da lag Hertha nämlich schon 0:2 im Rückstand, und nichts deutete darauf hin, dass es – schon gar nicht nach des Brasilianers Ausscheiden – die Wende zum Guten geben würde. Waren das wirklich die Bremer, die Tage zuvor im UI-Cup gegen die unbekannten Österreicher aus Pasching beim 0:4 so vorgeführt worden waren? „Ich mache meiner Mannschaft vor allem den Vorwurf, dass sie die Bremer nicht noch mehr verunsichert hat“, kritisierte Trainer Huub Stevens. „Wenn ich alles aufzählen wollte, was heute schief gelaufen ist, würde ich Stunden brauchen.“ Seine Konsequenz: Der heutige freie Tag wurde gestrichen.

Schwach waren fast alle. Torhüter Gabor Kiraly lieferte seinen zahlreichen Kritikern ungewollt neue Nahrung. „So einfache Fehler dürfen einfach nicht passieren“, sagte Kiraly, womit er sich allerdings nicht selbst meinte, sondern seine Vorderleute. Die ließen sich in der Tat zeitweilig wie Lehrlinge vorführen. Doch ihre Teamkollegen standen ihnen kaum nach. Als Stevens gefragt wurde, wie er die Zugänge Fredi Bobic, Niko Kovac und Artur Wichniarek gesehen habe, sagte er: „Die waren auch Ausfälle.“ Da musste die Enttäuschung schon sehr tief sitzen. Normalerweise vermeidet es Stevens, Spieler in der Öffentlichkeit zu kritisieren.

Wie anders spielten doch da die Bremer auf. Die Abwehr kam höchstens bei einem abgefälschten Freistoß von Marcelinho und einem Schuss von Wichniarek in Gefahr, bei ihren Kontern brillierten Ailton, Charisteas und Micoud, dass selbst neutrale Zuschauer staunten. Natürlich, nach einem 2:0 oder gar 3:0 kann man locker aufspielen, hat man auch die Räume beim Kontern. Doch wer so leichtfüßig, so clever kombiniert, der ist entweder in erstaunlicher Frühform oder der Gegner macht es ihm besonders leicht.

Als der überragende Ailton nach 65 Minuten mit seinem zweiten Tor für das 3:0 gesorgt hatte, höhnten die Werder-Fans „Und ihr wollt die Hauptstadt sein“, und viele Hertha-Anhänger unter den 40 000 Zuschauern traten bereits den Heimweg an.

Klaus Rocca

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