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Holand

© dpa

Niederlande: Die Welle rast weiter

Die ausgeruhten Niederländer freuen sich aufs Viertelfinale, warnen jedoch vor zu viel Euphorie. Denn sie wissen aus eigener Erfahrung: Zu viel Anfangsschwung kann die Konzentration beeinträchtigen.

Klaas Jan Huntelaar hat in den vergangenen drei Spielzeiten bei Ajax Amsterdam 96 Tore erzielt. In jeder anderen Nationalmannschaft auf der Welt wäre der 24-jährige Angreifer mit dem Spitznamen „The Hunter“ (Der Jäger) wohl Stammspieler. Weil die Oranjes aber erstens traditionell nur einen Mittelstürmer aufstellen und zweitens derzeit einen Ruud van Nistelrooy in der Form seines Lebens zur Verfügung haben, musste der buchstäblich zwischen Kraut und Rüben im Dörfchen Drempten (Region Achterhoek) aufgewachsene Lehrersohn bis zum Dienstagabend auf seinen ersten Einsatz bei einem großen Turnier warten. Vor zwei Jahren hatte ihn Marco van Basten gar nicht erst nominiert für die Weltmeisterschaft.

Huntelaar hat diese Geringschätzung mit typischem Gleichmut ertragen. „Auf der Bank zu sitzen, ist Teil der Aufgabe“, referierte er nach dem 2:0-Sieg gegen die Rumänen. Ob der Schütze des 1:0 bei diesem Turnier noch einmal zum Einsatz kommt, ist fraglich. Auch in der kommenden Champions-League-Saison wird er nicht zu sehen sein, es sei denn, es klappt endlich mit einem Wechsel zu einem Spitzenverein. Denn Ajax hat sich nicht qualifiziert.

Huntelaar konnte trotzdem äußerst zufrieden in den Bus zurück nach Lausanne steigen. Wichtiger noch als sein Tor gegen die schwachen Rumänen war die Wirkung dieses Treffers: Huntelaars Abstauber nach Flanke von Khalid Boulahrouz in der 54. Minute besiegte vor allem den Verdacht, die bereits fürs Viertelfinale qualifizierten Holländer könnten ihr letztes Gruppenspiel abschenken, um sich so Italien und Frankreich zu entledigen.

„Wir wollten unser eigenes Spiel spielen und gewinnen“, versicherte Huntelaar durchaus glaubhaft. Van Bastens auf neun Positionen verändertem Team drohte in Bern die Gefahr, seinen guten Ruf zu verspielen, doch nach dem schweißlosen Pflichtsieg ist die Reputation intakt und das Ansehen nur noch größer geworden. Das halbe Holland reichte am Dienstag immer noch, um die Ehrfurcht vor dieser Elf zu verdoppeln. Die orangene Welle rast nun von Bern weiter gen Norden und auf Basel zu, „120 000 Fans“ erwartet Verteidiger Joris Mathijsen zum Viertefinale am Samstag. Dazu werden, wie in der Hauptstadt zu sehen, noch unzählige Schweizer kommen, die nach dem Aus des eigenen Teams ihre Sympathien van Bastens Kontergenies geschenkt haben. In ganz Europa werden die Niederlande derzeit als Lieblingsteam der Neutralen wiederentdeckt, die Dunkelziffer der Gelegenheitsholländer wird täglich größer.

Die Niederländer aber wissen aus schmerzhafter Erfahrung bei früheren Turnieren, dass zu viel Anfangsschwung die Konzentration beeinträchtigen kann. Nigel de Jong sagte, für die Stammelf sei es sehr schön gewesen, eine Ruhepause zu machen; so sei gewährleistet, dass alle „großen Hunger auf das Viertelfinale“ hätten. „Im nächsten Spiel kann alles aus sein“, warnte Mathijsen und erinnerte an die WM, als man nach einem überzeugenden Start – auch damals in der „Todesgruppe“ des Turniers – gleich im Achtelfinale gegen Portugal ausschied. Deswegen interessieren sich die Holländer nicht für die tollen Kritiken, die sie im Moment bekommen. „Die Geschichte“, sagte Mathijsen, „geht jetzt erst richtig los.“

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