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Sport: Nils Schumann: Früher war alles anders

Wenn der Trainer einen Satz mit dem Wörtchen "früher" beginnt, setzt bei Nils Schumann eine Art Schutzreflex ein "Nur nicht nerven lassen". Denn dann kommen von Dieter Herrmann Sprüche wie: "Deine 55 km Trainingsumfang in der Woche haben früher die 16-Jährigen runtergerissen - Wenn wir früher mal am Wochenende aus gegangen sind, dann war spätestens um 24 Uhr Schluss und nicht wie heute früh um fünf - Das Wichtigste früher bei der Vorbereitung auf Höhepunkte war intensives Training, keine Wettkampftingelei und keine Ablenkung.

Wenn der Trainer einen Satz mit dem Wörtchen "früher" beginnt, setzt bei Nils Schumann eine Art Schutzreflex ein "Nur nicht nerven lassen". Denn dann kommen von Dieter Herrmann Sprüche wie: "Deine 55 km Trainingsumfang in der Woche haben früher die 16-Jährigen runtergerissen - Wenn wir früher mal am Wochenende aus gegangen sind, dann war spätestens um 24 Uhr Schluss und nicht wie heute früh um fünf - Das Wichtigste früher bei der Vorbereitung auf Höhepunkte war intensives Training, keine Wettkampftingelei und keine Ablenkung." Dinge, die der 22-jährige Schumann oft ganz anders sieht. Oder anders sehen muss. Denn, wenn Herrmann von früher spricht, dann sind die Glanzzeiten der Thüringer Laufhochburg Erfurt gemeint. Dazu gehörte Dieter Herrmann (59), einst ein 3000-m-Hindernisläufer internationalen Formats. Oder die Klubkollegen Manfred Matuschewski und Dieter Fromm - beide Europameister über 800 m. Davor waren Siegfried Herrmann und Klaus Richtzenhain (Olympiasilber 1956) und Anfang der 90er Jahre Hauke Fuhlbrügge Weltklasse über 1500 m. Argumente, die auch im Zeitalter der Spaßgeneration überzeugen.

Mitunter leitet Schumann, der 1998 bei den Erwachsenen auf Anhieb als Europameister in der Halle wie im Freien durchstartete, die Ausflüge seines Mentors in die Vergangenheit wie ein Blitzableiter weiter. Und sagt er beispielsweise: "Ich habe einen Osttrainer und bereite mich auf Sydney ganz nach Ostmethodik vor". Und registriert mit diebischem Vergnügen, wie Journalisten neugierig werden und etwas Geheimes aus der Zauberküche des DDR-Sports wittern.

Was sich so mysteriös anhört, erläutert der Trainer: "Nils hat zu Saisonbeginn durch eine Angina Trainingsausfall gehabt. Dadurch fehlt Substanz. Wir werden jetzt zwei Wochen in Erfurt an den Grundlagen für Ausdauer und Kraft arbeiten und gehen dann für drei Wochen nach Oberhof zur speziellen Geschwindigkeitsausprägung." Nur ein öffentlicher Testwettkampf sei noch geplant. Schumann hat schweren Herzens auf die auch finanziell lukrativen Starts bei den kommenden Meetings einschließlich seines Lieblingssportfestes in Zürich verzichtet. Im Gegenzug hat ihm Herrmann zugestanden, 2001 könne sein Schützling bei "allen Sportfeste laufen", bei denen er möchte. Aus Erfurt ist Herrmann übrigens mit seiner erfolgreichen Laufgruppe, die in allen Altersklassen Titel sammelt, zum Vorortverein Creaton Großengottern umgesiedelt.

Im September will Schumann insolympische Finale einziehen. Dazu brauche er - und damit ist er der gleichen Meinung wie sein Trainer - ein "Niveau für 1:43er Zeiten". Im Vorjahr markierte er 1:44,47, was unter den besten Deutschen aller Zeiten die fünfte Position bedeutet (Rekord 1:43,65 Wülbeck 1983). Mit dieser Basis sprang für Schumann 1999 aber nur der achte WM-Platz heraus. Nils habe, so sein Trainer, bis jetzt vor allem von seinem Talent und seiner Unverbrauchtheit gelebt, "doch nun ist er als Arbeiter mit professioneller Einstellung gefragt." Ein von den Medien aufgebauschtes Detail sei gewesen, nach dem Beispiel der leichtgewichtigen Afrikaner sein Gewicht von 77 kg (bei 1,92 m Größe) auf etwa 72 kg zu reduzieren. Herrmann: "Das ist Quatsch. Er hat nur die deftige Thüringer Kost mit fetter Wurst, Braten und Ei aufgegeben und dadurch zwei Kilogramm abgebaut."

Der erwähnte achte WM-Finalrang 1999 war für den Abiturienten, der das Sportgymnasium mit sehr guten Abiturnoten verließ, der letzte Anstoß zu härterem Training. In Sevilla war er bei 67 Mitbewerbern, die bereits im Vor- und Zwischenlauf gnadenlos Tempo liefen, im Finalrennen ausgelaugt. Und taktisch dürfte der exzellente Spurter Schumann auch niemand mehr überraschen. Konnte er sich bisher an die Gegner anhängen und sie am Ende raumgreifenden Schrittes überholen, so kleben sie nun an seinen Sohlen. Wie der kleine Holländer Sam Bram kürzlich in Chemnitz, der von hinten wie ein Schatten auftauchte und den Deutschen um ein Haar besiegt hätte.

Ernst Podeswa

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