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Schattenwelten. Bei der Nordischen Ski-WM offenbarte sich die dunkle Seite des Wintersports.

© Hendrik Schmidt/dpa

Nordische Ski-WM in Seefeld: Im Schatten des Dopingskandals: Die Schuld der Anderen

Die Bilanz der Nordischen Ski-WM in Seefeld ist erschreckend. Nach dem Dopingskandal will aber niemand die Verantwortung übernehmen.

Auch wenn der Himmel über Seefeld am Samstag grau war, die Veranstalter der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften setzten wieder die strahlenden Gesichter der Sieger in Szene: Skilangläuferin Therese Johaug etwa. Die blonde Norwegerin hüpfte für die Fotografen mehrmals im Ziel in die Höhe. Kurz zuvor hatte sie über 30 Kilometer ihre dritte Goldmedaille dieser WM gewonnen. Es soll ja immer weitergehen. Aber die Leichtigkeit des bloßen Sports, die Leichtigkeit etwa, mit der die Skilangläufer über die Loipen fegen oder mit der die Skispringer durch die Lüfte schweben, wird nicht der bleibende Eindruck am Ende der WM in Tirol sein.

Bleiben werden von den Wettbewerben, die großartig organisiert waren und in (fast) bestmöglicher Kulisse stattfanden, erschreckende Bilder aus der Schattenwelt des Sports. Etwa jenes, wie der Österreicher Max Hauke mit angstvollem Blick in eine Kamera schaut. In seinem Arm steckt eine Blutttransfusionsnadel. Neben ihm steht ein Polizist. Der entwürdigende Videoclip, auch so eine Ungeheuerlichkeit, soll von einem ermittelnden Beamten weitergegeben worden sein.

Österreicher Hauke ist nun ein Gesicht des Skandals

Hauke, in flagranti beim Blutdoping erwischt, ist wegen des Videos nun ein Gesicht des Skandals. Doch dieser beschränkt sich nicht nur auf eine Person. Neben Hauke sind während der WM in Seefeld noch vier weitere Langläufer vorübergehend festgenommen worden. Den Sportlern drohen bis zu drei Jahre Haft. Zudem, und das dürfte der eigentliche Coup der Ermittlungen gewesen sein, flog der deutsche Sportarzt S. auf. Es deutet vieles darauf hin, dass er in seiner Erfurter Sportpraxis in den vergangenen Jahren ein Doping-Labor aufgebaut hat – mit einem umfangreichen Kundenstamm. Nun sind bislang keine deutschen Sportlerinnen oder Sportler in den Dopingskandal verwickelt. Doch das könnte sich bald schon ändern.

Die Ermittler haben laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mehr als 40 Blutbeutel in der Praxis von S. beschlagnahmen können. Über DNA-Tests dürften die Beutel den Spendern schnell zugeordnet werden können. Und auch wenn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in den vergangenen Tagen immer wieder betonte, dass keine Deutschen betroffen seien, dürften die Sorgen auch beim Dachverband des deutschen Sports derzeit sehr groß sein. Es könnte noch etwas auf den deutschen Sport zukommen. Zumal der Landessportbund Thüringen am Donnerstag bekannt gab, dass in der Erfurter Praxis allein im Jahr 2018 etwa 75 D-Kader-Athleten, also junge Sportler aus unterschiedlichen Sportarten, untersucht worden seien.

Aufklärer. Hajo Seppelt stieß die Doping-Ermittlungen maßgeblich mit an.
Aufklärer. Hajo Seppelt stieß die Doping-Ermittlungen maßgeblich mit an.

© Tobias Schwarz/AFP

„Das kann ein Dopingfall von großer Dimension werden“, sagt der Doping-Experte Hajo Seppelt dem Tagesspiegel. Der Journalist ist in diesen Tagen ein viel beschäftigter Mann. Für Gespräche hat er nur wenig Zeit, jeder will etwas von ihm. Kein Wunder, Seppelt selbst dürfte wesentlich an der Aufdeckung der Fälle beteiligt gewesen sein. Er hatte schon Wochen vor der WM in Seefeld den früheren österreichischen Langläufer Johannes Dürr zu einem umfangreichen Doping-Geständnis gebracht.

Der Stein kam dadurch ins Rollen, bis er am vergangenen Mittwoch mit vollem Tempo in Erfurt und Seefeld einschlug. „Das wäre natürlich ohne die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung nicht so einfach gewesen“, sagt Seppelt mit Bezug auf das 2015 in Deutschland eingeführte Anti-Doping-Gesetz. „Die von Funktionären oft beschworenen Selbstreinigungskräfte des Sports haben ja hier offenkundig völlig versagt.“

Kampf gegen Doping nicht effizienter als zuvor

Dass der Kampf gegen Doping mit den Mitteln der strafrechtlichen Verfolgung nun wesentlich effizienter ist als zuvor, kann aber auch nach den jüngsten Vorfällen nur schwer behauptet werden. Die Ermittler sind auf die Aussagen der Kronzeugen angewiesen. Doch die Welt des Leistungssports hat mitunter mafiöse Strukturen. Zeugen gelten als Verräter, als charakterschwach. Kaum jemand sagt aus. Und im Falle von Seefeld ging der entscheidende Impuls wohl von dem Journalisten Seppelt und nicht von den Ermittlern aus. Zudem ist der Kampf zwischen Dopingjägern und Dopingsündern immer noch ein ungleicher. „Die Dopingkontrollen sind besser geworden. Aber keiner der nun überführten Sportler ist positiv getestet worden. Also was sagt uns das?“, fragt Seppelt. Die Antwort liegt auf der Hand: Dass gewieften Betrügern immer noch nicht beizukommen ist.

Weil das so ist, wäre eine länderübergreifende Zusammenarbeit im Kampf gegen Doping von besonderer Bedeutung. Doch auf sportpolitischer Ebene finden in diesen Tagen fast nur Schuldzuweisungen statt. Die Deutschen zeigen mit dem Finger auf die Österreicher und vice versa. Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbandes, wurde am Samstag in der „Bild“ mit den Worten zitiert, dass ihm ein Ermittler gesagt habe, dass auch deutsche Sportler betroffen seien und dass der Fall eine internationale Geschichte sei: „Entscheidend finde ich, dass sich die Betrüger Hilfe von außen, aus Deutschland, holen mussten, um ihren Betrug durchzuführen.“ Für ihn sei das ein Beweis, dass sein Verband sauber arbeite.

Und so endet diese Nordische Ski-WM, die anfangs so schöne Bilder von ständig strahlenden deutschen Athleten zeigte, in einer recht hässlichen Schlammschlacht zweier Sportverbände. Es ist viel im Argen im Wintersport. Das bleibt die ernüchternde Botschaft der Tage von Seefeld.

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